„Mögest du in interessanten Zeiten leben“, so lautet das viel zitierte chinesische Sprichwort, das traditionell als Fluch und nicht als liebenswerter Wunsch zu lesen ist. In diesen gegenwärtigen Zeiten herrscht an solcher Interessantheit kein Mangel: Klimakatastrophe, Inflation, politische Instabilität, Rechtsextremismus und vieles mehr. Oft ist die Rede von der „Polykrise“, und man muss ein sonniges Gemüt haben, um dieser Diagnose zu widersprechen. Da ist es verständlich und normal, dass man überfordert und ermüdet reagiert und sich vor allem eines wünscht: Ruhe.
Wenn dann auch noch (keine Sorge, wir kommen jetzt schon zum Thema Wohnbau) die grüne Wiese vor dem Fenster zur Baustelle wird, wenn bald Dutzende neue Nachbar:innen auf mehreren Stockwerken in Rufweite einziehen, wird diese Ruhe empfindlich gestört. Flugs gründet man eine Bürgerinitiative gegen den „Monsterbau“. Einerseits verständlich. Andererseits bringt das verdichtete Wohnen viele Vorteile, die unseren Alltagsstress reduzieren. Kürzere Wege, soziale Einrichtungen, Energiegemeinschaften, Grätzlinitiativen, Sharing-Konzepte vom Lastenrad bis zur Food-CoOp. Vieles wird günstiger, wenn man es teilt, und gerade in Krisenzeiten schätzen wir die Gewissheit, nicht allein zu sein.
„There is no such thing as society” – so lautete das infame Bonmot der britischen Premierministerin Margaret Thatcher vor über 40 Jahren. Die zerstörerischen Folgen dieser Denkweise sehen wir derzeit an vielen Orten. Um so wichtiger ist es, dass wir konstruktiv an Gegenmodellen zum destruktiven Egoismus arbeiten. An Ideen des Zusammenrückens, der guten Nachbarschaft, der Begegnungsräume, an Gesellschaftsmodellen im kleinen Maßstab. Wo sonst können diese Modelle besser und dauerhafter Realität werden und in unserem Lebensalltag wirksam werden als im Wohnbau? Dieses Heft stellt einige dieser Ideen und Modelle vor und hinterfragt die Rahmenbedingungen, unter denen sie entstehen können.
Wer 500 Wohnungen auf einen Sitz baut, meint Buwog-Geschäftsführer Andreas Holler, der muss sich als Bauträger auch aktiv an Stadtplanung und Stadtentwicklung beteiligen. Um den steigenden Wohnungsbedarf abdecken zu können, braucht es dringend Incentives und gesetzliche Entstaubungen. — WOJCIECH CZAJA
In Interviews haben Sie immer wieder betont, dass die Buwog aufgrund der steigenden Bau- und Grundstückskosten einen Baustopp einlegen musste und dass es 2023 und 2024 keinen Spatenstich geben werde. Ist es dabei geblieben?
Im Grunde genommen ja. Die vergangenen zwei Jahre waren eine Zeit ohne Spatenstiche. Das liegt zum einen an der Explosion der Bau- und Grundstückskosten, zum anderen aber natürlich auch daran, dass unser Mutterkonzern Vonovia in Deutschland den Fokus darauf gelegt hat, zusätzliches Cash zu generieren und wir aus diesem Grund mit neuen Investitionen entsprechend zurückhaltender waren.
Hat Sie der Vonovia-Verlust 2023 in der Höhe von 6,7 Milliarden Euro direkt betroffen?
Das ist ein reiner Wertverlust auf dem Papier. Das operative Geschäft läuft nach wie vor sehr gut. Glücklicherweise ist bei den Werten der Turnaround geschafft, der Markt hat sich wieder stabilisiert. Daher freue ich mich, dass wir Ende 2024 – nach einer langen Zeit des Nichtbauens – wieder den ersten Spatenstich hatten, und zwar auf den ehemaligen Alvorada-Gründen in Vösendorf.
Wie war das Gefühl, nach zwei Jahren wieder einen Spaten in der Hand zu halten und dabei fotografiert zu werden?
Ganz ehrlich? Das hat sich richtig, richtig gut angefühlt. Wir sind Bauträger, und unser Job ist und bleibt das Bauen.
Andreas Holler, geboren 1972 in Wien, studierte Business Administration an der Boston University School of Management und war früher für die Immoeast und Immofinanz tätig. Seit 2013 ist er Geschäftsführer der Buwog, verantwortlich für Projektentwicklung, Baumanagement und Vertrieb.
Wie hat die Buwog die anderthalb Jahre des Nichtbauens genutzt?
Eigentlich sehr clever, wenn ich das so salopp sagen darf. Wir sind runter vom Gas, konnten unsere Projektentwicklungen detaillierter durchplanen und hatten auch mehr Zeit, um Baufirmen, Konsulent:innen und Fachplaner: innen frühzeitig an Bord zu holen und mit ihnen enger und partnerschaftlicher zu arbeiten. Ich denke, dass unsere neuen Projekte dadurch deutlich an Qualität dazugewonnen haben. Außerdem haben wir auch sehr viele interne Projekte abgewickelt, um unsere Prozesse zu optimieren.
Zum Beispiel?
Wir haben unser Portfolio, wo es noch kleine Lücken gab, nun vollständig digitalisiert und haben auf Basis der digitalen Daten ein Archivsystem entwickelt, wo wir mithilfe von KI zu jeder einzelnen Liegenschaft in unserem Portfolio auf Knopfdruck alle nötigen Informationen erhalten. Das ist eine enorme Arbeitserleichterung – hat sich schon jetzt ausgezahlt und wird sich in den kommenden Jahren noch tausendfach bewähren.
Laut Wiener Wohnmarktbericht von OTTO und Knight Frank wurden vergangenes Jahr 9.800 frei finanzierte Wohnungen errichtet. Das ist um sechs Prozent weniger als noch 2023 – und damit ein neues Rekordtief.
Das deckt sich mit unseren Zahlen und Beobachtungen. In den vergangenen zwei Jahren wurde aufgrund der gestiegenen Kosten und der multiplen Krisen, in denen wir uns nun befinden, so wenig gebaut wie noch nie. Und das bereitet mir ehrlich gesagt ziemlich große Sorgen, denn in Anbetracht des gestiegenen Wohnungsbedarfs steuern wir nolens volens auf einen riesigen Engpass zu – und dieser wird leider zu noch höheren Wohnkosten führen. Eine toxische Mischung!
Was heißt das für den Überbestand der Jahre zuvor? Immerhin wurden in der Immobilieneuphorie viel mehr Anleger- und Eigentumswohnungen produziert als der Markt benötigt hat. Viele Wohnungen stehen leer.
Ich würde hier nicht von Überproduktion sprechen, sondern nur von einer falschen Herangehensweise. Wohnungen und deren Preise müssen für die jeweilige Zielgruppe bezahlbar sein. Sobald die Bauträger:innen und Developer: innen die Preise auf dem richtigen Niveau anbieten, werden sich diese Wohnungen gut und schnell verkaufen.
Das aktuelle Heft steht unter dem Motto: höher, dichter, weiter. Inwiefern sehen Sie sich als Bauträger in der Verantwortung einer hochwertigen Stadtentwicklung?
Sehr! Keine Frage! Ich bin der Meinung: Wenn ein Bauträger 500 Wohnungen auf einen Sitz errichtet, dann baut er nicht nur 500 Miet- und Kaufobjekte, dann ist er auch verpflichtet, eine gewisse öffentliche Stadtqualität mitzudenken. Das sind wir der Stadt und der Gesellschaft schuldig.
Ich würde die drei Begriffe mit Ihnen gerne anhand von konkreten Projekten durchdeklinieren. Welches Referenzprojekt möchten Sie für die Höhe heranziehen?
Als allererstes denke ich an den Marina Tower – mit 140 Metern und 41 Stockwerken das derzeit höchste Wohnhochhaus in ganz Österreich. Und natürlich auch an den Helio Tower in St. Marx sowie an die Türme am Hauptbahnhof und in der Seestadt. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Thema im Sinne der Stadtverdichtung und der zunehmenden Bevölkerung bei uns allen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch deutlich zunehmen wird.
Wohnen hoch oben: Wäre das etwas für Sie?
Aus Compliance-Gründen darf ich mir keine Wohnung im Marina Tower zulegen, aber wenn ich dürfte, könnte ich mir das schon gut vorstellen. Am liebsten hoch oben!
Welches Referenzprojekt steht für Stadtverdichtung?
Im Bereich der Stadtverdichtung möchte ich am liebsten unser Projekt Inside XIX anführen. Das ist die Revitalisierung des ehemaligen Amtshauses Döbling – mit Sanierung, Aufstockung und Neubau im Innenhof. Es ist ein absolut hochwertiges, nachverdichtetes Projekt mit Wohnungen um die 7.000 Euro pro Quadratmeter, was für den 19. Bezirk wirklich sehr, sehr okay ist. Die Nachfrage hat uns das bestätigt: Die Wohnungen haben sich innerhalb kürzester Zeit verkauft. Und mit einem Blick in die Zukunft freue ich mich auf unser Stadtverdichtungsprojekt in Salzburg-Liefering, wo wir nun die Südtiroler Siedlung zum Teil revitalisieren und zum Teil durch Neubau nachverdichten.
Ein prominentes Nachverdichtungsprojekt ist auch der Kennedy Garden in Penzing – ein Projekt, mit dem uns eine gemeinsame Geschichte verbindet.
Ja, Sie haben vor rund einem Jahr sehr kritisch darüber berichtet. Und ich sage ganz ehrlich: Ich verstehe Ihre Kritik, was die Dichte und die Enge des Bebauung betrifft, aber wir sind als Entwickler an die Flächenwidmung und die Bebauungsbestimmungen gebunden – und im Fall von Kennedy Garden waren die Baufluchtlinien und die Bauhöhe aufgrund des Vorgänger-Bürogebäudes bereits ganz genau vorgegeben. Hätte ich Kennedy Garden auf einem weißen Papier planen dürfen, hätte das Projekt womöglich anders ausgesehen.
Weniger dicht?
Nein, gleich dicht, aber besser am Grundstück verteilt. Was ich allerdings sagen kann: Wir haben durchwegs positives und neutrales Feedback von den Käufer:innen und Bewohner:innen. Das ist ein schöner Ausgleich zu Ihrer kritischen Berichterstattung.
Und was ist Ihr Referenzprojekt für Stadterweiterung?
In der Seestadt Aspern waren wir – unter vielen gemeinnützigen Wohnbauträgern – der erste private Errichter mit frei finanzierten Wohnungen. Unseren Beitrag in der Seestadt finde ich nach wie vor top. Aktuell arbeiten wir an der Überbauung der ehemaligen Alvorada- Gründe in Vösendorf, wo unter dem Titel viéno ein Quartier mit rund 520 Wohnungen entsteht.
Ein Blick in die nähere Zukunft: Welche Wünsche haben Sie an die künftige Regierung?
Im Detail könnte ich Ihnen sofort zehn Punkte auflisten, die zu tun sind! Wir müssen so rasch wie möglich dem Wohnungsbedarf entsprechend produzieren und brauchen daher dringend eine Beschleunigung von Prozessen. Konkret bedeutet das: Wir brauchen politische und wirtschaftliche Incentives, wir brauchen schnellere Flächenwidmungen, wir brauchen ein klares Bekenntnis zu Systemwidmungen, und wir brauchen schnellere Bewilligungsverfahren. Hinzu kommt, dass die Förderrichtlinien im Sinne der Nachhaltigkeit und Leistbarkeit überdacht werden müssen. Und das MRG muss entstaubt werden. Dringend!
Fotos: Baumit GmbH/APA-Fotoservice/Juhasz, ÖWG Wohnbau, Gerald Anetzhuber/Wien-Süd, fotobyhofer, International Property Media Ltd., awp, Barbara Kapusta
GBV stärker fördern
Georg Bursik, Geschäftsführer Baumit, startet mit viel Optimismus und zahlreichen Ideen und Innovationen in die neue Bausaison. Rund 20 Millionen Euro investiert das Baustoffunternehmen in Anlagenprojekte und Infrastrukturmaßnahmen. „Die Situation in der Bauwirtschaft bleibt angespannt“, so Bursik – er hat Forderungen für die Politik parat, dazu zählt u. a. die Zweckbindung der Wohnbauförderung, Bürokratieabbau, Neuauflage des Sanierungsbonus wie auch höhere Förderungen für den gemeinnützigen Wohnbau.
Expressverfahren gestartet
Der wohnfondswien hat ein bedarfsorientiertes Expressverfahren für Sanierungsvorhaben gestartet. Kathrin Gaál, Vizebürgermeisterin und Frauenund Wohnbaustadträtin: „Damit können die am häufigsten beantragten Einzelmaßnahmen, deren reine Baukosten unter 400.000 Euro liegen, noch schneller umgesetzt werden. Das kann zum Beispiel ein Heizungstausch, mehr Barrierefreiheit durch einen Lifteinbau oder effiziente Wärmedämmung sein. Mit dem Expressverfahren wollen wir erreichen, dass Sanierungswillige solche Einzelprojekte zeitnah binnen weniger Monate umsetzen können. Denn das Ziel ist es, das Wien von morgen heute zukunftsfit zu gestalten.“
Gregor Puscher, Geschäftsführer des wohnfondswien, und Nicole Büchl, Bereichsleiterin Sanierung im wohnfondswien: „Nach einigen Pilotversuchen hat es sich für alle Beteiligten als sehr praktikabel erwiesen, die angesprochenen Kleinprojekte bis zum Baubeginn verkürzt abzuwickeln. Möglich wird dies, da Antragsteller:innen dank zahlreicher Beratungsangebote immer öfter bestens informiert sind und alle nötigen Unterlagen rasch einbringen können. Unsere Sanierungsexpert:innen haben diese Erkenntnisse als Basis genommen, um das Verfahren weiterzuentwickeln. Wir wollen somit all jenen soweit wie möglich zeitlich entgegenkommen, die dank guter Vorbereitung rasch in die Umsetzung gehen können“. Hauskunft
2025: Jahr der Genossenschaften
Die Zahl der Genossenschaftsmitglieder ist gegenüber dem Vorjahr um 2,4 Prozent auf rund 574.000 insgesamt gestiegen. 90 der 175 Mitglieder des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen sind Genossenschaften. Wie wichtig das Thema Genossenschaften ist, zeigt auch das Faktum, dass die Vereinten Nationen 2025 das Internationale Jahr der Genossenschaften ausgerufen haben. Die GBV verwalten rund 998.000 Wohnungen, davon sind rund 660.000 eigene Miet- und Genossenschaftswohnungen.
Baumpflanzung nach Schlüsselübergabe
Grünes Wohnen im Zentrum
ÖWG Wohnbau errichtet weitere 17 geförderte Mietwohnungen in Groß St. Florian im Bezirk Deutschlandsberg. Geplant von Architekt Roland Heyszl, werden nun drei zweigeschoßige Gebäude durch ÖWG Wohnbau mit insgesamt 17 Wohnungen realisiert. Die Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, mit einer Größe von 50 bis 89 Quadratmetern, werden alle über einen Balkon oder eine Terrasse mit Gartenfläche verfügen. Die Wohnungen werden in Massivbauweise errichtet und bieten eine ideale Verbindung von naturnaher Wohnqualität und urbaner Infrastruktur. Kindergarten, Schulen, Geschäfte, Lokale, Arzt und Apotheke sind fußläufig schnell erreichbar. „Grünes Wohnen im Zentrum – das zeichnet unser Projekt in Groß St. Florian aus. Mit dem Spatenstich setzen wir unsere kontinuierliche Bautätigkeit fort, um den wachsenden Wohnbedarf in der Region zu decken und schaffen somit attraktiven und leistbaren Wohnraum in perfekter Lage“, so Hans Schaffer, Vorstandsdirektor von ÖWG Wohnbau. www.oewg.at
Spatenstich in Groß St. Florian: Richard Windbacher, Partl, Christopher Feirer, Partl, Bürgermeister Johann Posch, Bettina Thaller, ÖWG, Alexandra Pintaric, ÖWG, Moritz Purr, Gemeinde Groß St. Florian
Wohnbau mit Greenpass
Die von der „Gewog Arthur Krupp“ in der Stadtgemeinde Neunkirchen errichtete Wohnhausanlage Fabriksgasse/Stockhammergasse wurde im Beisein von Bürgermeisterin Klaudia Osztovics und Landtagsabgeordnetem Hermann Hauer an die Bewohner:innen übergeben. Im Rahmen der feierlichen Eröffnung ist das Projekt mit der „Greenpass“-Zertifizierung in Silber ausgezeichnet worden.
Auf dem Grundstück befand sich zuvor die Arbeitersiedlung der Schraubenfabrik Brevillier. „Das Projekt ist Teil von ‚Grün statt Grau‘, ein Forschungsprojekt, bei dem der Einsatz von Bauwerksbegrünung als Beitrag zur Klimaresilienz untersucht wurde“, erklärt Christof Anderle, Geschäftsführer der „Gewog Arthur Krupp“. Mit den „Drei Wächtern“ ist es auch gelungen, „Kunst am Bau“ zu integrieren.
Sichtlich stolz nahm das Team der Buwog (2. v. l. und 3. v. l.) auf der Bühne neben der 5-Star- Auszeichnung in der Kategorie „Best Residential Development 20+ Units Austria“ auch noch die Nominierung für die International Property Awards für das Projekt viéno entgegen.
Ausgezeichnetes viéno
viéno in Vösendorf der Buwog ist ein Wohnbau mit mehr als 500 Mietwohnungen. „Wir freuen uns, dass sich seit einigen Monaten eine leicht positive Veränderung der Marktlage abzeichnet, die wir nun dafür nutzen, um uns mit einem neuen, vielversprechenden Projekt, wie viéno eines ist, an die sich veränderten Marktgegebenheiten heranzutasten“, erklärt Andreas Holler, Geschäftsführer der Buwog Group GmbH.
viéno zeichnet sich nicht nur durch seine Lage zwischen Wienerberg und Weinbergen aus, sondern wurde bereits mit dem 5-Star-Award bei den European Property Awards in der Kategorie „Best Residential Development 20+ Units Austria“ prämiert und für den International Property Award nominiert.
Wien mobil
Derzeit wird das WienMobil Rad in aspern Seestadt flächendeckend ausgebaut und löst damit schrittweise das seestadteigene Leihradsystem ab. Als Pionierin nördlich der Donau schuf die Seestadt mit der „SeestadtFlotte“ bereits 2015 ein Leihradangebot und damit einen wichtigen und gern genutzten Bestandteil ihres Mobilitätskonzepts. Finanziert wurde dieser gänzlich aus dem Mobilitätsfonds, der sich aus der Abgabe für Pflichtstellplätze in Sammelgaragen in aspern Seestadt speist. Seestadt Aspern
Bauen ohne Boden
Die Initiative „Bauen ohne Boden“ wandte sich mit einem Vorschlag für eine wirtschaftsfreundliche und klimagerechte Politik an die Regierung – für eine Bau-Politik mit Weitblick. „Bauen ohne Boden“, bestehend aus Vertreter: innen von Industrie, Forschung, öffentlicher Verwaltung und Architektur, setzt sich für nachhaltiges Bauen und Wohnen ein. Der Fokus liegt auf Bodenschutz, Energieeffizienz und Klimaschutz, kombiniert mit einer Belebung der Baukonjunktur.
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Welle & Wonne
Ein ungewöhnlicher Name für eine besondere Wohnhausanlage: Neues Leben errichtet in Melk 46 Wohneinheiten, die maßgeblich zur nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen. AWP Architekten zeichnen für den Entwurf verantwortlich, der Wohnbau wird in Niedrigenergiestandard ausgeführt. Der Name Welle & Wonne bezieht sich auf das Wachaubad, das direkt gegenüber ist.
Kunstbotschaft für „Das Stadtregal“
Das Arwag-Wohnprojekt „Das Stadtregal“ im Village im Dritten ist ein Vorzeigeprojekt im urbanen Wohnbau. Für die Architektur zeichnen Gerner Gerner Plus und heri&salli verantwortlich. Auf einer Nutzfläche von rund 10.500 Quadratmetern entstehen 122 geförderte Mietwohnungen. Die U-förmige Gebäudestruktur besteht aus vier Bauteilen, von denen zwei in Holz-Hybridbauweise errichtet werden. Das unterstreicht den Fokus auf Nachhaltigkeit.
Für die Energieversorgung kommt ein innovatives Anergienetz mit Geothermie, Photovoltaikanlagen und Abwasserwärmerückgewinnung zum Einsatz. Begrünte Fassaden, Dachgärten und das Schwammstadt-Prinzip tragen zusätzlich zur Klimaanpassung und Verbesserung des Mikroklimas bei. Im Rahmen eines geladenen Verfahrens in Kooperation mit KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien entstand eine dauerhafte, malerische Fassadengestaltung. Barbara Kapusta nutzt ein eigens entwickeltes figuratives Alphabet, um auf der Fassadenfläche des Gebäudes den Satz „This is the space we inhabit as neighbors“ abzubilden. Die amorphen Silhouetten formen ein abstraktes Wandbild, das an eine lebendige Handschrift erinnert.
Treffpunkt GBV
Der Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen hat ein neues Kommunikationsformat kreiert: Mit dem neuen Video-Format „Treffpunkt GBV“ bringt der GBV exklusive Einblicke und Analysen zu den wichtigsten Themen. In der ersten Folge analysiert Michael Klien, Wohnbauexperte des Wifo, mit Verbandsobmann Klaus Baringer die Rolle der GBV am Wohnungsmarkt. Treffpunkt GBV
Fototermin mit den Gewinnern der „Grätzlinitative 20+2 – der Call“ und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál und Gerhard Hirczi, Geschäftsführer bei Wirtschaftsagentur Wie.
Grätzl 20+2
Nach der Premiere im Grätzl Innerfavoriten im Jahr 2021 startete mit der Brigittenau und der Leopoldstadt im Jänner 2023 das bezirksübergreifende WieNeu+ Programmgebiet „Grätzl 20+2“. Das Gebiet zwischen Nordwestbahnhof, Praterstern, Donaukanal und Stromstraße/Wexstraße ist über das ganze Jahr 2025 intensives Zielgebiet. Mit 2025 startet in Hernals ein drittes Zielgebiet von WieNeu+. wieneuplus.wien.gv.at
Fassadenkunst
Insgesamt acht Wohnbauten stellt der ÖSW-Konzern renommierten Künstler: innen zur Gestaltung zur Verfügung. Die neue Fassadenkunst steht für eine künstlerische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen und soll einen wertvollen Beitrag zur lebendigen Kultur und Identität des jeweiligen Stadtteils leisten. Mit der erfolgreichen Fertigstellung des ersten Kunstwerks in der Pohlgasse in 1120 Wien wurde ein bedeutender Meilenstein erreicht. Die positive Resonanz der Bewohner:innen und die spürbare Aufwertung des Wohnviertels bestätigen den Erfolg des Projekts.
Clusterland Award vergeben
Die TU Wien tüftelt an verbesserten Beton-Recyclingmethoden in Rahmen des Branchenprojektes UP!crete. Das Projekt wurde mit dem Clusterland Award ausgezeichnet. up-crete
„Eben Mitte“
Die BWS-Gruppe trägt mit dem Projekt „Eben Mitte“ maßgeblich zur Ortskernentwicklung von Eben im Pongau bei. Das Konzept: leistbares Wohnen in 20 geförderten Mietwohnungen für betreutes Wohnen, ein Seniorentageszentrum sowie Arztpraxen und Apotheke. Die Wohnungen sind barrierefrei und verfügen über Freiflächen. Der Neubau wird mit nachhaltiger Energieversorgung mittels Nahwärme versorgt mit großzügiger Photovoltaikanlage auf dem Dach ausgestattet.
Christian Struber, Schwarzenbacher Struber Architekten, Thomas Maierhofer, Wohnbau Bayern, Rosmarie Hainz, Bürgermeisterin der Stadt Laufen, Thomas Gruber, Wohnbau Bayern, Georg Grundbichler, Salzburg Wohnbau
„Wohnen am Salzachbogen“
Die Wohnhausanlage „Wohnen am Salzachbogen“ in Laufen, bestehend aus drei Baukörpern, bietet Zwei- bis Sechs- Zimmer-Wohnungen mit Flächen von 45 bis 132 m2, mit Freiräumen wie Balkone, Terrassen oder private Gärten. Gebaut wird u. a. mit Holzbeton-Mantelstein und hinterlüfteter Holzschalung. Ausgestattet mit Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen entspricht es den Voraussetzungen als „klimafreundliches Wohngebäude“ für die KfW-Förderung.
David Vladar (MA 69), Dieter Groschopf (wohnfonds_wien), Kathrin Gaál (Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin), Peter Jagsch (Bezirksvorsteher Hernals), Gregor Puscher (wohnfonds_wien), Hannes Stangl (Sozialbau AG)
Baurecht statt Flächenverkauf
Um das städtische Eigentum an Grund und Boden langfristig zu sichern, vergeben die Stadt Wien und der wohnfonds_ wien vermehrt Baurechte, anstatt Flächen zu verkaufen. Damit erhalten Bauträger für eine vereinbarte Zeitspanne das Recht, ein Gebäude auf dem Grundstück der Stadt Wien zu errichten und zu betreiben. Rund 223.000 Quadratmeter wurden bereits im Baurecht vergeben. Gemeinsam mit diversen Bauträgern wurden rund 4.200 leistbare Wohnungen realisiert.
Ende der KIM-Verordnung
Die Initiative „Mehr Zuhaus’ in Österreich!“, ein Zusammenschluss von führenden Vertretern der österreichischen Bauwirtschaft und Baustoffindustrie, begrüßen das Ende der KIM-Verordnung, deren restriktive Kreditvergaberegeln vor allem jungen Familien und Alleinverdienern den Wohnbau erschwerten und damit die derzeitige Wohnbaukrise mitverursacht haben.
Die Arge Eigenheim schließt sich der Freude über das Ende der KIMVerordnung an. „Der gemeinnützige Wohnbau ist ein stabiler Pfeiler des österreichischen Wohnmarkts. GBV spielen eine zentrale Rolle, nicht nur für die Stabilität des Sektors, sondern auch für die langfristige Verfügbarkeit von leistbarem Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten“, so Isabella Stickler, Arge Eigenheim Obfrau.
Die „Grüne Saite“ soll üppig begrünt werden.
Klimafittes und soziales Wohnen
Die Seestadt ist zu mehr als einem Drittel entwickelt. Nun laufen die Vorbereitungen für die nächsten Bauvorhaben im Seecarré am Nordwest-Ufer. Das Seecarré zeichnet sich unter anderem durch das innovative Grünraumkonzept die „Grüne Saite“ aus, wird nach dem Seestädter Gebäudestandard aspern klimafit errichtet und soll ein eigenes Anergienetz bekommen. Die nächsten Projekte des wohnfonds_wien werden Klimaschutz und Ressourcenschonung ebenso im Fokus haben wie Klimaresilienz sowie auch Wohnformen für das Älterwerden und für Alleinerziehende.
Spatenstich „Lebensraum Muthgasse 50“ am 8.11.2024
Zukunftsweisende Stadtentwicklung
Das Wohnprojekt „Lebensraum Muthgasse 50“ im 19. Bezirk der Stadt Wien und der wbv-gpa stellt leistbaren und modernen Wohnraum für alle Generationen ins Zentrum. Das von HNP architects und Gerner Gerner Plus entworfene Gebäude wird von der Strabag errichtet und setzt auf innovative Technologien und Nachhaltigkeit. Das Wohnprojekt umfasst 309 Wohnungen, davon 238 geförderte Mietwohnungen und 71 frei finanzierte Eigentumswohnungen. Zusätzlich entsteht ein Wohnheim mit 258 Wohneinheiten, ein Kindergarten für sechs Gruppen sowie ein Mehrzweck-Turnsaal. Gebaut wird mit vorgefertigten Bauelementen, in denen bereits Bauteilaktivierung und Sanitärinstallationen integriert sind. Nachhaltige Energiequellen wie Geothermie, thermische Grundwassernutzung und eine Photovoltaikanlage tragen zu einer klimafreundlichen Energieversorgung für Heizung und Warmwasser bei.
„Am langen Felde“
Heimat Österreich hat in Kooperation mit der Siedlungsunion, Mischek, Wiener Heim und Haring einen neuen Stadtteil im 22. Bezirk in Wien auf sieben Baufeldern realisiert. Das Projekt verfügt über 1.700 Wohnungen, eine Schule, zwei Heime, Gewerbe und einen Park.
Ruth Bartussek hat in der Baugruppe Kolokation im Quartier am Seebogen den idealen Rahmen für die Entwicklung ihrer zahlreichen Projektideen gefunden und schätzt die vielen Kontakte im Haus. — MAIK NOVOTNY
Ein bisschen windig ist es schon am Balkon, sagt Ruth Bartussek. Aber das ist eben das lokale Klima der Seestadt. Seit mehr als drei Jahren wohnt sie hier in der Wohngruppe Kolokation am Seebogen (kolok:as) und sie ist überzeugte Seestädterin. „Ich mag, dass hier alles noch offen und voller Potenzial ist. Nostalgie brauche ich nicht!“ Alles offen – das passt zu der 72-jährigen studierten Chemikerin und ausgebildeten Organisationsentwicklerin, die schon immer ein Interesse an Strukturen und systemischem Denken hatte.
„Es macht mir Spaß, die Sachen in die Hand zu nehmen. Wenn irgendwo etwas fehlt, jammert man nicht, sondern macht es selbst.“ Selbst gemacht hat sie in ihrem Wohnumfeld schon einiges. So kocht sie zu den Jahreskreisfesten regelmäßig für Gäste – kürzlich erst ein Drei- Gänge-Menü für 18 Personen. „Rhythmus und Rituale sind wichtig im Alltag, und das feiern wir mit diesen Events.“
Die Idee, in eine Wohngruppe zu ziehen, hatte Ruth Bartussek schon lange. Nachdem sie das Elternhaus in Graz erbte, erfuhr sie am eigenen Leib, wie verschwenderisch diese Bauform mit Raum umgeht – kein Modell für die Zukunft. Also wurde das Haus verkauft und sie zog nach Wien, um näher bei ihren Kindern zu sein. Es kam zum Kontakt mit den ersten Baugruppen der Seestadt, und nach einem Intermezzo in Gänserndorf kam der Verein Kolokation, der sich dem gemeinsamen Wohnen im Alter verschrieben hat, genau richtig. Den Bauträgerwettbewerb gewann man im Team mit Bauträger Schwarzatal und Kronaus Mitterer Architekten. Anders als die erste Kolokation- Gruppe im Sonnwendviertel sind die Wohnungen hier nicht auf einer Etage gruppiert, sondern im ganzen Haus verteilt. Auch die Gemeinschaftsräume im Erdgeschoß teilt man sich, andere sind für die Gruppe vorbehalten.
Kultureller Reichtum
Die Entscheidung fürs gemeinschaftliche Leben war für Ruth Bartussek nur konsequent: „Projekte zu entwickeln ist mein Lebensinhalt, und hier kann ich vieles umsetzen. Ich möchte auch im Alter noch Kontakte knüpfen und pflegen. Außerdem habe ich jahrelang meine Mutter gepflegt, und das will ich meinen eigenen Kindern nicht zumuten.“ Trotzdem war der Anfang nicht leicht, denn der Einzugstermin fiel unglücklicherweise genau in die Corona-Zeit, wodurch viele Entscheidungen schnell getroffen werden mussten.
Auch die Kontakte zu den Bewohner: innen, die über Wiener Wohnen vermittelt wurden, kamen erst mit Verspätung in Gang. Hinzu kam die Herausforderung der gemeinschaftlichen Wohnsituation selbst, die gerade Älteren einiges abverlangt. „Das Zusammenleben muss man üben“, sagt Ruth Bartussek. „Im Alltag ist es oft schwer, Toleranz zu praktizieren, nicht in der Vergangenheit zu leben und sich Veränderungen zu stellen. Ältere sind da oft etwas ungeduldig und störrisch. Da braucht man einen organisatorischen Überbau, sonst wird nur gestritten.“
Inzwischen haben sich jedoch manche Kontakte intensiviert, und einige jüngere Bewohner:innen sind hinzugekommen und bringen frische Dynamik ins Haus. Auch die Nachbarschaft in der gesamten Hausgemeinschaft ist zusammengewachsen. Im Gemeinschaftsraum finden Tanzveranstaltungen, Kinovorführungen und Feldenkrais- Übungen statt, die zahlreichen Nationalitäten sorgen für kulturellen Reichtum, und die vielen Kinder wuseln frei umher, ohne sich um Vereinsstatuten scheren zu müssen.
Kaffeehaus fehlt noch
Im Quartier am Seebogen sind die nachbarlichen Beziehungen auch über das Haus hinausgewachsen, und aus einer Ansammlung von Baufeldern wird langsam eine richtige Stadt. „Ein schönes Kaffeehaus fehlt uns noch“, sagt Ruth Bartussek. „Die Gastronomie ist erst für den nächsten Bauabschnitt vorgesehen, aber das dauert noch Jahre.“ Auch ein Ort, an dem die Bauern aus dem benachbarten Marchfeld ihr Gemüse verkaufen können, wäre eine gute Idee, sagt sie. Man sieht: Es gibt immer etwas zu tun, und an neuen Projekten, die es zu entwickeln gilt, herrscht kein Mangel.
Kantige Dichte: Wohnbau im Quartier Berresgasse (Bauträger: EGW, Architekten: g.o.y.a., Franz&Sue)
Foto: Andreas Buchberger
Die Bodenversiegelung einzubremsen und dem zunehmenden Flächenbedarf beim Wohnen gerecht zu werden, erfordert eine Gratwanderung mit Feingefühl. Dabei gilt es, das Wachstum nach innen und nach oben zu dirigieren. — MAIK NOVOTNY
Zu Beginn ein kleines Ratespiel: Welche österreichische Stadt ist jene mit dem höchsten Bodenversiegelungsgrad pro Einwohner:in? Genau, es handelt sich um St. Pölten mit stolzen 308 Quadratmetern, gefolgt von Wiener Neustadt mit 257, Villach mit 236, Wels mit 225 und Klagenfurt mit 221 Quadratmetern. Kein klimagrünes Ruhmesblatt für Niederösterreich und Kärnten. Ermittelt wurden diese Werte 2024 von der Umweltorganisation WWF für die 15 größten Städte des Landes anhand von exakten Satellitendaten.
Eine anschauliche Darstellung dieser Daten bietet seit Februar 2025 die Plattform „Soil Walks“, Resultat des gleichnamigen Forschungsprojekts, das die TU Wien gemeinsam mit dem Umweltbundesamt und Wallenberger & Linhard Regionalberatung im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums durchführte. Dabei wurde ein grafisches „Dashboard“ entwickelt, das bei den gleichnamigen „Soil Walks“ eingesetzt wird – bewusstseinsbildende Spaziergänge, bei denen der sorgsame Umgang mit Grund und Boden vermittelt wird. Ebenso können die Flächeninanspruchnahme und Versiegelung in allen österreichischen Gemeinden, Bezirken und Bundesländern auf einer eigenen Website abgefragt und Vergleiche mit anderen Gemeinden hergestellt werden.
Düsteres Bild
Diese Zahlen malen ein deutliches und düsteres Bild davon, wie wir mit der begrenzten Ressource Boden umgehen. Die Flächeninanspruchnahme liegt mit 12,1 Hektar pro Tag in den Jahren 2014 bis 2023 um den Faktor fünf über dem Nachhaltigkeitsziel von 2,5 Hektar, dem sich der Bund 2002 verschrieben hatte. Seitdem ist dieses Ziel laut WWF um rund 110.000 Hektar verbrauchten Boden überschritten worden. Auch laut Berechnungen der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) ist die Bodenversiegelung um mehr als 20 Prozent größer als angenommen.
Die Gründe dafür sind laut der WWF-Studie: „Zersplitterte Raumordnungskompetenzen, zahnlose Kontrollen der Behörden, falsche finanzielle Anreize und umweltschädliche Subventionen.“ So gebe es in Österreich ein jährliches Volumen von vier bis 5,7 Milliarden Euro an klima- und umweltschädlichen Subventionen. Vor allem fehlen verbindliche quantitative Ziele zur Reduktion des Bodenverbrauchs. Auch eine Studie der Technischen Universität Wien kommt zum Schluss, dass „wirksame finanzielle Anreize für eine nachhaltige Raumentwicklung“ in Österreich fehlen.
„Zersplitterte Raumordnungskompetenzen, zahnlose Kontrollen der Behörden, falsche finanzielle Anreize und umweltschädliche Subventionen.“
Studie WWF
„Bodenschutz ist Klimaschutz“, kommentierte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler den APCC-Bericht: „Leider ist die Situation in Österreich äußerst prekär. Wir müssen aufhören, unsere wertvollen Böden zu zerstören. Der Bericht zeigt deutlich: Es gibt auf allen Ebenen genug Möglichkeiten um den traurigen Titel Österreichs als ,Europameister im Versiegeln‘ loszuwerden.“
Innen vor außen
Auch die mittlerweile vier Ausgaben des Baukulturreports des Bundes wiesen mit zunehmendem Nachdruck auf die Notwendigkeit zum Flächensparen hin, und die Maßnahme „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ ist bereits zum Mantra geworden – dennoch hören immer noch viele nicht hin. Unter den sieben größten Problemen von Österreichs Baukultur zählen laut dem 4. Baukulturreport (2021) die geringe Wertschätzung bestehender Gebäude, der Funktionsverlust von Stadt- und Ortskernen, die fehlende Nachhaltigkeit und der hohe Bodenverbrauch.
Das frustrierte Fazit: „Das Bewusstsein für die Bedeutung des Bodenschutzes ist hierzulande gering, weder auf Bundes- noch auf Länderebene gibt es effektive raumsparende Strategien. Deshalb ist Österreich bei der Flächeninanspruchnahme europaweit in einer negativen Spitzenposition.“ Eigentlich hatten ÖVP und Grüne in ihrem Regierungsprogramm vereinbart, den Bodenverbrauch in Österreich bis 2030 auf zweieinhalb Hektar pro Tag zu reduzieren, und im Februar 2024 wurde bei einem Treffen der Landesraumordnungs- Referent:innen die ÖROK-Bodenstrategie von allen Bundesländern beschlossen. Letztlich behielten jedoch auf Bundesebene die bremsenden Kräfte, die vor einer Behinderung des Wirtschaftswachstums, der Bauindustrie und des Wohnbaus warnten und keine verbindlichen Ziele wünschten, die Oberhand.
Screenshot
Aufgebrauchte Reserven
Kern dieses Konflikts ist, dass der Flächenbedarf tatsächlich wächst. Wiens Bevölkerung hat Ende 2023 die Zwei- Millionen-Grenze erreicht, laut Prognosen von Statistik Austria könnten bis ins Jahre 2053 weitere 310.000 Menschen hinzukommen. Die Baulandreserven werden allerdings jetzt schon zügig aufgebraucht. Sehr viel grüne Wiese gibt es nicht mehr, und für jene, die es gibt, muss man gute Argumente finden, warum die Verbauung gesellschaftsrelevanter ist als der Erhalt der Ressource Boden. In anderen österreichischen Großstädten sieht es ähnlich aus.
Die ebenfalls wohlstandsbedingt zunehmende durchschnittliche Wohnfläche pro Person und die Anzahl von Single- und Alleinerziehenden- Haushalten erhöht den Flächendruck zusätzlich. Das heißt: Oft bleibt wenig übrig, als an den Kennzahlen von Bebauungsdichte und Gebäudehöhe zu schrauben.
In Wien macht sich das bereits seit Jahren bemerkbar in der neuen Typologie der 20 Meter tiefen und 35 Meter hohen Bauvolumen, die knapp unter der Hochhausgrenze der Wiener Bauordnung bleiben und dank hoher Trakttiefen und idealem Verhältnis von Oberfläche zu Volumen baulich und thermisch effizient sind. Besonders ansprechend sind sie in ihrer massiven Einfachheit allerdings nicht immer – das zeigt ein Besuch in einem der jüngsten Wiener Stadtentwicklungsgebiete an der Berresgasse, wo eine deutliche Spannweite in der Qualität zu erkennen ist.
Etwas luftiger verspricht das Quartier Oberes Hausfeld zu werden, in dem 15 Bauträger auf 26 Hektar Fläche rund 3.700 Wohneinheiten errichten; hier messen die meisten Bauvolumen 16 und 22 Meter Höhe. Das Stadtteilentwicklungskonzept für das westlich angrenzende Hausfeld hat sich vorgenommen, Bebauungsdichte und Resilienz gegen klimawandelbedingte Überhitzung unter einen Hut zu bringen: „kühlen, durchlüften, beschatten, begrünen“ lautet hier das Motto.
Klimafitte Stadtentwicklung auf ehemaligem Bahnhofsareal – künftiges Zuhause für 16.000 Menschen – 10 ha grüne Mitte, neue Bim-Linie 12 und Highline-Park – Öffentliche Auflage startet am 21.9.
Höhere Gebäude
Architekt:innen, Stadtplaner:innen und Behörden haben seit vielen Jahren Konzepte für eine verträgliche und stadträumlich angemessene Dichte entwickelt, die leistbares Wohnen ermöglicht. In Wien wurde etwa das von StudioVlayStreeruwitz aus dem Siegerprojekt des 2012 entschiedenen städtebaulichen Wettbewerbs entwickelte Leitbild „Freie Mitte – vielseitiger Rand“ für das 32 Hektar große Nordbahnhof- Areal trotz einiger Widerstände aus Politik und Wohnbauindustrie konsequent und weitgehend nach Plan umgesetzt, der bis ins feinste Detail in einem über 200-seitigen Handbuch festgelegt und von einem eigenen Qualitätsbeirat begleitet wurde.
Dieses sah eine explizite Abkehr von der üblichen Vorgehensweise des Auffüllens von Baufeldern vor und beließ stattdessen die Stadtwildnis, die sich auf dem ÖBB-Areal entwickelt hatte, als Park und schraubte dafür die Gebäudehöhe um diese „Leere“ nach oben. Einer der Vorteile dieses Konzepts ist die Minimierung von Verkehrs- und Erschließungsflächen. Einige Wohnhochhäuser um die Freie Mitte sind bereits bezogen oder unmittelbar vor der Fertigstellung, und schon jetzt ist erkennbar, dass der angestrebte „Central- Park-Effekt“ eine ganz eigene urbane Qualität besitzt.
Stadtquartier mit grünem Herz: Projekt von Kallco im Oberen Hausfeld (Architektur: Franz&Sue)
Hohe Dichte
Beim benachbarten Areal des Nordwestbahnhofs, das letzte große innerstädtische Entwicklungsgebiet Wiens mit 44 Hektar Fläche, bildet ebenfalls eine grüne Mitte das identitätsprägende Herz, allerdings ohne Berücksichtigung des Bestands auf dem heute noch von Logistikbetrieben genutzten ehemaligen Bahnareal. Hier begann die Planung mit einem ersten städtebaulichen Leitbild auf Basis des städtebaulichen Wettbewerbs von 2008 mit dem Siegerentwurf von Ernst Niklaus Fausch. Das aktualisierte städtebauliche Leitbild von 2016 reagierte auf den gestiegenen Wohnungsbedarf mit einer Erhöhung der Geschoßanzahl um ein sowie des Wohnanteils von 65 auf 71 Prozent. Und auch hier wurde ein detailliertes Handbuch erstellt, das die Schwerpunkte für die einzelnen Baufelder und das Gesamtgebiet festlegt.
Wien wird in die Höhe wachsen: Drei Hochhäuser bis 80 Meter und ein Landmark über 80 Meter sind vorgesehen. Unterhalb der Hochhausgrenze wird hier auf hohe Verdichtung gesetzt: Die Gebäudehöhe beträgt (ausgenommen Sonderfelder für Schulen) 21 Meter, mit einzelnen Hochpunkten bis 35 Meter. Erdgeschoßzonen, die an öffentliche Räume angrenzen, müssen eine Höhe von 4,50 Metern aufweisen, wodurch eine Durchmischung mit Nicht-Wohnnutzungen ermutigt wird. Das häufige Problem von Erdgeschoßwohnungen unmittelbar an der Straße mit unweigerlich daraus resultierenden selbst gemachten Sichtschutz-Defensivmaßnahmen der Bewohner:innen, soll so vermieden werden. Auch dem unschönen Wildwuchs an Mini-Zäunen zwischen privaten und halböffentlichen Räumen in den Innenhöfen wird hier durch ein grundsätzliches Zaunverbot begegnet.
Farbe und Material
„Programmatische Verdichtung ist ein Gebot der Stunde und wird oftmals unterschätzt.“ Isabella Stickler
Für Wien relativ neu ist das vorgesehene Gestaltungskonzept für Farbe und Material – das Fehlen eines solchen wurde in früheren Stadtentwicklungsgebieten oft kritisiert, deren Optik in der Regel von Vollwärmeschutzfassaden mit individueller Farbwahl geprägt war. All dies sind qualitätssichernde Maßnahmen, die das städtische Wohnen in hoher Dichte verträglich und ansehnlich machen sollen. Die Klimagerechtigkeit des neuen Stadtteils soll die „grüne Mitte“ nicht alleine schultern, denn auch in den Baufeldern sind Fassadenbegrünungen vorgeschrieben. Dazu kommen hitzeresiliente Bäume und das bereits bewährte Schwammstadtprinzip. Die ersten Bauträgerwettbewerbe für die Bauphase A wurden Ende 2024 entschieden, ein Qualitätsbeirat wurde eingerichtet.
Muss der Wohnbau flexibler und anpassbarer werden, müssen wir mehr Mischnutzung wagen? „Generell sollten Bauträger:innen und Planer:innen viel höheren Wert auf Nutzungsoffenheit legen“, sagt Projektentwickler Klaus Wolfinger, der unter anderem als Projektkoordinator des „G’mischten Blocks“ in Wien ein Modell für urbanen Nutzungs-Mix umgesetzt hat: „Das betrifft alle Nutzungsarten. Darin liegt ein mindestens so wichtiger Beitrag zur Ressourcenschonung wie Rückbaubarkeit. Ein auf verschiedene Nutzungsanforderungen leicht adaptierbares Gebäude mit einer Lebensdauer von 50 Jahren aufwärts kann gewisse Nachteile in der Bauweise wettmachen.“ Nicht an jedem Standort fänden sich von Beginn an auch Nutzer:innen dafür, sagt Wolfinger. Umso wichtiger sei eine strukturelle Flexibilität, insbesondere im Erdgeschoß.
Co-kreative Nutzungsmischung
„Generell sollten Bauträger:innen und Planer:innen viel höheren Wert auf Nutzungsoffenheit legen.“ Klaus Wolfinger
Besonders ambitioniert in puncto Nutzungsmischung ist das „Seestädter“ auf dem Baufeld G11 in der Seestadt Aspern. Diese hat sich – zuletzt mit dem Gewerbehof im Quartier am Seebogen, der mit der Wirtschaftsagentur Wien entwickelt wurde – vom Schwerpunkt Wohnbau ausgehend weiter diversifiziert. Das Projekt Seestädter soll nun als ein ganzer Block mit 19.000 Quadratmetern Nutzfläche als „co-kreatives Quartier“ entstehen. Als Bauträger agieren hier das ÖVW, als Planer:innenteam StudioVlayStreeruwitz und stadtland. Dafür wurde das Baufeld in elf Segmente unterteilt, denen unterschiedliche Schwerpunkte zugeteilt wurden.
Für zwei dieser Elemente wurden 2023 in einem ersten Open Call Ideen gesammelt und Interessent:innen sondiert, in weiterer Folge setzt man auf gemeinsames, sprich co-kreatives, Gestalten der individuellen Wohn- und Arbeitslösungen. Gewerbetreibenden soll es ermöglicht werden, im selben Haus zu wohnen, Bewohner:innen wiederum sollen die Möglichkeit erhalten, im Seestädter ihrer Arbeit nachzugehen, beispielsweise in Co- Working-Spaces. Dabei baut man auf Erkenntnisse aus Quartieren wie Sonnwendviertel und Nordbahnhof auf, die in den Erdgeschoßen auf Nicht-Wohnnutzung setzten. Dort wurde im Prozess deutlich, dass es ohne Steuerung und klare Ansprechpartner:innen nicht funktioniert und dass man einen langen Atem benötigt, bis sich für alle Flächen dauerhafte Nutzer:innen finden.
Programmatische Verdichtung
Auch Isabella Stickler, Geschäftsführerin des Bauträgers Alpenland mit Sitz in der Versiegelungshauptstadt St. Pölten, erachtet die Mischnutzung als sinnvoll – nicht nur im großstädtischen Umfeld. „Programmatische Verdichtung ist ein Gebot der Stunde und wird oftmals unterschätzt. Bei jeder Projektentwicklung ist für uns ein mitgedachtes To-do die Integration von Mischnutzung – also die Kombination von Wohnen mit nicht-wohnlichen Nutzungen wie Büroflächen, Geschäften, Cafés oder sozialen Einrichtungen.“ Dies fördere auch soziale und lebendige Nachbarschaften.
„Modernisierung und Revitalisierung der Wohnanlagen sparen erhebliche Mengen CO2, verbessern den Wohnstandard und können die Betriebskosten für die Mieter:innen senken.“ Robert Oberleitner
Im Moment seien Gewerbeflächen zwar ein höherer Risikofaktor in der Vermietung, für Ortszentrums- und Stadtteilentwicklung aber unerlässlich und absolut sinnvoll, so Stickler: „Durch eine Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeitaktivitäten wird das tägliche Leben flexibler und praktischer. Bewohner:innen können ihren Arbeitsweg verkürzen, lokale Dienstleistungen leichter erreichen und eine höhere soziale Interaktion erfahren. Auch verringert Mischnutzung den Flächenverbrauch, da durch das gemeinsame Nutzen von Räumen und Infrastruktur Ressourcen effizienter eingesetzt werden.“
Der sorgsame Umgang mit Grund und Boden ist für die Alpenland schon seit Jahren ein zentrales Thema, betont Isabella Stickler. „Niederösterreich befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen stark ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungszunahme und schnell wachsenden Ballungszentren, die eine enorme Nachfrage nach Wohnraum erfahren. Daher ist unser Weg eine Kombination von mehreren Maßnahmen, um die Zersiedelung effektiv zu reduzieren und gleichzeitig die Orts- und Stadtentwicklung nachhaltig zu gestalten. Grundsätzlich gilt bei uns im Unternehmen bereits ab der Grundstücksakquise: Zentrumsbebauung vor Ortsrandbebauung.“
Das heißt konkret: Baulücken schließen, bestehende Wohngebiete nachverdichten, Brachen- und Konversionsflächen nutzen, ungenutzte und leer stehende Gebäude und bereits versiegelte Flächen einer neuen Nutzung zuführen. Das heißt auch in Niederösterreich: mehr Mut zur Höhe. „Die Ära der zweieinhalb Stockwerke sollte längst hinter uns liegen, doch sie ist noch immer präsent“, sagt Stickler. „Es bedarf noch viel Aufklärung in den Gemeinden und des Mutes der Politik, sich zur vertikalen Bebauung zu bekennen und die Höhe der Breite vorzuziehen.“
Verträgliche Dichte mit viel Grün: das Wohnquartier Mühlbach Ost der Alpenland in St. Pölten
Fokus auf dem Bestand
Strategien zu entwickeln, um sowohl den Flächenverbrauch zu minimieren als auch den Wohnraumbedarf zu befriedigen, führen so zwangsläufig zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Bestand und einer Schwerpunktverschiebung vom Neubau auf der grünen Wiese hin zu Sanierung, Umbau und Ausbau. „Wir müssen uns intensiver mit der Nachverdichtung beschäftigen. Das betrifft Rahmenbedingungen, wie vereinfachte Standards für das Bauen im Bestand, genauso wie Instrumente für qualitätsorientierte Abweichungen vom Bebauungsplan“, betont Klaus Wolfinger. „In Städten und Gegenden mit Bevölkerungswachstum wird Neubau weiterhin erforderlich sein. Auch deshalb, weil sich hier geringere Baukosten erzielen lassen – und damit geringere Nutzer:innenkonditionen.“
Nachverdichtung im Bestand: Reconstructing-Projekt der Neuen Heimat Oberösterreich in Ried im Innkreis Fotos: Hertha Hurnaus, NHOÖ. Visualisierung: visual design. Grafik: StudioVlayStreeruwitz
In dieselbe Kerbe schlägt auch Robert Oberleitner, Geschäftsführer der Neuen Heimat Oberösterreich und Landesgruppenobmann des gbv Oberösterreich: Ein Fokus auf Bestand, Sanierung und Nachverdichtung bei gleichzeitigen Neubauinitiativen schließen sich nicht aus. „Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Entscheidend ist ein ausgewogener und nachhaltiger Ansatz. Modernisierung und Revitalisierung der Wohnanlagen sparen erhebliche Mengen CO2, verbessern den Wohnstandard und können die Betriebskosten für die Mieter senken. Gleichzeitig bleibt ein gewisses Neubauvolumen unerlässlich, um dem steigenden Bedarf an leistbarem Wohnraum gerecht zu werden und wirtschaftliche Impulse zu setzen. Dabei sollte der Fokus auf nachhaltigem, ressourcenschonendem Bauen liegen. So kann man dem ökologischen als auch dem ökonomischen Aspekt gerecht werden.“
Rezept für Nutzungsmischung: das „Seestädter“ in der Seestadt Aspern
Dass man diesen Fokus auf dem Bestand auch in der Praxis umsetzt, zeigen zahlreiche Projekte der Neue Heimat Oberösterreich. Ein Beispiel von vielen: das Reconstructing-Bauvorhaben in Ried im Innkreis, bei dem derzeit aus 44 Bestandswohnungen 83 neue Wohnungen entstehen. „Reconstructing- Projekte bieten nicht nur neuen Mieter:innen einen hochwertigen Wohnraum, sondern verbessern auch die Wohnqualität der bestehenden Bewohner:innen“, betont Oberleitner. Ein Beispiel für die Nachverdichtung bestehender Quartiere ist das Bauvorhaben der NHOÖ im Linzer Stadtteil Neue Heimat, eine weitere Variante zur nachhaltigen Flächennutzung stellt die Aufstockung bestehender Gebäude dar.
„Derzeit befinden sich diese Projekte noch in der Planungs- und Entwicklungsphase“, erklärt Oberleitner. „Dabei wird geprüft, welche Gebäude für eine Aufstockung geeignet sind, während gleichzeitig die Bewohner:innen für die Vorteile dieser Maßnahme sensibilisiert werden.“ Denn ohne das Einbinden der Bewohner:innen wird sich die Balance zwischen Flächensparen beim Boden und Flächenwachstum im Wohnraum nicht halten lassen.
Novum in Sachen Stadtplanung: Rothneusiedl wird auf 124 Hektar Fläche bis 2045 ein sogenannter „Klimavorzeigestadtteil“.
Raum- und Stadtplanung ist ein sehr komplexes, langwieriges Thema, bei dem viele Player involviert sind und bei dem man nicht immer auf Anhieb durchblickt. Die einen bezeichnen Stadtentwicklungspläne als „Black Box“, die anderen bemühen sich um größtmögliche Transparenz. — WOJCIECH CZAJA
Vor einigen Jahren, noch zu Amtszeiten der grünen Stadtplanungs- und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein, wurde der Autor dieser Zeilen angefragt, den Geburtsprozess des neuen Wiener Stadtentwicklungsplans – kurz STEP 2035 – medial zu begleiten und in Form einer Podcast-Serie für die Öffentlichkeit aufzubereiten. Das Ziel war, den Wiener:innen einen informativen Blick hinter die Kulissen der MA 18 und MA 21 zu gewähren: Was ist der STEP? Unter welchen Gesichtspunkten wird er erstellt? Und wie schafft man es überhaupt, mit einer ganzen Schar an Expert: innen so lange in die Zukunft zu blicken, dass man heute schon weiß, was in zehn Jahren einmal Sache sein wird?
Mit dem Amtsantritt von Ulli Sima im Herbst 2020, seitdem amtsführende Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität, wurde die Anfrage zurückgezogen. Man habe es sich anders überlegt, man werde den STEP 2035 in aller Vertraulichkeit entwickeln, man werde die Wiener:innen schon rechtzeitig in Kenntnis setzen. „Doch das ist bis heute nicht geschehen“, sagt Arthur Kanonier, Professor für Bodenpolitik und Bodenmanagement an der TU Wien, in Anspielung auf die längst überfällige Veröffentlichung.
„Und selbst ich als interessierte Person vom Fach habe keinerlei Einblick in die Prozesse. Hinzu kommt, dass für einen Außenstehenden keine klaren Strukturen und Hierarchien erkennbar sind. Streng formal betrachtet ist der Wiener STEP als Planungsinstrumentarium eine Black Box.“
Transparenz und Kontrolle
Auch der städtebauliche Vertrag als vergleichsweise junges Werkzeug, meint Kanonier, habe in die Wiener Stadtplanung und Stadtentwicklung nicht die einst erhoffte Transparenz, Kontrollierbarkeit und Sanktionsfähigkeit eingebracht. „Die städtebaulichen Verträge sind ein zentraler Schlüssel, mit dem die Stadt ihre Interessen festhält und gewisse Qualitäten vorgibt. Allerdings sind die Verträge bis heute nicht öffentlich einsehbar. Und wenn sich Investor:innen oder Projektentwickler:innen nicht an die vereinbarten Regeln halten, dann gibt es auch keinerlei Möglichkeit, sie zu sanktionieren, ohne auf die zivilrechtliche Ebene auszuweichen. Die Vermischung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht macht die Sache nicht gerade einfacher.“
Was sagt die Stadt Wien zu dieser Einschätzung? „Wir werden den STEP 2035 in Kürze präsentieren können“, meint der Wiener Stadtbaudirektor Bernhard Jarolim. „Gemeinsam mit der politischen Infrastrukturkommission, die im Vorfeld der Flächenwidmungsplanung wichtige Kriterien für bestimmte Quartiere und Entwicklungsgebiete festzurrt, haben wir damit ein hochwertiges Planungs- und Entwicklungstool in der Hand.“
In Kooperation mit dem wohnfonds_wien und den Wiener Beiräten könne man die Qualität auf Projekt- und Quartiersebene bis in die Planungsphase hinein kontrollieren. „Doch mit dem gewonnenen Bauträgerwettbewerb und der ausgehändigten Baubewilligung geht uns die Kontrolle verloren. Ab dann sind wir darauf angewiesen, dass Bauträger:innen und Projektentwickler: innen ihre Versprechen einlösen. Stadtplanung ist eben auch Vertrauensarbeit“, so Jarolim.
Verdichtung und Erweiterung
Auf die Kritik zu städtebaulichen Verträgen entgegnet Jarolim, dass man diese ab März sukzessive veröffentlichen werde: „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und werden nun zunächst jene Verträge öffentlich zugänglich machen, die bei uns schon öfter angefragt wurden. Danach werden auch alle anderen Verträge folgen.“ In Einzelfällen in wichtigen Lagen sowie in größeren, städtebaulich relevanten Ausmaßen wolle man sich an der Stadt Innsbruck ein Beispiel nehmen und die Auflagen eines städtebaulichen Vertrags ins Grundbuch eintragen. Beim Marina Tower soll das bereits gemacht worden sein.
Welche Qualitäten in den einzelnen Verdichtungs- und Erweiterungszonen im Detail geplant sind, kann Christoph Hrncir, Leiter der MA 21B, berichten. Der Nordwestbahnhof beispielsweise wird in vier Bauphasen unterteilt, wobei die Bauphase 1 im Südwesten des Areals – in unmittelbarer Nähe des angrenzenden Nordbahnhofs – für die drei weiteren Phasen eine Art Testballon sein soll. Standards wie Mobilität, Erdgeschoßzone, Einzelhandels-Management, Freiraumqualität und die damit verbundenen klimatisch relevanten Begrünungsmaßnahmen sollen bei Bedarf adaptiert und nachkorrigiert werden.
In den Stadterweiterungsgebieten jenseits der Donau – ob das nun am Hausfeld oder auf der grünen Mohnwiese zwischen den beiden U2-Stationen Donauspital und Aspernstraße ist – werde man sich vor allem auf die Durchwegung zu Fuß und per Rad sowie auf eine möglichst lebendige Nutzungsdurchmischung fokussieren. Im Hausfeld im Bereich der neuen U-Bahn- Station, die derzeit noch keinen Namen hat, könne man sich sogar das eine oder andere Hochhaus vorstellen, erklärt Hrncir. Bei allen neuen Entwicklungen gilt: Wie auch bisher werde man auf Querungsmöglichkeiten verzichten und stattdessen ausschließlich mit Stichstraßen und Sackgassen arbeiten.
Revitalisierung und Nachverdichtung der ehemaligen Rauchmühle in Salzburg, von der Salzburg Wohnbau: 223 Wohnungen, E-Mobilitätskonzept, Unterflurmüllsystem und Anschluss an das Salzburger Radwegenetz Visualisierungen: O&O, Superwien. Foto: Kurt Hoerbst
Klimavorzeigestadtteil
Ein absolutes Novum in Sachen Stadtplanung ist Rothneusiedl, wo auf 124 Hektar Fläche bis 2045 ein sogenannter „Klimavorzeigestadtteil“ entstehen soll. „Mit dem heutigen Wissen in Bezug auf Klimakrise, Mobilität, Bodenverbrauch, Kreislaufwirtschaft und Carbon Footprint in Errichtung und Betrieb müssen wir die Art und Weise, wie wir Städte und Stadtquartiere planen, komplett neu denken“, sagt Markus Penell, Geschäftsführer des Berliner Büros O&O Baukunst und Sieger des kooperativen Verfahrens im Frühjahr 2024.
Geplant sind etwa die Weiternutzung der fruchtbaren schwarzen Erde, die während der Bauarbeiten zwischengelagert wird, sowie die bewusste Beibehaltung der linearen, bis zu 18 Meter breiten Windschutzgürtel, die von Nord nach Süd verlaufen und das Areal auch in Zukunft vor Bodenerosion schützen sollen. 2030 sollen die ersten Bagger anrollen.
Innere Stadtverdichtung
In Graz, das mittlerweile auf über 300.000 Einwohner:innen angewachsen ist, hat man sich in der letzten Legislaturperiode vor allem auf innere Stadtverdichtung sowie auf Stadterweiterung im Westen konzentriert. „Mit dem Altstadterhaltungsgesetz und dem UNESCO-Welterbe kommen hier große Aufgaben auf uns zu“, sagt der Grazer Stadtbaudirektor Bertram Werle. „Aber trotzdem sind wir keine Käseglocke. Umso wichtiger ist es, dass wir uns bei der Stadtplanung auf eine gute, verlässliche Struktur mit ganz klaren Vorgaben stützen können.“
Die Basisgrundlage für alle Entwicklungen und Entscheidungen ist der sogenannte städtebauliche Rahmenplan. In diesem werden die zentralen Entwicklungsschritte sowie die Vorgaben für das Stadtentwicklungskonzept (STEK), die Flächenwidmung und die Bebauungsplanung festgehalten.
Für das Stadterweiterungsgebiet Hausfeld gibt die Stadtplanung gemischte Nutzung, auch ein Hochhaus ist denkbar, eine Durchwegung zu Fuß und per Rad, mit Stichstraßen und Sackgassen, vor.
Bedarf und Qualitäten
In Salzburg wiederum basiert die Stadtplanung auf dem sogenannten Räumlichen Entwicklungskonzept (REK), das alle zehn Jahre überarbeitet wird und das noch heuer in Neuauflage präsentiert werden soll. „Wir konzentrieren uns in unseren Projekten vor allem auf Flächen, die bereits im REK vorkommen und als potenzielle Entwicklungsgebiete ausgewiesen sind“, sagt Thomas Maierhofer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers Salzburg Wohnbau, „Denn andernfalls kann dies ein sehr langer Prozess werden.“ Gemeinsam mit der Stadtverwaltung und Kommunalpolitik werden für jedes neue Entwicklungsgebiet Bedarfe erhoben und Qualitäten festgelegt.
So wie etwa in Salzburg-Lehen, wo nach Plänen von Helen & Hard kürzlich die Revitalisierung und Nachverdichtung der ehemaligen Rauchmühle fertiggestellt wurde – mit insgesamt 223 Wohnungen, E-Mobilitätskonzept, modernem Unterflurmüllsystem und Anschluss an das Salzburger Radwegenetz.
Nachverdichten, statt neue Flächen zu versiegeln, lautet das Gebot der Stunde. Zwei Beispiele, wie das gelingt, ohne dass die Dichte beklemmend wirkt. — FRANZISKA LEEB
Dichte spart Fläche, Dichte erzeugt Urbanität, Dichte ermöglicht leistbares Wohnen. Andererseits: Städtebauliche Dichte steht auch synonym für Enge, Maßstabslosigkeit, Überhitzung, Renditemaximierung. Fix ist, dass eine hohe städtebauliche Dichte nicht automatisch lebenswerte Stadtquartiere garantiert (und eine geringe ebenso wenig). Die Dichte ist eine Kennzahl, die auf Wohnlichkeit und Attraktivität eines Ortes nur bedingt Einfluss hat.
Es seien „Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit und Mangel an gutem Willen, welche uns moderne Stadtbewohner: innen dazu verurteilten, lebenslänglich in formlosen Massenquartieren den geisttötenden Anblick ewig gleicher Mietshausblöcke, ewig gleicher Straßenfluchten zu ertragen“, stellte Camillo Sitte schon vor über 130 Jahren fest. Was aber sind, um mit dem Begründer des modernen Städtebaus zu sprechen, „Ursachen der schönen Wirkung“? Zwei rezente Beispiele, eines in einem Stadtentwicklungsgebiet, das andere innerhalb der Gründerzeitstruktur liefern Hinweise.
An der Gastgebgasse in Wien-Atzgersdorf entstand auf dem Areal der 2013 aufgelassenen Sargfabrik ein neues Stadtquartier. Das ehemalige Fabriksgebäude von Hubert Gessner an der Breitenfurter Straße wurde für eine multifunktionale Nutzung transformiert. Im Anschluss entstand ein Wohnquartier mit rund 750 neuen Wohnungen. Davon sind 430 gemeinnützige Mietwohnungen im Quartier „Kuku 23“ der gemeinnützigen Bauträger Heimbau sowie Altmannsdorf und Hetzendorf untergebracht. Geplant wurde das Kunst- und Kulturquartier von den Architekturbüros Dietrich Untertrifaller und Schenker Salvi Weber, deren insgesamt fünf Gebäude aus einem gemeinsam gewonnenen Bauträgerwettbewerb 2019 hervorgingen.
Man habe sich selbst Kriterien auferlegt, erklärt Architektin Maria Megina, Partnerin bei Dietrich Untertrifaller Architekten, um innerhalb der gewidmeten üppigen Baumasse eine kleinteiligere Maßstäblichkeit und eine urbane Diversität zu etablieren. „Wir wollten anstelle der fünf Gebäude den Eindruck erwecken, dass es 20 sind und haben die Stiegenhäuser als transparente Fugen ausgebildet“, erklärt die Architektin. So wurden mehrere kleinteilige Volumina mit unterschiedlichen Höhen erzeugt.
Wichtig sei es gewesen, die Erdgeschoße frei von Wohnnutzungen zu halten. „Stattdessen haben wir einen Teppich aus kulturellen Nutzungen ausgerollt“, so Megina. Schon 2015 etablierte sich die Kulturinitiative F23 in der Sargfabrik. Mittlerweile ist es eines von sieben Kulturankerzentren im Sinne der Wiener Kulturstrategie und bespielt als kultureller Nahversorger 1.600 Quadratmeter im Kuku 23 und weitere Orte in der Umgebung. Vom Veranstaltungssaal über einen Ausstellungs- und Werkraum, einen Tanz- und Performancesaal, einen Bewegungs- und Yogaraum bis hin zu Künstler:innenateliers reicht das Spektrum.
Konzerte, Theater für Kinder, Tanz- und Kreativ-Workshops, Ausstellungen und vieles mehr finden hier statt. Kulturschaffende und Gastronom: innen waren Zugpferde im von der Kulturagentur art:phalanx kuratierten und von realitylab begleiteten Besiedelungsprozess. „Die Anstrengungen haben sich gelohnt, der Kulturteppich legt sich über das ganze Areal und bindet es an die Sargfabrik, den Bildungscampus und die umliegenden Wohnquartiere an“, so Megina.
Ein fein gewobenes Wegenetz (Freiraumplanung: Rajek Barosch) durchzieht das Quartier, das ohne privatisierten Außenraum, also ohne private Gärten in der Erdgeschoßzone auskommt. Der Grünraum flottiert zwischen den Häusern, ohne an deren Fassaden zu stoßen, die Wege verlaufen entlang der Fassaden – so wie auch in der Innenstadt. Wohnen in großvolumigen Strukturen erfordert auch innerhalb der Gebäude Ausgleichsmaßnahmen. Die internen, bis zu drei Meter breiten Erschließungsstraßen sind gut belichtet. Ab und zu weiten sie sich zu zweigeschoßigen „Fugenräumen“, die noch der Aneignung durch die Bewohner: innen harren. Dass Dichte keine Erfindung von heute ist, wird spätestens beim Blick von der Gemeinschaftsterrasse auf den Wohnpark Alterlaa wieder in Erinnerung gerufen.
Andere Gegend, andere Situation, aber in mancherlei Hinsicht ähnliche Überlegungen und zufällig auch ein Gessner- Bau, die ehemalige Brotfabrik in der Hasnerstraße, als unmittelbarer Nachbar: Gliedern statt gnadenlos das mögliche Bebauungsvolumen auszunutzen, das war auch die Strategie der Zeininger Architekten beim Ersatzneubau Sulm11 in Wien-Ottakring. Das Haus an der Ecke von Sulmgasse und Hasnerstraße fällt auf. Zunächst wegen seiner orangeroten Balkone, ein fröhlicher Farbakzent und eine wohltuende Abwechslung zu den üblich gewordenen anthrazitfarbenen Investorenhäusern. Aber auch sonst ist alles anders, als wir es von den meist sehr banalen neuen Lückenfüllern in den Gründerzeitblocks gewohnt sind. Es fügt sich harmonisch ein und erzeugt eine gute Stimmung im Straßenraum.
Nicht nur wegen seiner Energieversorgung, die mittels Solar- und Geothermieanlage ohne CO2-Emissionen erfolgt, ist das siebengeschoßige Mietshaus, das zu Warmmieten inklusive Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung vergeben wird, ein sehr interessanter Beitrag zum Thema zeitgemäße Nachverdichtung der Gründerzeitstadt.
Die Architekten, sie sind Miteigentümer und somit auch Bauherren, nutzten das L-förmige Grundstück nicht zur Gänze aus, sondern ließen an der Sulmgasse einen Straßenhof frei. Das hat einen klimatischen Vorteil, weil ein offener Hof nicht so stark überhitzt wie ein geschlossener, ist aber auch aus dem Blickwinkel des Verhältnisses von privatem und öffentlichem Raum ein couragierter Zugang. Der Einschnitt öffnet den engen Gassenraum zur Brotfabrik, die somit weiterhin auch an dieser Seite in Erscheinung treten kann. Die im Erdgeschoß angesiedelten Gewerbeflächen erhalten einen attraktiven Vorbereich abseits des Gehsteigs, an der Grenze zur Brotfabrik entstand eine begrünte Terrasse als Vorfeld zum Gemeinschaftsraum.
Ausschließlich Fenstertüren öffnen sich nach außen. Aus den 33 Mietwohnungen münden sie auf eine Balkonlandschaft mit engeren Bereichen und tieferen Aufenthaltszonen, die ebenfalls intensiv mit dem Straßenraum interagiert. An der Straßenecke nehmen die Balkone formal die in der gründerzeitlichen Struktur üblichen abgeschrägten Gebäudeecken auf und bilden so auch in der Fernwirkung einen räumlichen Akzent in der Straßenflucht. Es gibt keine fixen Trennungen zwischen den Nachbarn, sondern nur individuelle Zonierungen, zum Beispiel in Form von Blumentöpfen.
„Als kleines Würstchen der Zivilgesellschaft hat man oft mehr Spielraum als die Großen“, kommentiert Johannes Zeininger, das Unterfangen dieses neuen Typs Gründerzeithaus, das einer vorher nicht dagewesene angenehme Atmosphäre im Stadtraum erzeugt.
Wenn „kleine Würstchen“ so etwas zustande bringen, möchte man von den vielen Großinvestoren, die in den Gründerzeitvierteln gute Renditen mit Nachverdichtungen erzielen, fortan auch ein wenig mehr Engagement erbitten.
Das Zentrum Hohenems wurde dank eines innovativen Bebauungsplans und einer funktionalen Begegnungszone zur Erfolgsgeschichte.
Die Verödung der Ortskerne ist ein Kind unserer Zeit, die Wiederbelebung ein Kraftakt. Es braucht ausreichend finanzielle Mittel, Geduld und vor allem – das passende Konzept. Größe und Lage des Orts spielen eine untergeordnete Rolle. — BERND AFFENZELLER
In Hohenems in Vorarlberg hat eine nachhaltige Zentrumsentwicklung stattgefunden, die auch überregional Beachtung fand. Dabei wurde das Stadtzentrum nicht nur architektonisch aufgewertet und nachverdichtet, es wurde auch als lebendiger Mittelpunkt für soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aktivitäten etabliert. Maßgeblich an dem Projekt beteiligt war Markus Schadenbauer von der Schadenbauer Projektund Quartierentwicklungs GmbH.
„Die Ausgangssituation war relativ trostlos“, erinnert sich Schadenbauer. Aufgrund der Umfeld- und Bestandssituation mit Einkaufsstädten in geringer Entfernung sowie zahlreichen denkmalgeschützten Gebäuden im Ortszentrum musste Hohenems gegenüber anderen Gemeinden „neu denken und einen mühsame ren, eigenständigen Weg einschlagen“, erklärt Schadenbauer. Herzstück des Hohenemser Konzepts war eine funktionale Begegnungszone mit sanierten historischen Gebäuden, Einkaufs- und Verweilmöglichkeiten. Ein klarer Bebauungsplan erlaubte in den Hinterhöfen Neubauten, die die Sanierung der oft denkmalgeschützten Vorderfront querfinanzierten.
Maßnahmen im Überblick Im Rahmen des Österreichischen Raumentwicklungskonzepts ÖREK 2030 wurde ein Bündel an Empfehlungen zur Stärkung der Ortsund Stadtkerne erarbeitet. Dazu zählen unter anderem …
… die Verankerung der Orts- und Stadtkernstärkung in der Bundesund Landesgesetzgebung sowie in der Raumordnung … die Erstellung integrierter städte- baulicher Entwicklungskonzepte oder vergleichbare Konzepte … die Betrachtung der Stärkung der Orts- und Stadtkerne im regionalen Kontext durch die Forcierung regionaler Kooperationen zwischen Gemeinden … die Sensibilisierung und Aktivierung von privaten Akteur:innen als Partner:innen für die Stärkung von Orts- und Stadtkernen … die Forderung nach erhöhten Förderungen für die Schaffung von Wohnraum in Orts- und Stadtkernen … die Sicherung und der Ausbau von Betrieben und anderen Einrichtungen in den Orts- und Stadtkernen
Durch die Bereitschaft der öffentlichen Hand, in die Zukunft der Stadt zu investieren, entstand ein Anziehungspunkt für Eigentümer:innen und Unternehmer:innen gleichermaßen. Ein weiteres Mosaiksteinchen für die erfolgreiche Umsetzung war auch die Fokussierung auf individuelle Konzepte statt auf Kettenfilialen. Diese Strategie hat zu einer vielfältigen Geschäftswelt von Manufakturen, Boutiquen und vielem mehr geführt, die Besucher:innen aus der ganzen Region anziehen. Diese Wiederbelebung der Altstadt Hohenems wurde mit dem „Bauherr:innenpreis 2023“ ausgezeichnet.
Worauf es ankommt
Das Beispiel Hohenems zeigt, dass eine erfolgreiche Ortskernbelebung von vielen Schultern getragen werden muss, die zentrale Rolle spielen laut Schadenbauer die Bewohner:innen. Bei Ortskernbelebungen geht es um Ansiedlungen von Geschäften, Gastronomie, Kleinhandwerk, Dienstleister:innen und auch um Wohnen im Zentrum. „Wenn die Bewohner: innen diese Angebote sich nicht nur wünschen, sondern auch bereit sind, etwas dafür zu tun, dann hat die Belebung eine Chance“, so der Experte.
Positivbeispielen wie Hohenems stehen zahlreiche weniger erfolgreiche Projekte gegenüber. Scheitern Belebungsversuche, liegt das oft nicht nur am fehlenden Geld, sondern an falschen Konzepten und Prämissen. „Natürlich stellt die Finanzierung für viele, vor allem kleinere Gemeinden, eine Herausforderung dar“, weiß Renate Hammer vom Institute of Building Research & Innovation. Viel problematischer seien aber Raumentwicklungskonzepte, die gewohnten verkehrs- und wirtschaftspolitischen Mustern folgen. „Das Einkaufszentrum mit Parkplatz am Kreisverkehr, Betriebe im Gewerbegebiet, die Verteilung im Logistikzentrum. Hinter all dem steckt die Logik der Kostenreduktion und die Erreichbarkeit mit dem Auto“, so Hammer.
Best Practice: Alte Bürgerschule Güssing Im Ortskern von Güssing hat die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft OSG im Rahmen einer umfassenden Revitalisierung ein altes Schulgebäude in Wohnungen, Büros und eine Ordination verwandelt. Ziel der OSG war es, die architektonische Identität des aus dem Jahr 1928 stammenden Gebäudes zu bewahren und gleichzeitig den heutigen Anforderungen an Komfort und Energieeffizienz zu entsprechen. „Diese nachhaltige Nutzung bestehender Bausubstanz trägt zur Vermeidung von Bodenversiegelung bei und wertet das Ortsbild auf“, zeigt man sich bei der OSG mit dem Projekt zufrieden. Die Revitalisierung der alten Bürgerschule in Güssing zeigt, dass Ortskernbelebung durch innovative Nutzungskonzepte möglich ist. Ein Ansatz, der auch für zukünftige OSG-Projekte richtungsweisend sein soll.
Das führe beinahe zwangsläufig zum Funktions- und Identitätsverlust der Ortskerne. „Wir haben eine Strukturveränderung erlebt, die Positives bewirken wollte, aber negative Folgen wie eben den Niedergang der Ortskerne, die über Generationen Zentren des Gemeinwesens waren, hatte.“ Für eine Umkehr dieser Entwicklung braucht es laut Hammer ein integriertes Planungs- und Umsetzungskonzept. „Es muss geklärt werden, was die Bevölkerung braucht und ob und wie der Ortskern diese Bedürfnisse befriedigen kann“, ergänzt Philipp Radlegger, Geschäftsführer der Wohnbau Bergland.
Stellt man erfolgreiche Beispiele gegenüber, zeigt sich schnell, dass es die eine universell wirksame Maßnahme nicht gibt. „Vielmehr geht es darum, passende Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen“, so Hammer. Dafür braucht es laut Schadenbauer vor allem „einen langen Atem“. Weil es speziell in der Anfangsphase oft dauert, bis erste Ergebnisse sichtbar werden, werde zu schnell aufgegeben. „Verantwortliche denken oft in Einzelprojekten und Einzelmaßnahmen. Es geht aber um weit mehr als die Sanierung oder Nachverdichtung einzelner Häuser. Es geht um die Ansiedlung der richtigen Geschäfte am richtigen Ort, die Setzung von Aktivitäten zur Unterstützung der Betriebe, die Schaffung von qualitativen Freiräumen sowie die Ordnung des ruhenden und bewegten Verkehrs“, so Schadenbauer.
Nach einer umfassenden Revitalisierung ermöglicht das historische Gebäude aus dem Jahr 1928 heute eine zeitgemäße Nutzung. Fotos: Lukas Schaller, OSG
Die Größe des Orts spielt bei der Zentrumsbelebung nur eine untergeordnete Rolle. Positiv- und Negativbeispiele gibt es für alle Dimensionen. „Da wie dort geht es darum, die für den Ort passende Antwort zu finden“, ist Schadenbauer überzeugt. Für Hammer ist das Zusammenspiel aller Beteiligten sowie die Begleitung durch externe Fachkompetenz erfolgsentscheidend, nicht Lage und Größe des Orts.
Die Rolle der Gemeinnützigen
Auch wenn es die eine große selig machende Maßnahme nicht gibt, haben die Modellregionen doch meist eine Gemeinsamkeit. Der Ortskern bietet einen guten Mix aus Arbeitsplätzen, sozialer Infrastruktur und Wohnangeboten. „Sobald diese Dinge zu stark räumlich voneinander getrennt werden, kommt es zu Problemen“, ist auch Radlegger überzeugt. Dabei spielen gemeinnützige Bauvereinigungen eine zentrale Rolle. Ortskerne verfügen häufig über alte, ungenutzte Gebäude in schlechtem Zustand. Viele GBVs haben das Know-how, diese zu sanieren, zu revitalisieren und ihnen neues Leben einzuhauchen.
Allerdings sehen sich die Gemeinnützigen oft mit „irrationalen Preisvorstellungen“ der Eigentümer:innen dieser Liegenschaften konfrontiert, wie Alfred Kollar, Geschäftsführer der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft OSG, berichtet. Er fordert deshalb eine Leerstandsabgabe, um mehr dieser alten, abgewohnten und nicht mehr in Nutzung stehenden Gebäude in Verkehr zu bringen. Generell können Förderprogramme helfen, den finanziellen Druck auf Kommunen und private Investor:innen zu reduzieren. „Dies könnte sowohl in Form von Zuschüssen als auch zinsgünstigen Krediten geschehen“, so Kollar.
Die Verdichtung urbaner Räume erfordert ein radikales Umdenken: Freiräume sind längst kein Luxus, sondern systemrelevante Infrastruktur für klimasichere, sozial gerechte Städte. Eine wachsende Zahl an Wiener Projekten zeigt, wie diese Transformation aussehen kann. — LINDA PEZZEI
Anna Detzlhofer, Geschäftsführerin der DnD Landschaftsplanung ZT KG und seit 2022 Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitektur ÖGLA
Dominik Scheuch von Yewo Landscapes betont: „Der Raum zwischen den Häusern ist der eigentliche Lebensraum der Stadt – hier entscheidet sich, ob Urbanität gelingt.“ Sein Büro realisierte mit dem Village im Dritten ein Modellprojekt, wo ein Masterplan für 80.000 Quadratmeter Grünfläche über acht Bauplätze hinweg Dachgärten, Spielzonen und urbanes Farming verbindet. Auch Projekte wie der partizipativ entwickelte Hannah-Arendt- Park, der biodiverse Wildgarten Wien Baufeld 11+20 oder der neue Stadtteil Wolfganggasse zeigen, wie sich urbane Freiräume als lebendige Ökosysteme gestalten lassen, die Naturnähe, soziale Inklusion und klimaresiliente Planung verbinden.
Das Wiener Supergrätzl-Konzept verwandelt Straßenräume in multikodierte Stadträume. Wo einst Parkplätze dominierten, entstehen heute entsiegelte Flächen mit hitzeresistenten Bäumen, Sitzstufen aus Recyclingbeton und Schwammstadt-Prinzipien. Anna Detzlhofer von der ÖGLA verweist auf Rotterdamer Water Square-Modelle, im Zuge derer die Retention von Starkregenereignissen auf Plätzen integriert wird: „Wir müssen Freiräume als Hybridflächen denken – die gleiche Fläche kann bei Starkregen 50.000 Liter Wasser speichern und an heißen Tagen als Kühloase dienen.“
Die Gesiba setzt in ihren Projekten auf Naturwiesen, die nur zweimal jährlich gemäht werden – ein Kompromiss zwischen Biodiversität und geringen Pflegekosten.
Ökofläche Gußriegelstraße Das Projekt Ökofläche Gußriegelstraße der Gesiba umfasst naturnahe Grünflächen mit Wildwiesen, die nur ein- bis dreimal jährlich gemäht werden, um die Biodiversität zu fördern und Lebensräume für Insekten sowie Kleintiere zu schaffen. Die Planung integriert Hochbeete auf der Dachterrasse zum urbanen Gärtnern sowie Infoschilder rund ums „FAIRwildern“, die Bewohner:innen über die ökologische Bedeutung der Flächen aufklären und zur Akzeptanz beitragen.
Bauplatzübergreifende Planung
Wolfganggasse in Wien demonstriert, wie durch koordinierte Freiraumplanung über Grundstücksgrenzen hinweg identitätsstiftende Quartiere entstehen. Paul Steurer, Gesiba, warnt jedoch vor Zielkonflikten: „Jeder Quadratmetermuss heute drei Funktionen erfüllen – Spielplatz, Regenwasserspeicher und Kaltluftschneise zugleich.“ Ein Lösungsansatz kommt aus Berlin: Die Prinzessinnengärten zeigen, wie Brachflächen zu produktiven Gemeinschaftsgärten werden, die Soziales mit Ökologie verbinden.
MQ in morphosis Das temporäre Begrünungsprojekt „MQ in morphosis“ im MuseumsQuartier Wien wurde von Anna Detzlhofer im Rahmen eines Wettbewerbs entwickelt und sieht mobile Pflanzballen mit mediterranen und klimaresistenten Arten vor, die bis 2025 schrittweise an das urbane Mikroklima angepasst werden, um die Aufenthaltsqualität zu steigern und Hitzeinseln zu reduzieren.
Die Schaffung qualitativ hochwertiger Freiräume in verdichteten Stadtgebieten bleibt ein Balanceakt zwischen ökologischen Ambitionen und wirtschaftlichen Realitäten, wie Steurer anhand schrumpfender Grundstücksgrößen und steigender Ansprüche an klimawirksame Grünflächen sieht: „Naturschutzrechtliche Vorgaben kollidieren oft mit der Notwendigkeit, multifunktionale Aufenthaltszonen zu schaffen – etwa wenn Wurzelräume für Bäume die ohnehin knappen Flächen für Spielplätze weiter reduzieren.“
Scheuch betont indessen die Notwendigkeit interdisziplinärer Planungsansätze: „Wir denken Freiräume nicht als Restflächen, sondern als verbindendes Element zwischen Baukörpern – das erfordert frühzeitige Abstimmung mit Architekt:innen und Kommunen.“ Seine Konzepte setzen oft auf durchgängige Grünachsen, die private Innenhöfe mit quartiersweiten Begegnungszonen verknüpfen. Entscheidend sei dabei die Einbindung künftiger Nutzer:innen: partizipative Workshops, wie beim Hannah-Arendt- Park in der Seestadt Aspern, führen zu höherer Akzeptanz und geringeren Folgekosten durch Fehlplanungen.
Trotz solcher Erfolgsmodelle behindern infrastrukturelle Rahmenbedingungen oft nachhaltige Lösungen. Anna Detzlhofer moniert: „Die Freiraumwende scheitert häufig am Budget – hochwertige Gestaltungskonzepte erfordern dauerhafte Pflegeverträge, die viele Gemeinden nicht stemmen können. Städte wie Zürich empfehlen jedenfalls als Klimaanpassungsmaßnahmen, den Baumbestand zu verdoppeln, um einen Kronenabdeckungsgrad der Freiflächen von bis zu 30 Prozent gewährleisten zu können.“
Die grüne Stadt von morgen entsteht im Spannungsfeld zwischen Verdichtungsdruck und Aufenthaltsqualität. Sie verlangt von Bauträger:innen den Mut, Freiräume nicht als Restfläche, sondern als Herzstück jeder Planung zu begreifen – investitionsintensiv, aber unverzichtbar für klimasichere, sozial gerechte Städte.
Architektin Silja Tillner hat viele Vorschläge für ein Neudenken beim Bauen im Bestand – und gleichzeitig auch Empfehlungen an die Politik. — PETER REISCHER
Architektin Tillner, was würden Sie unter den neuen Wohntypologien verstehen?
Mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten und weniger Regeln. Man sollte mehr auf Raumqualitäten und Lichtführung achten sowie auf die Langlebigkeit der Materialien. Eine Studie der TU Wien listet 5 Typologien für den Bestand auf: Schaltbarkeit, gemeinschaftliches Wohnen, überhöhte Räume, offenes Wohnen und kompaktes Wohnen. Die größere Raumhöhe und eine mögliche Kombination verschiedener Räume ist eine wichtige Qualität auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Kompaktes oder gemeinschaftliches Wohnen kann allerdings auch in schlechter Qualität gebaut sein. Das Gemeinschaftliche ist eine soziale Qualität, die aus demografischen Gründen immer wichtiger wird.
Viele Menschen wollen im Alter in unkonventionellen, nicht traditionellen Wohnverbänden leben. Warum ziehen sie nicht einfach um?
Das Wechseln im Alter von einer großen Wohnung in eine kleinere ist zu den gleichen Mietpreisen heute schwer leistbar. In der Schweiz gibt es ein interessantes Modell, bei dem schon im Erstmietvertrag steht, dass bei einer Änderung der Familiensituation die Genossenschaft eine andere, kleinere Wohnung anbieten wird, und so ein Umzug möglich ist. In Österreich ist das in der Form nicht Usus, wiewohl ein freiwilliger Tausch im geförderten Wohnungsverbund schon möglich ist.
Sehen Sie den Typ der Smartwohnung als eine Lösung für das Weiterbauen im Bestand?
Eher nicht, denn das ist eine gute Typologie im Neubau. Eine Reduktion im Sinne von ‚Ressourcen sparen‘ ist natürlich sinnvoll. Smartwohnungen werden aber am besten in Kombination mit großzügigen Gemeinschaftsflächen angeboten – wie bei den Neubauprojekten im geförderten Wohnbau. Viele kleine Wohnungen sind wesentlich teurer, man braucht mehr Installationsschächte und Infrastruktur. Deswegen werden kleine Wohnungen auch pro Quadratmeter teurer vermietet.
Kann man neue Wohntypologien in den Bestand integrieren?
Sehr gut, aber jedenfalls sollten die Regeln für Umbauten gelockert und auf das Wesentliche reduziert werden, um Sanierungen zu erleichtern.
Normen, Regeln, Bauordnung etc.?
Ja! Ich habe endlose Diskussionen über Akustik im Wohnbau geführt. Es gibt Sicherheitsnormen und Wohlfühlnormen. Sicherheitsnormen (Brandschutz, Fluchtwege etc.) müssen natürlich eingehalten werden. Die Festlegungen/Normen in der Bauphysik haben sehr viel mit der Bauindustrie zu tun. Jahrzehntelang sind die Normenausschüsse von der Industrie dominiert worden und je mehr Dämmung, desto mehr Geschäft. Da muss ein Umdenken stattfinden, denn wenn ich im Bestand die Anforderungen eines Neubaus erfüllen muss, ist es schwierig, eine vernünftige Lösung zu finden, bzw. wird der Umbau zu teuer. Die Konsequenz ist, dass viele private Eigentümer:innen dadurch von Sanierung und Umbau abgehalten werden.
Definieren Sie bitte den Begriff der Nachhaltigkeit (in der Architektur)!
Nachhaltigkeit ist gleichzusetzen mit Ressourcenschonung und Langlebigkeit. Es gilt, mit minimalen Eingriffen die maximale Wirkung zu erzielen. Die Lebenszykluskosten müssen berechnet und sowie die Errichtungskosten beurteilt werden.
Was wünschen Sie sich von der Architektur im Hinblick auf den Klimawandel?
Wenn wir die Energieziele und CO2- Neutralität schaffen wollen, müssen wir viel intelligenter, von Anfang an interdisziplinärer und vernetzt planen. Es muss zu Projektbeginn mehr Budget für die Planung zur Verfügung gestellt werden, um dafür in der Umsetzung viel Geld einzusparen. Aktuell tut sich sehr viel Innovatives – unser Büro ist eines von zwei Architekturbüros im angewandten Forschungsprojekt Kraisbau, bei dem es um den Einsatz von AI in der Kreislaufwirtschaft geht, vor allem im Bestand, z. B. bei einer Bauaufnahme zur Bestimmung der verbauten Materialien.
Sehen Sie den Holzmodulbau als eine weitere Möglichkeit der Verdichtung nach oben?
Absolut. Er ermöglicht Gewichtsreduktion und viel kürzere Bauzeiten auf der Baustelle dank Vorfertigung.
Höher, dichter oder weiter – was bevorzugen Sie beim Bauen im Bestand?
Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Ich wünsche mir in der Stadtplanung mehr Fokus auf den Bestand mit innovativen Prozessen vergleichbar zu Neubaugebieten, die mit Innovationswillen und großem Aufwand interdisziplinär geplant werden. In der Bestandsstadt wird meist nur punktuell und wenig vernetzt ressortübergreifend gearbeitet. Natürlich hat das u. a. mit unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen zu tun. Wien hat bei Wohngebieten eine wesentlich höhere Planungskultur als der Rest Österreichs, aber die vernetzte (und innovationsfreudige) Arbeitsweise in den Stadtentwicklungsgebieten sollte auch in der Bestandsstadt angewandt werden.
Unabhängig, ob höher, dichter oder weiter, auf jeden Fall muss man das immer im Konnex mit der ganzen Nachbarschaft sehen und als ‚Quartier denken‘, auch wenn nicht gleich alles umgesetzt wird. Leider sind Stadtentwicklungspläne – wie der STEP – einerseits nicht präzise und andererseits nicht verbindlich genug. Da wünsche ich mir mehr öffentlichen fachlichen Diskurs.
Wo liegt der Schlüssel zur Transformation der Bestandsstadt?
Beim Quartiersdenken – d. h. der Aufwertung des öffentlichen Raums im Konnex mit der Sanierung der Gebäude, Energietransformation usw. Der Fokus soll auf den Menschen liegen, auf den Fußgänger:innen und nicht auf dem Auto. Zu Fuß muss ich im Sinne der 15-Minuten-Stadt soziale, wirtschaftliche und kulturelle Einrichtungen auf attraktive Weise erreichen können. Besonders angenehm muss vor allem der Weg zur nächsten Station des öffentlichen Verkehrs sein, d. h. eine hochwertige Gestaltung und Klimaresilienz durch Beschattung und unversiegelte Oberflächen.
Ist denn das Weiterbauen im Bestand die Lösung der Probleme – Klimakrise, Bodenversiegelung etc.?
Ich glaube, es ist ein äußerst wichtiger Beitrag, aber im Konnex mit der Lösung von Verkehrsproblemen, der Energiewende und der Transformation zur Klimaresilienz, welche in der gesamten Stadt erfolgt.
Ist das nicht immer eine Frage der Kosten und der Wirtschaftlichkeit?
Ja, aber durch Nichthandeln entstehen auch Kosten, sei es im Gesundheitssystem oder durch Strafzahlungen. Außerdem ließen sich im Bauen auch Kosten senken, z. B. durch Vermietung eines Edelrohbaus. Ich setze mich seit mindestens zehn Jahren dafür ein, wieder eine Selbstbaukomponente in den Wohnbau einzubringen.
Würden Sie das als eine neue Typologie für den Weiterbau im Bestand bezeichnen?
Jetzt ja, aber das gab es in Wien schon vor 100 Jahren in der Siedlerbewegung mit der „Muskelhypothek“, als man sich durch Eigenleistung die Miete reduzieren konnte. Aber das ist in den letzten Jahren immer an den Bestimmungen, Verantwortlichkeiten und Normen gescheitert.
Was schlagen Sie vor?
In Fokusgebieten, Innovationsräumen, die Regeln/Normen außer Kraft setzen, natürlich nicht die Sicherheitsnormen, aber die sogenannten Wohlfühlnormen. Ich würde gerne wieder mehr Experimente – in einer positiven Konnotation des Wortes – sehen, der weltweit gelobte Soziale Wiener Wohnbau wurde auch durch Innovationskraft und Experimentierfreude zu dem, was er heute ist.
Jedenfalls sind Architekt:innen die einzigen Generalist:innen in der Baubranche und daher die Qualifiziertesten, um die vielfältigen Herausforderungen zu meistern. Daher sollten sie bei allen Bauprojekten einbezogen werden. In Paris muss bei jedem Projekt, das eine Baugenehmigung braucht, ein:e Architekt:in beauftragt und zuvor ein jurierter Wettbewerb gemacht werden. Das hat vielen jungen Büros Chancen eröffnet und zu einer höheren Qualität und Innovation geführt. Das würde ich mir für Wien auch wünschen.
Soll man das gesetzlich in der Architekturplanung/ Bauordnung verankern?
Ja, ich würde vorschlagen, dass für jedes Bauvorhaben von Architekt:innen eine Planung zu erstellen ist. Das kommt nicht teurer, sondern spart beim Bauen, da Architekt:innen im Gegensatz zu Baumeister:innen unabhängig sind und damit die Verquickung von Bauwirtschaft mit bestimmten Produkten und Standardplanungen entfällt.
Außerdem sollten bei Sanierungen vereinfachte Standards gelten, damit Verbesserungen jedenfalls genehmigt werden.