Sparen und wachsen

Die Bodenversiegelung einzubremsen und dem zunehmenden Flächenbedarf beim Wohnen gerecht zu werden, erfordert eine Gratwanderung mit Feingefühl. Dabei gilt es, das Wachstum nach innen und nach oben zu dirigieren.
— MAIK NOVOTNY

Zu Beginn ein kleines Ratespiel: Welche österreichische Stadt ist jene mit dem höchsten Bodenversiegelungsgrad pro Einwohner:in? Genau, es handelt sich um St. Pölten mit stolzen 308 Quadratmetern, gefolgt von Wiener Neustadt mit 257, Villach mit 236, Wels mit 225 und Klagenfurt mit 221 Quadratmetern. Kein klimagrünes Ruhmesblatt für Niederösterreich und Kärnten. Ermittelt wurden diese Werte 2024 von der Umweltorganisation WWF für die 15 größten Städte des Landes anhand von exakten Satellitendaten.

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Eine anschauliche Darstellung dieser Daten bietet seit Februar 2025 die Plattform „Soil Walks“, Resultat des gleichnamigen Forschungsprojekts, das die TU Wien gemeinsam mit dem Umweltbundesamt und Wallenberger & Linhard Regionalberatung im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums durchführte. Dabei wurde ein grafisches „Dashboard“ entwickelt, das bei den gleichnamigen „Soil Walks“ eingesetzt wird – bewusstseinsbildende Spaziergänge, bei denen der sorgsame Umgang mit Grund und Boden vermittelt wird. Ebenso können die Flächeninanspruchnahme und Versiegelung in allen österreichischen Gemeinden, Bezirken und Bundesländern auf einer eigenen Website abgefragt und Vergleiche mit anderen Gemeinden hergestellt werden.

Düsteres Bild

Diese Zahlen malen ein deutliches und düsteres Bild davon, wie wir mit der begrenzten Ressource Boden umgehen. Die Flächeninanspruchnahme liegt mit 12,1 Hektar pro Tag in den Jahren 2014 bis 2023 um den Faktor fünf über dem Nachhaltigkeitsziel von 2,5 Hektar, dem sich der Bund 2002 verschrieben hatte. Seitdem ist dieses Ziel laut WWF um rund 110.000 Hektar verbrauchten Boden überschritten worden. Auch laut Berechnungen der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) ist die Bodenversiegelung um mehr als 20 Prozent größer als angenommen.

Die Gründe dafür sind laut der WWF-Studie: „Zersplitterte Raumordnungskompetenzen, zahnlose Kontrollen der Behörden, falsche finanzielle Anreize und umweltschädliche Subventionen.“ So gebe es in Österreich ein jährliches Volumen von vier bis 5,7 Milliarden Euro an klima- und umweltschädlichen Subventionen. Vor allem fehlen verbindliche quantitative Ziele zur Reduktion des Bodenverbrauchs. Auch eine Studie der Technischen Universität Wien kommt zum Schluss, dass „wirksame finanzielle Anreize für eine nachhaltige Raumentwicklung“ in Österreich fehlen.

„Zersplitterte Raumordnungskompetenzen, zahnlose Kontrollen der Behörden, falsche finanzielle Anreize und umweltschädliche Subventionen.“

Studie WWF

„Bodenschutz ist Klimaschutz“, kommentierte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler den APCC-Bericht: „Leider ist die Situation in Österreich äußerst prekär. Wir müssen aufhören, unsere wertvollen Böden zu zerstören. Der Bericht zeigt deutlich: Es gibt auf allen Ebenen genug Möglichkeiten um den traurigen Titel Österreichs als ,Europameister im Versiegeln‘ loszuwerden.“

Innen vor außen

Auch die mittlerweile vier Ausgaben des Baukulturreports des Bundes wiesen mit zunehmendem Nachdruck auf die Notwendigkeit zum Flächensparen hin, und die Maßnahme „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ ist bereits zum Mantra geworden – dennoch hören immer noch viele nicht hin. Unter den sieben größten Problemen von Österreichs Baukultur zählen laut dem 4. Baukulturreport (2021) die geringe Wertschätzung bestehender Gebäude, der Funktionsverlust von Stadt- und Ortskernen, die fehlende Nachhaltigkeit und der hohe Bodenverbrauch.

Das frustrierte Fazit: „Das Bewusstsein für die Bedeutung des Bodenschutzes ist hierzulande gering, weder auf Bundes- noch auf Länderebene gibt es effektive raumsparende Strategien. Deshalb ist Österreich bei der Flächeninanspruchnahme europaweit in einer negativen Spitzenposition.“ Eigentlich hatten ÖVP und Grüne in ihrem Regierungsprogramm vereinbart, den Bodenverbrauch in Österreich bis 2030 auf zweieinhalb Hektar pro Tag zu reduzieren, und im Februar 2024 wurde bei einem Treffen der Landesraumordnungs- Referent:innen die ÖROK-Bodenstrategie von allen Bundesländern beschlossen. Letztlich behielten jedoch auf Bundesebene die bremsenden Kräfte, die vor einer Behinderung des Wirtschaftswachstums, der Bauindustrie und des Wohnbaus warnten und keine verbindlichen Ziele wünschten, die Oberhand.

Screenshot

Aufgebrauchte Reserven

Kern dieses Konflikts ist, dass der Flächenbedarf tatsächlich wächst. Wiens Bevölkerung hat Ende 2023 die Zwei- Millionen-Grenze erreicht, laut Prognosen von Statistik Austria könnten bis ins Jahre 2053 weitere 310.000 Menschen hinzukommen. Die Baulandreserven werden allerdings jetzt schon zügig aufgebraucht. Sehr viel grüne Wiese gibt es nicht mehr, und für jene, die es gibt, muss man gute Argumente finden, warum die Verbauung gesellschaftsrelevanter ist als der Erhalt der Ressource Boden. In anderen österreichischen Großstädten sieht es ähnlich aus.

Die ebenfalls wohlstandsbedingt zunehmende durchschnittliche Wohnfläche pro Person und die Anzahl von Single- und Alleinerziehenden- Haushalten erhöht den Flächendruck zusätzlich. Das heißt: Oft bleibt wenig übrig, als an den Kennzahlen von Bebauungsdichte und Gebäudehöhe zu schrauben.

In Wien macht sich das bereits seit Jahren bemerkbar in der neuen Typologie der 20 Meter tiefen und 35 Meter hohen Bauvolumen, die knapp unter der Hochhausgrenze der Wiener Bauordnung bleiben und dank hoher Trakttiefen und idealem Verhältnis von Oberfläche zu Volumen baulich und thermisch effizient sind. Besonders ansprechend sind sie in ihrer massiven Einfachheit allerdings nicht immer – das zeigt ein Besuch in einem der jüngsten Wiener Stadtentwicklungsgebiete an der Berresgasse, wo eine deutliche Spannweite in der Qualität zu erkennen ist.

Etwas luftiger verspricht das Quartier Oberes Hausfeld zu werden, in dem 15 Bauträger auf 26 Hektar Fläche rund 3.700 Wohneinheiten errichten; hier messen die meisten Bauvolumen 16 und 22 Meter Höhe. Das Stadtteilentwicklungskonzept für das westlich angrenzende Hausfeld hat sich vorgenommen, Bebauungsdichte und Resilienz gegen klimawandelbedingte Überhitzung unter einen Hut zu bringen: „kühlen, durchlüften, beschatten, begrünen“ lautet hier das Motto.

Klimafitte Stadtentwicklung auf ehemaligem Bahnhofsareal – künftiges Zuhause für 16.000 Menschen – 10 ha grüne Mitte, neue Bim-Linie 12 und Highline-Park – Öffentliche Auflage startet am 21.9.

Höhere Gebäude

Architekt:innen, Stadtplaner:innen und Behörden haben seit vielen Jahren Konzepte für eine verträgliche und stadträumlich angemessene Dichte entwickelt, die leistbares Wohnen ermöglicht. In Wien wurde etwa das von StudioVlayStreeruwitz aus dem Siegerprojekt des 2012 entschiedenen städtebaulichen Wettbewerbs entwickelte Leitbild „Freie Mitte – vielseitiger Rand“ für das 32 Hektar große Nordbahnhof- Areal trotz einiger Widerstände aus Politik und Wohnbauindustrie konsequent und weitgehend nach Plan umgesetzt, der bis ins feinste Detail in einem über 200-seitigen Handbuch festgelegt und von einem eigenen Qualitätsbeirat begleitet wurde.

Dieses sah eine explizite Abkehr von der üblichen Vorgehensweise des Auffüllens von Baufeldern vor und beließ stattdessen die Stadtwildnis, die sich auf dem ÖBB-Areal entwickelt hatte, als Park und schraubte dafür die Gebäudehöhe um diese „Leere“ nach oben. Einer der Vorteile dieses Konzepts ist die Minimierung von Verkehrs- und Erschließungsflächen. Einige Wohnhochhäuser um die Freie Mitte sind bereits bezogen oder unmittelbar vor der Fertigstellung, und schon jetzt ist erkennbar, dass der angestrebte „Central- Park-Effekt“ eine ganz eigene urbane Qualität besitzt.

Stadtquartier mit grünem Herz: Projekt von Kallco im Oberen Hausfeld (Architektur: Franz&Sue)

Hohe Dichte

Beim benachbarten Areal des Nordwestbahnhofs, das letzte große innerstädtische Entwicklungsgebiet Wiens mit 44 Hektar Fläche, bildet ebenfalls eine grüne Mitte das identitätsprägende Herz, allerdings ohne Berücksichtigung des Bestands auf dem heute noch von Logistikbetrieben genutzten ehemaligen Bahnareal. Hier begann die Planung mit einem ersten städtebaulichen Leitbild auf Basis des städtebaulichen Wettbewerbs von 2008 mit dem Siegerentwurf von Ernst Niklaus Fausch. Das aktualisierte städtebauliche Leitbild von 2016 reagierte auf den gestiegenen Wohnungsbedarf mit einer Erhöhung der Geschoßanzahl um ein sowie des Wohnanteils von 65 auf 71 Prozent. Und auch hier wurde ein detailliertes Handbuch erstellt, das die Schwerpunkte für die einzelnen Baufelder und das Gesamtgebiet festlegt.

Wien wird in die Höhe wachsen: Drei Hochhäuser bis 80 Meter und ein Landmark über 80 Meter sind vorgesehen. Unterhalb der Hochhausgrenze wird hier auf hohe Verdichtung gesetzt: Die Gebäudehöhe beträgt (ausgenommen Sonderfelder für Schulen) 21 Meter, mit einzelnen Hochpunkten bis 35 Meter. Erdgeschoßzonen, die an öffentliche Räume angrenzen, müssen eine Höhe von 4,50 Metern aufweisen, wodurch eine Durchmischung mit Nicht-Wohnnutzungen ermutigt wird. Das häufige Problem von Erdgeschoßwohnungen unmittelbar an der Straße mit unweigerlich daraus resultierenden selbst gemachten Sichtschutz-Defensivmaßnahmen der Bewohner:innen, soll so vermieden werden. Auch dem unschönen Wildwuchs an Mini-Zäunen zwischen privaten und halböffentlichen Räumen in den Innenhöfen wird hier durch ein grundsätzliches Zaunverbot begegnet.

Farbe und Material

„Programmatische Verdichtung ist ein Gebot der Stunde und wird oftmals unterschätzt.“
Isabella Stickler

Für Wien relativ neu ist das vorgesehene Gestaltungskonzept für Farbe und Material – das Fehlen eines solchen wurde in früheren Stadtentwicklungsgebieten oft kritisiert, deren Optik in der Regel von Vollwärmeschutzfassaden mit individueller Farbwahl geprägt war. All dies sind qualitätssichernde Maßnahmen, die das städtische Wohnen in hoher Dichte verträglich und ansehnlich machen sollen. Die Klimagerechtigkeit des neuen Stadtteils soll die „grüne Mitte“ nicht alleine schultern, denn auch in den Baufeldern sind Fassadenbegrünungen vorgeschrieben. Dazu kommen hitzeresiliente Bäume und das bereits bewährte Schwammstadtprinzip. Die ersten Bauträgerwettbewerbe für die Bauphase A wurden Ende 2024 entschieden, ein Qualitätsbeirat wurde eingerichtet.

Muss der Wohnbau flexibler und anpassbarer werden, müssen wir mehr Mischnutzung wagen? „Generell sollten Bauträger:innen und Planer:innen viel höheren Wert auf Nutzungsoffenheit legen“, sagt Projektentwickler Klaus Wolfinger, der unter anderem als Projektkoordinator des „G’mischten Blocks“ in Wien ein Modell für urbanen Nutzungs-Mix umgesetzt hat: „Das betrifft alle Nutzungsarten. Darin liegt ein mindestens so wichtiger Beitrag zur Ressourcenschonung wie Rückbaubarkeit. Ein auf verschiedene Nutzungsanforderungen leicht adaptierbares Gebäude mit einer Lebensdauer von 50 Jahren aufwärts kann gewisse Nachteile in der Bauweise wettmachen.“ Nicht an jedem Standort fänden sich von Beginn an auch Nutzer:innen dafür, sagt Wolfinger. Umso wichtiger sei eine strukturelle Flexibilität, insbesondere im Erdgeschoß.

Co-kreative Nutzungsmischung

„Generell sollten Bauträger:innen und Planer:innen viel höheren Wert auf Nutzungsoffenheit legen.“
Klaus Wolfinger

Besonders ambitioniert in puncto Nutzungsmischung ist das „Seestädter“ auf dem Baufeld G11 in der Seestadt Aspern. Diese hat sich – zuletzt mit dem Gewerbehof im Quartier am Seebogen, der mit der Wirtschaftsagentur Wien entwickelt wurde – vom Schwerpunkt Wohnbau ausgehend weiter diversifiziert. Das Projekt Seestädter soll nun als ein ganzer Block mit 19.000 Quadratmetern Nutzfläche als „co-kreatives Quartier“ entstehen. Als Bauträger agieren hier das ÖVW, als Planer:innenteam StudioVlayStreeruwitz und stadtland. Dafür wurde das Baufeld in elf Segmente unterteilt, denen unterschiedliche Schwerpunkte zugeteilt wurden.

Für zwei dieser Elemente wurden 2023 in einem ersten Open Call Ideen gesammelt und Interessent:innen sondiert, in weiterer Folge setzt man auf gemeinsames, sprich co-kreatives, Gestalten der individuellen Wohn- und Arbeitslösungen. Gewerbetreibenden soll es ermöglicht werden, im selben Haus zu wohnen, Bewohner:innen wiederum sollen die Möglichkeit erhalten, im Seestädter ihrer Arbeit nachzugehen, beispielsweise in Co- Working-Spaces. Dabei baut man auf Erkenntnisse aus Quartieren wie Sonnwendviertel und Nordbahnhof auf, die in den Erdgeschoßen auf Nicht-Wohnnutzung setzten. Dort wurde im Prozess deutlich, dass es ohne Steuerung und klare Ansprechpartner:innen nicht funktioniert und dass man einen langen Atem benötigt, bis sich für alle Flächen dauerhafte Nutzer:innen finden.

Programmatische Verdichtung

Auch Isabella Stickler, Geschäftsführerin des Bauträgers Alpenland mit Sitz in der Versiegelungshauptstadt St. Pölten, erachtet die Mischnutzung als sinnvoll – nicht nur im großstädtischen Umfeld. „Programmatische Verdichtung ist ein Gebot der Stunde und wird oftmals unterschätzt. Bei jeder Projektentwicklung ist für uns ein mitgedachtes To-do die Integration von Mischnutzung – also die Kombination von Wohnen mit nicht-wohnlichen Nutzungen wie Büroflächen, Geschäften, Cafés oder sozialen Einrichtungen.“ Dies fördere auch soziale und lebendige Nachbarschaften.

„Modernisierung und Revitalisierung der Wohnanlagen sparen erhebliche Mengen CO2, verbessern den Wohnstandard und können die Betriebskosten für die Mieter:innen senken.“
Robert Oberleitner

Im Moment seien Gewerbeflächen zwar ein höherer Risikofaktor in der Vermietung, für Ortszentrums- und Stadtteilentwicklung aber unerlässlich und absolut sinnvoll, so Stickler: „Durch eine Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeitaktivitäten wird das tägliche Leben flexibler und praktischer. Bewohner:innen können ihren Arbeitsweg verkürzen, lokale Dienstleistungen leichter erreichen und eine höhere soziale Interaktion erfahren. Auch verringert Mischnutzung den Flächenverbrauch, da durch das gemeinsame Nutzen von Räumen und Infrastruktur Ressourcen effizienter eingesetzt werden.“

Der sorgsame Umgang mit Grund und Boden ist für die Alpenland schon seit Jahren ein zentrales Thema, betont Isabella Stickler. „Niederösterreich befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen stark ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungszunahme und schnell wachsenden Ballungszentren, die eine enorme Nachfrage nach Wohnraum erfahren. Daher ist unser Weg eine Kombination von mehreren Maßnahmen, um die Zersiedelung effektiv zu reduzieren und gleichzeitig die Orts- und Stadtentwicklung nachhaltig zu gestalten. Grundsätzlich gilt bei uns im Unternehmen bereits ab der Grundstücksakquise: Zentrumsbebauung vor Ortsrandbebauung.“

Das heißt konkret: Baulücken schließen, bestehende Wohngebiete nachverdichten, Brachen- und Konversionsflächen nutzen, ungenutzte und leer stehende Gebäude und bereits versiegelte Flächen einer neuen Nutzung zuführen. Das heißt auch in Niederösterreich: mehr Mut zur Höhe. „Die Ära der zweieinhalb Stockwerke sollte längst hinter uns liegen, doch sie ist noch immer präsent“, sagt Stickler. „Es bedarf noch viel Aufklärung in den Gemeinden und des Mutes der Politik, sich zur vertikalen Bebauung zu bekennen und die Höhe der Breite vorzuziehen.“

Verträgliche Dichte mit viel Grün: das Wohnquartier Mühlbach Ost der Alpenland in St. Pölten

Fokus auf dem Bestand

Strategien zu entwickeln, um sowohl den Flächenverbrauch zu minimieren als auch den Wohnraumbedarf zu befriedigen, führen so zwangsläufig zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Bestand und einer Schwerpunktverschiebung vom Neubau auf der grünen Wiese hin zu Sanierung, Umbau und Ausbau. „Wir müssen uns intensiver mit der Nachverdichtung beschäftigen. Das betrifft Rahmenbedingungen, wie vereinfachte Standards für das Bauen im Bestand, genauso wie Instrumente für qualitätsorientierte Abweichungen vom Bebauungsplan“, betont Klaus Wolfinger. „In Städten und Gegenden mit Bevölkerungswachstum wird Neubau weiterhin erforderlich sein. Auch deshalb, weil sich hier geringere Baukosten erzielen lassen – und damit geringere Nutzer:innenkonditionen.“

Nachverdichtung im Bestand: Reconstructing-Projekt der Neuen Heimat Oberösterreich in Ried im Innkreis
Fotos: Hertha Hurnaus, NHOÖ. Visualisierung: visual design. Grafik: StudioVlayStreeruwitz

In dieselbe Kerbe schlägt auch Robert Oberleitner, Geschäftsführer der Neuen Heimat Oberösterreich und Landesgruppenobmann des gbv Oberösterreich: Ein Fokus auf Bestand, Sanierung und Nachverdichtung bei gleichzeitigen Neubauinitiativen schließen sich nicht aus. „Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Entscheidend ist ein ausgewogener und nachhaltiger Ansatz. Modernisierung und Revitalisierung der Wohnanlagen sparen erhebliche Mengen CO2, verbessern den Wohnstandard und können die Betriebskosten für die Mieter senken. Gleichzeitig bleibt ein gewisses Neubauvolumen unerlässlich, um dem steigenden Bedarf an leistbarem Wohnraum gerecht zu werden und wirtschaftliche Impulse zu setzen. Dabei sollte der Fokus auf nachhaltigem, ressourcenschonendem Bauen liegen. So kann man dem ökologischen als auch dem ökonomischen Aspekt gerecht werden.“

Rezept für Nutzungsmischung: das „Seestädter“ in der Seestadt Aspern

Dass man diesen Fokus auf dem Bestand auch in der Praxis umsetzt, zeigen zahlreiche Projekte der Neue Heimat Oberösterreich. Ein Beispiel von vielen: das Reconstructing-Bauvorhaben in Ried im Innkreis, bei dem derzeit aus 44 Bestandswohnungen 83 neue Wohnungen entstehen. „Reconstructing- Projekte bieten nicht nur neuen Mieter:innen einen hochwertigen Wohnraum, sondern verbessern auch die Wohnqualität der bestehenden Bewohner:innen“, betont Oberleitner. Ein Beispiel für die Nachverdichtung bestehender Quartiere ist das Bauvorhaben der NHOÖ im Linzer Stadtteil Neue Heimat, eine weitere Variante zur nachhaltigen Flächennutzung stellt die Aufstockung bestehender Gebäude dar.

„Derzeit befinden sich diese Projekte noch in der Planungs- und Entwicklungsphase“, erklärt Oberleitner. „Dabei wird geprüft, welche Gebäude für eine Aufstockung geeignet sind, während gleichzeitig die Bewohner:innen für die Vorteile dieser Maßnahme sensibilisiert werden.“ Denn ohne das Einbinden der Bewohner:innen wird sich die Balance zwischen Flächensparen beim Boden und Flächenwachstum im Wohnraum nicht halten lassen.

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