„Wir sind dazu verpflichtet, öffentliche Stadtqualität mitzudenken“

Wer 500 Wohnungen auf einen Sitz baut, meint Buwog-Geschäftsführer Andreas Holler, der muss sich als Bauträger auch aktiv an Stadtplanung und Stadtentwicklung beteiligen. Um den steigenden Wohnungsbedarf abdecken zu können, braucht es dringend Incentives und gesetzliche Entstaubungen.
— WOJCIECH CZAJA

In Interviews haben Sie immer wieder betont, dass die Buwog aufgrund der steigenden Bau- und Grundstückskosten einen Baustopp einlegen musste und dass es 2023 und 2024 keinen Spatenstich geben werde. Ist es dabei geblieben?

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Im Grunde genommen ja. Die vergangenen zwei Jahre waren eine Zeit ohne Spatenstiche. Das liegt zum einen an der Explosion der Bau- und Grundstückskosten, zum anderen aber natürlich auch daran, dass unser Mutterkonzern Vonovia in Deutschland den Fokus darauf gelegt hat, zusätzliches Cash zu generieren und wir aus diesem Grund mit neuen Investitionen entsprechend zurückhaltender waren.

Hat Sie der Vonovia-Verlust 2023 in der Höhe von 6,7 Milliarden Euro direkt betroffen?

Das ist ein reiner Wertverlust auf dem Papier. Das operative Geschäft läuft nach wie vor sehr gut. Glücklicherweise ist bei den Werten der Turnaround geschafft, der Markt hat sich wieder stabilisiert. Daher freue ich mich, dass wir Ende 2024 – nach einer langen Zeit des Nichtbauens – wieder den ersten Spatenstich hatten, und zwar auf den ehemaligen Alvorada-Gründen in Vösendorf.

Wie war das Gefühl, nach zwei Jahren wieder einen Spaten in der Hand zu halten und dabei fotografiert zu werden?

Ganz ehrlich? Das hat sich richtig, richtig gut angefühlt. Wir sind Bauträger, und unser Job ist und bleibt das Bauen.

Andreas Holler, geboren 1972 in Wien, studierte Business Administration an der Boston University School of Management und war früher für die Immoeast und Immofinanz tätig. Seit 2013 ist er Geschäftsführer der Buwog, verantwortlich für Projektentwicklung, Baumanagement und Vertrieb.

Wie hat die Buwog die anderthalb Jahre des Nichtbauens genutzt?

Eigentlich sehr clever, wenn ich das so salopp sagen darf. Wir sind runter vom Gas, konnten unsere Projektentwicklungen detaillierter durchplanen und hatten auch mehr Zeit, um Baufirmen, Konsulent:innen und Fachplaner: innen frühzeitig an Bord zu holen und mit ihnen enger und partnerschaftlicher zu arbeiten. Ich denke, dass unsere neuen Projekte dadurch deutlich an Qualität dazugewonnen haben. Außerdem haben wir auch sehr viele interne Projekte abgewickelt, um unsere Prozesse zu optimieren.

Zum Beispiel?

Wir haben unser Portfolio, wo es noch kleine Lücken gab, nun vollständig digitalisiert und haben auf Basis der digitalen Daten ein Archivsystem entwickelt, wo wir mithilfe von KI zu jeder einzelnen Liegenschaft in unserem Portfolio auf Knopfdruck alle nötigen Informationen erhalten. Das ist eine enorme Arbeitserleichterung – hat sich schon jetzt ausgezahlt und wird sich in den kommenden Jahren noch tausendfach bewähren.

Laut Wiener Wohnmarktbericht von OTTO und Knight Frank wurden vergangenes Jahr 9.800 frei finanzierte Wohnungen errichtet. Das ist um sechs Prozent weniger als noch 2023 – und damit ein neues Rekordtief.

Das deckt sich mit unseren Zahlen und Beobachtungen. In den vergangenen zwei Jahren wurde aufgrund der gestiegenen Kosten und der multiplen Krisen, in denen wir uns nun befinden, so wenig gebaut wie noch nie. Und das bereitet mir ehrlich gesagt ziemlich große Sorgen, denn in Anbetracht des gestiegenen Wohnungsbedarfs steuern wir nolens volens auf einen riesigen Engpass zu – und dieser wird leider zu noch höheren Wohnkosten führen. Eine toxische Mischung!

Was heißt das für den Überbestand der Jahre zuvor? Immerhin wurden in der Immobilieneuphorie viel mehr Anleger- und Eigentumswohnungen produziert als der Markt benötigt hat. Viele Wohnungen stehen leer.

Ich würde hier nicht von Überproduktion sprechen, sondern nur von einer falschen Herangehensweise. Wohnungen und deren Preise müssen für die jeweilige Zielgruppe bezahlbar sein. Sobald die Bauträger:innen und Developer: innen die Preise auf dem richtigen Niveau anbieten, werden sich diese Wohnungen gut und schnell verkaufen.

Das aktuelle Heft steht unter dem Motto: höher, dichter, weiter. Inwiefern sehen Sie sich als Bauträger in der Verantwortung einer hochwertigen Stadtentwicklung?

Sehr! Keine Frage! Ich bin der Meinung: Wenn ein Bauträger 500 Wohnungen auf einen Sitz errichtet, dann baut er nicht nur 500 Miet- und Kaufobjekte, dann ist er auch verpflichtet, eine gewisse öffentliche Stadtqualität mitzudenken. Das sind wir der Stadt und der Gesellschaft schuldig.

Ich würde die drei Begriffe mit Ihnen gerne anhand von konkreten Projekten durchdeklinieren. Welches Referenzprojekt möchten Sie für die Höhe heranziehen?

Als allererstes denke ich an den Marina Tower – mit 140 Metern und 41 Stockwerken das derzeit höchste Wohnhochhaus in ganz Österreich. Und natürlich auch an den Helio Tower in St. Marx sowie an die Türme am Hauptbahnhof und in der Seestadt. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Thema im Sinne der Stadtverdichtung und der zunehmenden Bevölkerung bei uns allen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch deutlich zunehmen wird.

Wohnen hoch oben: Wäre das etwas für Sie?

Aus Compliance-Gründen darf ich mir keine Wohnung im Marina Tower zulegen, aber wenn ich dürfte, könnte ich mir das schon gut vorstellen. Am liebsten hoch oben!

Welches Referenzprojekt steht für Stadtverdichtung?

Im Bereich der Stadtverdichtung möchte ich am liebsten unser Projekt Inside XIX anführen. Das ist die Revitalisierung des ehemaligen Amtshauses Döbling – mit Sanierung, Aufstockung und Neubau im Innenhof. Es ist ein absolut hochwertiges, nachverdichtetes Projekt mit Wohnungen um die 7.000 Euro pro Quadratmeter, was für den 19. Bezirk wirklich sehr, sehr okay ist. Die Nachfrage hat uns das bestätigt: Die Wohnungen haben sich innerhalb kürzester Zeit verkauft. Und mit einem Blick in die Zukunft freue ich mich auf unser Stadtverdichtungsprojekt in Salzburg-Liefering, wo wir nun die Südtiroler Siedlung zum Teil revitalisieren und zum Teil durch Neubau nachverdichten.

Ein prominentes Nachverdichtungsprojekt ist auch der Kennedy Garden in Penzing – ein Projekt, mit dem uns eine gemeinsame Geschichte verbindet.

Ja, Sie haben vor rund einem Jahr sehr kritisch darüber berichtet. Und ich sage ganz ehrlich: Ich verstehe Ihre Kritik, was die Dichte und die Enge des Bebauung betrifft, aber wir sind als Entwickler an die Flächenwidmung und die Bebauungsbestimmungen gebunden – und im Fall von Kennedy Garden waren die Baufluchtlinien und die Bauhöhe aufgrund des Vorgänger-Bürogebäudes bereits ganz genau vorgegeben. Hätte ich Kennedy Garden auf einem weißen Papier planen dürfen, hätte das Projekt womöglich anders ausgesehen.

Weniger dicht?

Nein, gleich dicht, aber besser am Grundstück verteilt. Was ich allerdings sagen kann: Wir haben durchwegs positives und neutrales Feedback von den Käufer:innen und Bewohner:innen. Das ist ein schöner Ausgleich zu Ihrer kritischen Berichterstattung.

Und was ist Ihr Referenzprojekt für Stadterweiterung?

In der Seestadt Aspern waren wir – unter vielen gemeinnützigen Wohnbauträgern – der erste private Errichter mit frei finanzierten Wohnungen. Unseren Beitrag in der Seestadt finde ich nach wie vor top. Aktuell arbeiten wir an der Überbauung der ehemaligen Alvorada- Gründe in Vösendorf, wo unter dem Titel viéno ein Quartier mit rund 520 Wohnungen entsteht.

Ein Blick in die nähere Zukunft: Welche Wünsche haben Sie an die künftige Regierung?

Im Detail könnte ich Ihnen sofort zehn Punkte auflisten, die zu tun sind! Wir müssen so rasch wie möglich dem Wohnungsbedarf entsprechend produzieren und brauchen daher dringend eine Beschleunigung von Prozessen. Konkret bedeutet das: Wir brauchen politische und wirtschaftliche Incentives, wir brauchen schnellere Flächenwidmungen, wir brauchen ein klares Bekenntnis zu Systemwidmungen, und wir brauchen schnellere Bewilligungsverfahren. Hinzu kommt, dass die Förderrichtlinien im Sinne der Nachhaltigkeit und Leistbarkeit überdacht werden müssen. Und das MRG muss entstaubt werden. Dringend!

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