Im Cockpit der Stadtentwicklung

Raum- und Stadtplanung ist ein sehr komplexes, langwieriges Thema, bei dem viele Player involviert sind und bei dem man nicht immer auf Anhieb durchblickt. Die einen bezeichnen Stadtentwicklungspläne als „Black Box“, die anderen bemühen sich um größtmögliche Transparenz.
— WOJCIECH CZAJA

Vor einigen Jahren, noch zu Amtszeiten der grünen Stadtplanungs- und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein, wurde der Autor dieser Zeilen angefragt, den Geburtsprozess des neuen Wiener Stadtentwicklungsplans – kurz STEP 2035 – medial zu begleiten und in Form einer Podcast-Serie für die Öffentlichkeit aufzubereiten. Das Ziel war, den Wiener:innen einen informativen Blick hinter die Kulissen der MA 18 und MA 21 zu gewähren: Was ist der STEP? Unter welchen Gesichtspunkten wird er erstellt? Und wie schafft man es überhaupt, mit einer ganzen Schar an Expert: innen so lange in die Zukunft zu blicken, dass man heute schon weiß, was in zehn Jahren einmal Sache sein wird?

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Mit dem Amtsantritt von Ulli Sima im Herbst 2020, seitdem amtsführende Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität, wurde die Anfrage zurückgezogen. Man habe es sich anders überlegt, man werde den STEP 2035 in aller Vertraulichkeit entwickeln, man werde die Wiener:innen schon rechtzeitig in Kenntnis setzen. „Doch das ist bis heute nicht geschehen“, sagt Arthur Kanonier, Professor für Bodenpolitik und Bodenmanagement an der TU Wien, in Anspielung auf die längst überfällige Veröffentlichung.

„Und selbst ich als interessierte Person vom Fach habe keinerlei Einblick in die Prozesse. Hinzu kommt, dass für einen Außenstehenden keine klaren Strukturen und Hierarchien erkennbar sind. Streng formal betrachtet ist der Wiener STEP als Planungsinstrumentarium eine Black Box.“

Transparenz und Kontrolle

Auch der städtebauliche Vertrag als vergleichsweise junges Werkzeug, meint Kanonier, habe in die Wiener Stadtplanung und Stadtentwicklung nicht die einst erhoffte Transparenz, Kontrollierbarkeit und Sanktionsfähigkeit eingebracht. „Die städtebaulichen Verträge sind ein zentraler Schlüssel, mit dem die Stadt ihre Interessen festhält und gewisse Qualitäten vorgibt. Allerdings sind die Verträge bis heute nicht öffentlich einsehbar. Und wenn sich Investor:innen oder Projektentwickler:innen nicht an die vereinbarten Regeln halten, dann gibt es auch keinerlei Möglichkeit, sie zu sanktionieren, ohne auf die zivilrechtliche Ebene auszuweichen. Die Vermischung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht macht die Sache nicht gerade einfacher.“

Was sagt die Stadt Wien zu dieser Einschätzung? „Wir werden den STEP 2035 in Kürze präsentieren können“, meint der Wiener Stadtbaudirektor Bernhard Jarolim. „Gemeinsam mit der politischen Infrastrukturkommission, die im Vorfeld der Flächenwidmungsplanung wichtige Kriterien für bestimmte Quartiere und Entwicklungsgebiete festzurrt, haben wir damit ein hochwertiges Planungs- und Entwicklungstool in der Hand.“

In Kooperation mit dem wohnfonds_wien und den Wiener Beiräten könne man die Qualität auf Projekt- und Quartiersebene bis in die Planungsphase hinein kontrollieren. „Doch mit dem gewonnenen Bauträgerwettbewerb und der ausgehändigten Baubewilligung geht uns die Kontrolle verloren. Ab dann sind wir darauf angewiesen, dass Bauträger:innen und Projektentwickler: innen ihre Versprechen einlösen. Stadtplanung ist eben auch Vertrauensarbeit“, so Jarolim.

Verdichtung und Erweiterung

Auf die Kritik zu städtebaulichen Verträgen entgegnet Jarolim, dass man diese ab März sukzessive veröffentlichen werde: „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und werden nun zunächst jene Verträge öffentlich zugänglich machen, die bei uns schon öfter angefragt wurden. Danach werden auch alle anderen Verträge folgen.“ In Einzelfällen in wichtigen Lagen sowie in größeren, städtebaulich relevanten Ausmaßen wolle man sich an der Stadt Innsbruck ein Beispiel nehmen und die Auflagen eines städtebaulichen Vertrags ins Grundbuch eintragen. Beim Marina Tower soll das bereits gemacht worden sein.

Welche Qualitäten in den einzelnen Verdichtungs- und Erweiterungszonen im Detail geplant sind, kann Christoph Hrncir, Leiter der MA 21B, berichten. Der Nordwestbahnhof beispielsweise wird in vier Bauphasen unterteilt, wobei die Bauphase 1 im Südwesten des Areals – in unmittelbarer Nähe des angrenzenden Nordbahnhofs – für die drei weiteren Phasen eine Art Testballon sein soll. Standards wie Mobilität, Erdgeschoßzone, Einzelhandels-Management, Freiraumqualität und die damit verbundenen klimatisch relevanten Begrünungsmaßnahmen sollen bei Bedarf adaptiert und nachkorrigiert werden.

In den Stadterweiterungsgebieten jenseits der Donau – ob das nun am Hausfeld oder auf der grünen Mohnwiese zwischen den beiden U2-Stationen Donauspital und Aspernstraße ist – werde man sich vor allem auf die Durchwegung zu Fuß und per Rad sowie auf eine möglichst lebendige Nutzungsdurchmischung fokussieren. Im Hausfeld im Bereich der neuen U-Bahn- Station, die derzeit noch keinen Namen hat, könne man sich sogar das eine oder andere Hochhaus vorstellen, erklärt Hrncir. Bei allen neuen Entwicklungen gilt: Wie auch bisher werde man auf Querungsmöglichkeiten verzichten und stattdessen ausschließlich mit Stichstraßen und Sackgassen arbeiten.

Revitalisierung und Nachverdichtung der ehemaligen Rauchmühle in Salzburg, von der Salzburg Wohnbau: 223 Wohnungen, E-Mobilitätskonzept, Unterflurmüllsystem und Anschluss an das Salzburger Radwegenetz
Visualisierungen: O&O, Superwien. Foto: Kurt Hoerbst

Klimavorzeigestadtteil

Ein absolutes Novum in Sachen Stadtplanung ist Rothneusiedl, wo auf 124 Hektar Fläche bis 2045 ein sogenannter „Klimavorzeigestadtteil“ entstehen soll. „Mit dem heutigen Wissen in Bezug auf Klimakrise, Mobilität, Bodenverbrauch, Kreislaufwirtschaft und Carbon Footprint in Errichtung und Betrieb müssen wir die Art und Weise, wie wir Städte und Stadtquartiere planen, komplett neu denken“, sagt Markus Penell, Geschäftsführer des Berliner Büros O&O Baukunst und Sieger des kooperativen Verfahrens im Frühjahr 2024.

Geplant sind etwa die Weiternutzung der fruchtbaren schwarzen Erde, die während der Bauarbeiten zwischengelagert wird, sowie die bewusste Beibehaltung der linearen, bis zu 18 Meter breiten Windschutzgürtel, die von Nord nach Süd verlaufen und das Areal auch in Zukunft vor Bodenerosion schützen sollen. 2030 sollen die ersten Bagger anrollen.

Innere Stadtverdichtung

In Graz, das mittlerweile auf über 300.000 Einwohner:innen angewachsen ist, hat man sich in der letzten Legislaturperiode vor allem auf innere Stadtverdichtung sowie auf Stadterweiterung im Westen konzentriert. „Mit dem Altstadterhaltungsgesetz und dem UNESCO-Welterbe kommen hier große Aufgaben auf uns zu“, sagt der Grazer Stadtbaudirektor Bertram Werle. „Aber trotzdem sind wir keine Käseglocke. Umso wichtiger ist es, dass wir uns bei der Stadtplanung auf eine gute, verlässliche Struktur mit ganz klaren Vorgaben stützen können.“

Die Basisgrundlage für alle Entwicklungen und Entscheidungen ist der sogenannte städtebauliche Rahmenplan. In diesem werden die zentralen Entwicklungsschritte sowie die Vorgaben für das Stadtentwicklungskonzept (STEK), die Flächenwidmung und die Bebauungsplanung festgehalten.

Für das Stadterweiterungsgebiet Hausfeld gibt die Stadtplanung gemischte Nutzung, auch ein Hochhaus ist denkbar, eine Durchwegung zu Fuß und per Rad, mit Stichstraßen und Sackgassen, vor.

Bedarf und Qualitäten

In Salzburg wiederum basiert die Stadtplanung auf dem sogenannten Räumlichen Entwicklungskonzept (REK), das alle zehn Jahre überarbeitet wird und das noch heuer in Neuauflage präsentiert werden soll. „Wir konzentrieren uns in unseren Projekten vor allem auf Flächen, die bereits im REK vorkommen und als potenzielle Entwicklungsgebiete ausgewiesen sind“, sagt Thomas Maierhofer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers Salzburg Wohnbau, „Denn andernfalls kann dies ein sehr langer Prozess werden.“ Gemeinsam mit der Stadtverwaltung und Kommunalpolitik werden für jedes neue Entwicklungsgebiet Bedarfe erhoben und Qualitäten festgelegt.

So wie etwa in Salzburg-Lehen, wo nach Plänen von Helen & Hard kürzlich die Revitalisierung und Nachverdichtung der ehemaligen Rauchmühle fertiggestellt wurde – mit insgesamt 223 Wohnungen, E-Mobilitätskonzept, modernem Unterflurmüllsystem und Anschluss an das Salzburger Radwegenetz.

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