Vom Abfall zum Wert

Für eine lebenswerte Zukunft ist es entscheidend, auf ganzheitlich nachhaltige Lösungen zu setzen. Die Bauwirtschaft, die große Mengen an Ressourcen verbraucht, spielt dabei eine zentrale Rolle. Der Übergang zur zirkulären Bauwirtschaft bietet die Chance, den Einsatz energieintensiver Primärressourcen zu senken und eine resilientere Zukunft zu gestalten. In Wien soll die Kreislaufwirtschaft ab 2030 im Neubau und bei Sanierungen zum Standard werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das Umsetzungsprogramm „DoTank Circular City Wien 2020–2030“.

Zirkuläres Bauen basiert auf drei zentralen Strategien: die Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs durch suffiziente Planung und den Einsatz von Sekundärrohstoffen, die Verlängerung der Gebäudenutzungsdauer durch Anpassungsfähigkeit sowie das Schließen von Materialkreisläufen durch rückbaubare Bauweisen und den Einsatz von wiederverwendbaren Baustoffen. In der Praxis bedeutet dies, dass auf Vorfertigung und Modularität gesetzt wird, Fügungen leicht erkennbar und demontierbar sind, und Leitungen gut zugänglich verlegt werden. Eine Hierarchie der Bauteile nach Lebensdauer vereinfacht Reparaturen und den gezielten Austausch einzelner Komponenten.

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Herausforderungen und Chancen

Die Umstellung auf eine zirkuläre Bauwirtschaft erfordert systemische Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Ein Paradigmenwechsel ist notwendig, der das Verursacherprinzip in den Mittelpunkt stellt. Neben technischen Aspekten spielen wirtschaftlich-regulatorische Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle. Aktuell ist der Einsatz neuer Materialien oft günstiger, und es fehlt ein funktionierender Sekundärrohstoffmarkt. Haftungsrechtliche Unsicherheiten erschweren die Wiederverwendung von Bauteilen. Für die Aufbereitung schwer trennbarer Verbundmaterialien wurde noch keine umweltfreundliche und ökonomisch tragfähige Methode entwickelt.

Bewusstseinsbildung

Die Informationsplattform Vie.Cycle fördert ein gemeinsames Verständnis für zirkuläres Bauen und stärkt die Identifikation mit dem Ziel einer kreislaufgerecht gebauten Stadt. Im Urban Living Lab „Zirkuläres Bauen Wien“ arbeiten seit Sommer 2024 verschiedene Akteur:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam an Fragestellungen und Lösungen zum zirkulären Planen und Bauen.

Als Orientierungshilfe im Transformationsprozess wurden mit dem Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 umfassende Bewertungskriterien für zirkuläres Bauen und Sanieren erarbeitet. In den kommenden zwei Jahren soll der ZiFa 1.0 anhand von konkreten Testanwendungen in Wien weiterentwickelt und optimiert werden, sodass er an- Foto: Stadtbaudirektion Wien schließend in Neubau und Sanierung angewandt werden kann.

Bereits jetzt werden in Projekten, etwa beim Neubau des Bildungscampus Nordwestbahnhof, zirkuläre Prinzipien wie Trennbarkeit und Rückbaubarkeit umgesetzt, in neuen Stadtentwicklungsgebieten wie RothNEUsiedl werden Vorgaben zum zirkulären Bauen in frühe Planungsphasen integriert und in Zusammenarbeit mit dem Stadterneuerungsprogramm WieNeu+ zirkuläre Ansätze bei Sanierungen forciert.

Die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen wurde als Ziel der Stadtplanung in der Bauordnung verankert, und mit der Sanierungs- und Dekarbonisierungsverordnung 2024 wird der Einsatz kreislauffähiger Sanierungsmethoden gefördert.

Wien hat entscheidende Schritte in Richtung zirkuläres Bauen gesetzt und damit wichtige Weichen gestellt. Doch die Transformation erfordert weit mehr. Der Erfolg des notwendigen Wandels wird letztlich davon abhängen, wie sehr sich alle für das gemeinsame Ziel einsetzen.

Zur Informationsplattform:
https://viecycle.wien.gv.at


Bernhard Jarolim, Stadtbaudirektor, Leiter des Geschäftsbereichs Bauten und Technik – Magistratsdirektion der Stadt Wien; Auftraggeber des Programms „DoTank Circular City Wien 2020–2030“

Bernadette Luger, Leiterin der Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen in der Stadtbaudirektion der Stadt Wien, Leiterin des Programms „DoTank Circular City Wien 2020–2030“ und Mitglied des Grundstücksbeirats des wohnfonds_wien; Architektin und Expertin auf dem Gebiet der integrativen Stadtentwicklung.

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