Im kleinen Schiebetüren-Paradies

Margarethe und Herbert Stoklassa wohnen im Gemeindebau Neu in der Seestadt Aspern. Dank der raumhohen Schiebetüren, sagen die beiden, fühlt sich die Wohnung trotz ihrer bloß 52 Quadratmeter wie ein kleines Loft an. Das Gebäude wurde für den Österreichischen Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit nominiert.
— WOJCIECH CZAJA

Begonnen hat alles superpraktisch. Nachdem sie die Wohnung im April übernommen haben, sind die beiden erst einmal auf Urlaub gefahren. „Unsere Tochter, unser Schwiegersohn und unsere Enkelkinder haben die Wohnung während unserer Abwesenheit auf Vordermann gebracht“, erzählen Margarethe und Herbert Stoklassa mit einem glücklichen Grinsen im Gesicht. „Als wir aus dem Urlaub zurückgekommen sind, war alles fertig, und plötzlich hatten wir ein grünes Wohnzimmer. Was für eine Überraschung! Großartig!“

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Die beiden Pensionisten, sie 74 und ehemalige Hausbesorgerin für Wiener Wohnen, er 86 Jahre alt und ehemals für die Wiener Netze tätig gewesen, bewohnen die 52 Quadratmeter große Wohnung im dritten Stock des Gemeindebaus Neu in der Seestadt Aspern, direkt am Elinor-Ostrom-Park gelegen. Erst kürzlich wurde das von wup architektur geplante Haus mit seinen insgesamt 74 Wohneinheiten für den Österreichischen Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit nominiert. Der Grund: Bauweise und Baustoffe sind zwar standardisierte Stangenware, doch dafür gibt es allerhand Hirnschmalz im Bereich sozialer Nachhaltigkeit.

„Es ist ein wunderschönes Haus, mit tollen Farben an der Fassade, das ist uns allemal lieber als all die mausgraue Architektur, die man heute überall sonst vorfindet“, sagen die beiden. Die pastelligen Farben in Gelb, Blau, Grün und Ziegelorange sind übrigens Zitate auf Karl-Marx-Hof, George-Washington- Hof und andere denkmalgeschützte Wohnhausanlagen des Roten Wien. „Noch viel toller aber ist, wie die Architekten die Innenräume arrangiert haben, denn unsere Wohnung hat zwar nur 52 Quadratmeter, aber sie wirkt viel, viel größer!“

Einfaches Schema

Die Grundrisse folgen einem einfachen Schema mit Mittelgangerschließung und tragenden Außen- und Gangwänden. Der Rest ist flexibel bespielbar und besteht aus rechteckig geschnittenen Wohnungen mit Terrassentüren und einer kompakten Nasszelle in der Mitte. Rundherum kann man sich durch Küche, Essbereich, Wohnzimmer und private Räume im Kreis bewegen, ein Drittel der Wohnungen ist sogar mit raumhohen Schiebewänden ausgestattet. Getrennte Schaltkreise in den Zimmern erlauben es, dass die schmalen, aber tiefen Zimmer bei Bedarf mit Vorhängen, Raumteilern oder Schrankwänden getrennt und unabhängig voneinander genutzt werden können.

„Dank der Schiebetüren können wir die Räume verkleinern und vergrößern“, sagt das Ehepaar, seit 53 Jahren glücklich verheiratet. „Doch meistens stehen die Türen offen, dann ist es, als würden wir in einem kleinen Loft wohnen. Nur wenn wir einen Disput haben, machen wir die Schiebetüren zu und haben Ruhe voneinander.“ Kleiner Wermutstropfen: Die Fingeröffnung im Blatt ist sehr klein und unbequem, daher haben sich die beiden eine Behelfskonstruktion mit einer provisorischen Drahtschlaufe gebastelt.

„Jetzt im Sommer verbringen wir die meiste Zeit aber ohnehin draußen am Balkon. Und für 500 Euro Miete inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer ist das Angebot mehr als fair“, so Margarethe und Herbert Stoklassa. „Jetzt warten wir nur noch, bis sich die Infrastruktur in der Umgebung verdichtet. Wir brauchen in der Seestadt dringend mehr Ärzte. Außerdem wünschen wir uns ein kleines Café, ein zweites Wohnzimmer, wo wir uns untertags runtersetzen können. Na, hoffentlich erleben wir das noch!“

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