Ja zu einfacheren Standards

Kommentar von VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) hat vor wenigen Tagen eine Studie über neue Baustandards vorgestellt und sich dabei dafür ausgesprochen, bei den Regelungen abzuspecken.

Die Ministerin bezog sich auf eine Studie zum sogenannten Regelstandard für erleichtertes Bauen, die von ARGE Kiel erarbeitet wurde und viele Überlegungen aus der sozialen Wohnungswirtschaft berücksichtigt.

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Ich unterstütze die Ministerin bei ihrem Vorhaben, einen neuen Gebäudetyp „E – wie einfach“ einzuführen. Das Planen und Bauen sind hierzulande durch eine inzwischen fast unüberschaubare Zahl von Gesetzen, Normen, Regelwerken und sogenannten anerkannten Regeln der Technik geprägt.

Gut 20.000 Normen

Derzeit gibt es gut 20.000 Normen, die beim Bau eines Wohngebäudes berücksichtigt werden müssen. Wir erleben, dass Normen bis ins kleinste Detail reichen, sich manchmal widersprechen und am Ende eben nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen, aber die Kosten nach oben treiben.

Viele einzelne sinnvolle Normen führen am Ende oftmals nicht einmal zu der erhofften höheren Qualität, sondern machen alles nur teurer. Wir sollten uns stärker als bisher im europäischen Ausland umschauen. Dort wird unter ähnlichen Umweltbedingungen gelebt, doch die Vorgaben sind oftmals nicht so ausgefeilt.

Oftmals ist weniger mehr. Warum lieben die Menschen die sogenannten Gründerzeitbauten, wie die vor wenigen Tagen veröffentlichten Ergebnisse des Zensus 2022 belegen? Die Menschen akzeptieren dort ohne Wehklagen einen geringeren Schallschutz, elektrische Leitungen auf Putz oder einen knarzenden Dielenboden.

Für eine „Kultur des Weglassens“

Die „Kultur des Weglassens“ betrifft auch die technische Ausstattung von Wohngebäuden. Architekten sprechen von sogenannten Low-Tech-Lösungen, um wartungsarme und langlebige Gebäude zu realisieren. Technik ist teuer, muss aufwändig gewartet werden und in vergleichsweise kurzen Abständen ausgetauscht werden.

Wir müssen uns von dem Standard verabschieden, den wir liebgewonnen haben. Also: weniger Aufzüge, weniger Schallschutz, Verzicht auf Loggien und stattdessen Balkone bauen sowie die Reduzierung der Zahl der Steckdosen.

Ich bin optimistisch, dass jetzt, nachdem wir viele Jahre immer und immer wieder dieses dicke Brett „gebohrt“ haben, endlich Bewegung bei der Festlegung Baustandards kommt.

Endlich Bewegung auch in der Politik

Auf dem norddeutschen Wohngipfel Anfang Juni in Hannover trafen sich die Bauministerinnen und Bauminister der fünf norddeutschen Bundesländer. Sie bekannten sich zu „einfachem und gutem Bauen“, das vor allem durch eine Reduzierung von Standards und Entschlackung der jeweiligen Bauordnungen erreicht werden soll. Die Politik will die praktische Erprobung neuer Bau- und Wohnformen deutlich erleichtern.

Zu guter Letzt legte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Mitte Juli das sogenannten Gebäudetyp-E-Gesetz vor. Danach soll es künftig bei einem Neubau oder Umbau einfacher werden, auf die Einhaltung bestimmter Komfort-Standards zu verzichten, die für die Sicherheit des Gebäudes – also etwa Brandschutz oder Statik – irrelevant sind. Das kann etwa die Raumhöhe betreffen, die Zahl der Steckdosen im Wohnzimmer, die Art der Fenster oder die Frage, welche Norm-Innentemperatur in einem Badezimmer erreicht wird.

Das lässt hoffen. Der VNW wird die Entwicklung weiter aktiv begleiten und nicht nachlassen, für eine Entschlackung der Bauordnung(en) streiten.

Andreas Breitner

Vorstand und Verbandsdirektor Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)

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