Gemeinschaftliches Bauen gewinnt in Österreich zunehmend an Bedeutung. Baugruppen und gemeinnützige Bauvereinigungen bieten dabei unterschiedliche Modelle für selbstbestimmtes und leistbares Wohnen. Das Gemeinsame steht hier an erster Stelle – die Finanzierung ist dabei ebenso ein gemeinschaftliches Projekt.
— LINDA PEZZEI
Innovation und Inklusion: Für wpvgpa- Geschäftsführer Michael Gehbauer bieten Baugruppen die Möglichkeit, Wohnkonzepte umzusetzen, die auf die Bedürfnisse der Bewohner: innen abgestimmt sind: „Unsere Erfahrung zeigt, dass der Erfolg solcher Projekte stark von der effektiven Kommunikation und dem Engagement der Beteiligten abhängt.“ Baugruppen würden Bauträgern aber auch ermöglichen, zu experimentieren und neue Wohnlösungen zu entwickeln. Spezielle Zielgruppen sieht Gehbauer in Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder durch ein verbindendes Thema.
Wie in allen Belangen des Lebens müssen Baugruppen und GBV neben zahlreichen Vorteilen auch mit Hindernissen rechnen. Laut der AH Gemeinnützige Siedlungs-Genossenschaft bedinge eine Neubauförderung einen gewissen Anteil an Wohnungen, die über Wohnservice-Wien vergeben werden. Gehbauer sieht auch die langwierige Suche nach geeigneten Grundstücken sowie steigende Baupreise und ungewisse Finanzierungskonditionen als Ursache finanzieller Unsicherheiten für die Baugruppenmitglieder.


Michael Gehbauer
Wenn eine Baugruppe nur einen Teil des Objekts mieten möchte, könne laut AH deren Gefüge durch Personen „gestört“ werden, welche nicht hinter dem Konzept per se stünden, sondern nur günstig wohnen wollten. „Langfristig kann dies zum Zerfall der Baugruppe führen.“
„Denn“, so Gehbauer, „Baugruppenmitglieder können sich tendenziell stärker mit der eigenen Wohnung und dem Projekt identifizieren, da sie oft auch emotional mehr investieren.“ Im Falle der Miete des gesamten Objekts durch die Baugruppe sind intern entstehende Leerstehungskosten zur Gänze zu tragen. „Hier liegt auch ein Risiko für den Bauträger, bei Zerfall der Baugruppe ein leer stehendes Haus zu haben, welches für die Bedürfnisse und Anforderungen dieser einen Baugruppe errichtet wurde und möglicherweise schwer bis gar nicht anderweitig verwertet werden kann“, so die AH.
Sozialer Mehrwert
Vorteile sieht Gehbauer im Aspekt des sozialen und architektonischen Mehrwerts: „Projekte wie die Baugemeinschaft Que[e]rbau in der Seestadt Aspern schaffen durch maßgeschneiderte Architektur individuell angepasste Wohnlösungen, die auch soziale Interaktionen und die Gemeinschaft stärken.“ Baugruppen leisten durch ihr Engagement für gemeinschaftliche Anliegen und gemeinschaftsbildende Aktivitäten oft auch einen Beitrag für das Wohnumfeld.
Baugruppen können laut Gehbauer besonders für jene vorteilhaft sein, die bereit seien, Zeit und Engagement in die Planung und Gestaltung ihres Wohnraums zu investieren: „Die Möglichkeit, maßgeschneiderte und oft qualitativ höhere Wohnlösungen zu realisieren sowie die langfristige Perspektive können auch zu finanziellen Einsparungen führen.“
Bauträger können sich in diesem Zuge zu „Spezialisten“ entwickeln und so Ansprechpartner für neue Initiativen werden. „Baugruppenprojekte prägen auch die Unternehmensphilosophie und das öffentliche Erscheinungsbild von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen“, so Gehbauer. Bestes Beispiel: die Konzepte Que[e]rbeet und Que[e]rbau.


Das von der EBG beauftragte partizipative Wohnprojekt Que[e]rbeet im Wildgarten vereint vielfältige Wohnformen und Nutzungen rund um die Schwerpunkte generationenübergreifendes Wohnen, Cluster-Wohnen und Individualwohnen. Ein so gemischtes Zusammenleben bedingt stets eine frühzeitige Auseinandersetzung der Baugemeinschaftsmitglieder mit ihren individuellen Wohnvorstellungen und Bedürfnissen.
Die wbv-gpa hat auf dem Baufeld D22 in direkter Nachbarschaft ein Baugruppen- Projekt, 40 Mietwohnungen sowie ein Wohnheim für schwerstbehinderte Kinder errichtet. Unter den Bewohner:innen des Gemeinschaftsprojekts finden sich alle Generationen, Singles und Partner sowie selbstdefinierte Familienformen wie Regenbogen-, Patchwork- oder Pflegefamilien wieder. Quer zu dem bauen, was als normaler sozialer Wohnbau gilt – so lautete die Devise der Baugruppe. Das Gelingen des Projekts sei dem Umstand geschuldet, dass sich eine stabile Kerngruppe gebildet habe, so die Initiatoren.
Nachgefragt bei Ronald Geppl


Welche Fallstricke gibt es bei Baugruppen und GBV zu beachten?
Wohngruppen sind oft als Vereine organisiert. Der Verein kann ein Gebäude von der GBV beispielsweise kaufen oder mieten und an die Mitglieder in Bestand geben. Dabei ist auf gesetzliche Grenzen, vor allem zur Mietzinshöhe zu achten. Die Erhaltungspflichten der GBV am Haus können gegenüber der Baugruppe als Mieterin im WGG beispielsweise weit umfangreicher sein als die Erhaltungspflichten der Baugruppe gegenüber ihren Mitgliedern nach dem Mietrechtsgesetz oder dem ABGB.
Man muss sich als Verein daher entscheiden, ob er sich gegenüber den Mitgliedern am Vertrag der GBV mit dem Verein orientiert oder am Gesetz und dazu zulässige Sondervereinbarungen trifft.
Was sind die Vorteile für alle Beteiligten?
Die Wohngruppe kann bei der GBV mit in der Regel jahrzehntelanger Erfahrung bei der Errichtung von Wohnbauten rechnen, auch eine Insolvenzgefahr der GBV ist sehr unwahrscheinlich. Es gibt nur einen Vertragspartner, und man muss nicht mit zahlreichen Gewerken Verträge abschließen. Oft wird die Liegenschaft samt Gebäude ins Eigentum übertragen oder mit nachträglicher Kaufoption vermietet.
Für wen können sich Baugruppen und GBV finanziell lohnen?
Wenn die Variante einer nachträglichen Erwerbung besteht, kann das steuerliche Vorteile für die Baugruppe bedeuten, da die GBV Vorsteuern für die Rechnungen der Bauunternehmungen gegenüber dem Finanzamt geltend macht und die GBV ihre Leistungen – die Vermietung von Wohnungen – wiederum nur mit zehn Prozent Mehrwertsteuer belastet werden.
Dadurch ergibt sich eine finanzielle Minderbelastung für die Baugruppe. Für die GBV kann es wiederum von Vorteil sein, wenn die Baugruppe im Entscheidungsprozess schon fortgeschritten ist, die Vorstellungen bereits konkret sind und die GBV einen konkreten Bedarf erfüllen kann.