Soziale Vermieter fordern Missbrauchsaufsicht für Fernwärmeanbieter

Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke hat angesichts hoher Nachzahlungen mehr Verbraucherschutz bei der Fernwärme gefordert. Notwendig seien eine starke staatliche Missbrauchsaufsicht und eine Schlichtungsstelle, die das Verbraucherrecht durchsetzen.

Mehr Hilfe für Kommunen bei Fernwärmeplanung

Zudem mahnten Experten die jeweiligen Regierungen der Bundesländer, die Kommunen bei der gesetzlich vorgeschriebenen Wärmeplanung stärker als bislang zu unterstützen. Landespolitiker müssten den Kommunen Richtung weisen und für Klarheit sorgen, sagt Robert Brückmann, Leiter des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende.

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Dazu erklärt Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW):

„Geschäftsführer und Vorstände von VNW-Unternehmen berichten seit einigen Wochen vermehrt über deutlich gestiegene Fernwärmekosten und hohe Nachzahlungen, die Mieterinnen und Mieter derzeit stemmen müssten. In manchen Fällen ist von einer Verdopplung die Rede und die Betroffenen müssten vierstellige Beiträge nachzahlen.

Fernwärme ist längst noch nicht so sauber, wie gewünscht

Damit wird die Bezahlbarkeit von Fernwärme, die für die Energiewende Grundlage und Voraussetzung ist, zu einer sozialen Frage. In Einzelfällen ist die sogenannte zweite Miete bereits höher als die eigentliche Wohnungsmiete. Hauptsächlich dafür verantwortlich sind gestiegene Energiekosten. Zudem ist die Fernwärme längst noch nicht so sauber, wie gewünscht und löst deshalb – zumindest noch mittelfristig – eine hohe CO2-Abgabe aus.

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Große Verlockung, an der Preisschraube zu drehen

Wer mit Fernwärme versorgt wird, kann nicht mal eben den Anbieter wechseln, wenn sie/er unzufrieden ist. Dieses ‚naturgegebene‘ Ungleichgewicht zwischen Energieversorger und Nutzer ist offenbar für manches – oftmals kommunales – Versorgungsunternehmen ein große Verlockung, an der Preisschraube zu drehen.

Bei intransparenten Preisen für ein Produkt muss aber unmittelbar eingegriffen werden.

Deshalb unterstützen die sozialen Vermieter die Forderung von Bundesministerin Lemke, Fernwärmeanbieter stärker als bisher zu kontrollieren. Es ist notwendig, dass die Energieversorger ihre Kostenstruktur der Öffentlichkeit in einer verständlichen Art darlegen. Bei intransparenten Preisen für ein Produkt, das ein großer Teil der deutschen Haushalte kaufen soll, muss aber unmittelbar eingegriffen werden.

Unabhängige Kontrollbehörde ist dringend notwendig

Wir brauchen deshalb eine unabhängige, bundesweit agierende Behörde, die laufend die Preise für Fernwärme beobachtet, kontrolliert und umgehend eingreift, wenn zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher Reibach gemacht wird. Denkbar ist auch, dass die Landeskartell-Behörden diese Aufgabe übernehmen und technisch sowie personell entsprechend ausgestattet werden.

Die sozialen Vermieter fordern zudem, die Fernwärme einem Gemeinnützigkeitsgebot zu unterlegen. Wie in Dänemark sollte hierzulande der Preis für Fernwärme nur den Betrag decken, der für die Herstellung und Verteilung benötigt wird. Über den Erhalt des Eigenkapitals und die dazu erforderliche geringe Eigenkapitalverzinsung hinausgehende Gewinne müssen untersagt werden.

Quersubventionierung durch Überschüsse gesetzlich ausschließen

Anbieter von Fernwärme müssen zudem darauf verpflichtet werden, alle Gewinne in die Fernwärmeversorgung vor Ort zu reinvestieren. Eine Quersubventionierung anderer öffentlicher Aufgaben durch Überschüsse aus dem Fernwärmegeschäft muss gesetzlich ausgeschlossen werden.

Einen grundsätzlichen Anschluss- und Benutzungszwang lehnen die sozialen Vermieter ab. Ein derartiger Zwang würde von Fernwärmeanbietern den Druck nehmen, effizient zu arbeiten.

Schwerin und Kiel sollten Kompetenzzentrum für die kommunale Wärmeplanung schaffen

Mit Blick auf die gesetzlich festgeschriebene Erarbeitung von kommunalen Wärmeplänen sind vor allem die Landesregierungen in Kiel und Schwerin gefordert, den Kommunen unter die Arme zu greifen. Wir halten ein von den Kommunen getragenes Kompetenzzentrum für die kommunale Wärmeplanung, das von der Landesregierung eng begleitet und unterstützt wird, für ein sinnvolles Instrument.

Vorbild könnte das schleswig-holsteinische Breitbandkompetenzzentrum sein, das die Kommunen des Landes im Glasfaserausbau unterstützt und dazu geführt hat, dass Schleswig-Holstein im Glasfaserausbau dem Bundesschnitt fünf Jahre voraus ist. Die Kommunen stehen in den kommenden Jahren vor einer Herkulesaufgabe, die sie ohne Fachpersonal zur Beratung und Unterstützung nicht erfüllen können. Vor allem kleine Kommunen stoßen an ihre Grenzen.

Die sozialen Vermieter sehen in der Lieferung fossilfrei erzeugter Fernwärme den erfolgversprechendsten Weg, die ambitionierten Klimaschutzziele innerhalb kurzer Zeit und zu vertretbaren Kosten zu erreichen.  Für uns spielen die Kosten der Wärmewende ein wichtige Rolle, weil unsere Mieterinnen und Mieter finanziell nicht überfordert werden dürfen.

Planbarkeit, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit.

Die Wohnungswirtschaft muss deshalb fester Bestandteil des Kompetenzzentrums sein, damit von Anfang an bei der Planung und Installation von Fernwärme effizient und sinnvoll zusammengearbeitet werden kann. Für die sozialen Vermieter sind bei der Fernwärme drei Dinge essentiell: Planbarkeit, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit.

Um die Wärmeversorgung der Wohngebäude zu dekarbonisieren, sind hohe Investitionen seitens der Wohnungsunternehmen nötig. Dazu müssen sie vorher wissen, welche Gebäude an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden – und welche nicht. So werden Fehlinvestitionen verhindert.“

Hintergrund: Nach neuen gesetzlichen Vorgaben sollen Großstädte bis Ende Juni 2026, kleinere Städte und Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern bis Ende Juni 2028 Wärmepläne erstellen. Die Anforderungen wurden in dem Wärmeplanungsgesetz des Bundes definiert, das am 1. Januar 2024 in Kraft trat.

Oliver Schirg

Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) vertritt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein insgesamt 435 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften. In den von ihnen verwalteten 686.000 Wohnungen leben rund 1,5 Millionen Menschen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter liegt bei den VNW-Unternehmen bei 6,41 Euro. Der VNW ist der Verband der Vermieter mit Werten.

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