Wir brauchen einen ‚Bezahlbares-Wohnen-Vorbehalt‘

Kommentar von VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner

Die Zahlen sind gigantisch. In Hamburg werden Investitionen in Höhe von fast 40 Milliarden Euro notwendig sein, um alle Wohngebäude bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen.

In Schleswig-Holstein sind es sogar rund 150 Milliarden Euro, die für die Ertüchtigung von rund 837.000 Wohngebäude aufgewendet werden müssen. Das haben unabhängige Experten – im Übrigen im Auftrag der jeweiligen Landesregierung – errechnet.

- Anzeige -

Angesichts dieser Zahlen ist es an der Zeit, der Politik des „immer mehr“ und „immer früher“ in den Arm zu fallen und im Umgang mit den Herausforderungen des Klimaschutzes (mehr) Pragmatismus und (politische) Vernunft zu fordern.

Es ist unstrittig, dass die Wohnungswirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten wird. Allerdings ist Wohnen mehr als ein Dach über dem Kopf, sondern ein Grundrecht. Das bedeutet, dass es bezahlbar sein muss – und zwar für Mieter als auch Vermieter.

Die Realität ist (noch) bezahlbar.

Die VNW-Unternehmen bieten in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein rund 742.000 Wohnungen zur Miete an. Ihr monatliche Nettokaltmiete liegt durchschnittlich bei 6,41 Euro pro Quadratmeter.

Die(se) Bezahlbarkeit von Wohnraum ist eine grundlegende Voraussetzung für den sozialen Frieden in den Wohnquartieren der VNW-Unternehmen. Wer glaubt, diesen sozialen Aspekt gering schätzen zu können, wird sein blaues Wunder erleben.

Es geht nicht darum, bezahlbares Wohnen gegen Klimaschutz gegeneinander auszuspielen. Allerdings führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Die Bezahlbarkeit von Hunderttausenden Wohnungen im Norden wird durch immer höhere Klimaschutzziele, die immer kürzerer Zeit erreicht werden sollen, gefährdet.

Ein Kurswechsel ist notwendig: Klimaschutz bleibt weiter notwendig, aber die Sicherung des bezahlbaren Wohnens muss mindestens als gleichwertiges Ziel immer mitgedacht werden.

Wir brauchen einen „Bezahlbares-Wohnen-Vorbehalt“

Ich plädiere für einen „Bezahlbares-Wohnen-Vorbehalt“. Das bedeutet: Jedes Gesetz und jede Verordnung, die Klimaschutzauflagen für die Wohnungswirtschaft beinhaltet, muss zwingend vor Verabschiedung auf seine bzw. ihre Auswirkungen auf das bezahlbare Wohnen geprüft werden.

Wenn das bezahlbare Wohnen nicht mit (letztlich begrenzten) öffentlichen Fördermitteln gesichert werden kann, dann darf so ein Gesetz bzw. so eine Verordnung nicht Gültigkeit erlangen.

Wer heute öffentlich gefördert Wohnungen bauen will, muss gesetzlich vorgegebene energetische Auflagen erfüllen. Wir fordern die Umkehrung diese Vorgehensweise. Klimaschutzauflagen für öffentlich geförderte Wohnungen dürfen den Bau dieser Wohnungen nicht verteuern.

Ganz wichtig: die Fördersätze müssen mindestens einmal im Jahr überprüft werden. Wir brauchen nicht nur eine auskömmliche Förderung, sondern zwingend einen Mechanismus der Dynamisierung, der künftige Steigerungen bei den Baukosten automatisch auffängt und von Anfang an bei der Förderung berücksichtigt.

Klimaschutzkosten auf die Vermieter abzuwälzen, wird nicht funktionieren

Der Klimaschutz darf die sozialen Vermieter nicht überfordern. Es ist populistisch, wenn erklärt wird, es liege in der „sozialen Verantwortung“ der Vermieter, die gestiegenen Energiekosten zu übernehmen. So, als stünden in den Kellern von Wohnungsbaugenossenschaften oder kommunalen Wohnungsunternehmen prall gefüllte Geldsäcke herum. 

Zu guter Letzt: Wenn Politikerinnen und Politiker heute erklären, man müsse sich beim Klimaschutz Maximalziele setzen und am Ende werde nichts so heiß gegessen wie gekocht, so laufen sie in eine Falle. In Hamburg sorgt gerade eine Volksinitiative bei Experten für Unruhe, die lediglich die Einhaltung der vom rot-grünen Senat beschlossenen (unerfüllbaren) Klimaschutzziele fordert.

Andreas Breitner

Vorstand und Verbandsdirektor Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema