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Photovoltaik trifft auf Denkmalschutz – Hohes Potenzial für Solarstrom im Olympiadorf München

Photovoltaik & Denkmalschutz - Potenzial im Olympiadorf München
Autofrei, naturnah und familienfreundlich: Das ehemalige olympische Dorf ist heute eines der beliebtesten Wohngebiete Münchens. © Landeshauptstadt München / Martin Rössler

Das Olympiadorf in München kann bald grüner werden: Rund zwei Drittel der Dachflächen des denkmalgeschützten Areals weisen ein gutes bis sehr gutes Photovoltaik-Potenzial auf.

Zu diesem Ergebnis kam das auf Bau, Immobilien und Infrastruktur spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE in seiner Solarpotenzialanalyse. Gemeinsam mit dem Architekturbüro Auer Weber untersucht Drees & Sommer im Auftrag der Landeshauptstadt München und des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, wie sich Photovoltaik und Denkmalschutz im Olympiadorf vereinbaren lassen und wie die konkrete Umsetzung aussehen kann.

Die Analyse ist Teil eines umfassenden Photovoltaik-Rahmenplans, welcher den Grundstein für die energetische Transformation des Olympischen Dorfes legt. Die Ergebnisse werden in Form von Kartenmaterial dokumentiert und ab Sommer 2025 den Bewohnern in Form eines Handbuches als praktische Orientierungshilfe zur Verfügung gestellt.

40 Hektar Fläche, rund 3.500 Haushalte und mehr als 6.000 Einwohner: Bereits seit frühen 1970er-Jahren besteht das einst anlässlich der 20. Olympischen Spiele errichtetes Sportler:innen-Dorf im Nordwesten von München. Inzwischen sind die über 50 Jahre alten Gebäude als Ensemble und als Einzeldenkmäler geschützt und zusammen mit dem Olympiapark in die deutsche Vorschlagsliste zum UNESCO-Welterbe aufgenommen.

Trotz des Denkmalschutzes steht das Olympiadorf vor der Aufgabe, sich für die Herausforderungen der Gegenwart zu rüsten – insbesondere im Hinblick auf Klimaschutz und Energieeffizienz.

Spagat zwischen Bewahrung des Kulturerbes und nachhaltiger Entwicklung meistern

Die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt München ist der Meinung, dass es notwendig ist, das historische Olympiadorf fit für die Zukunft zu machen und dabei den Spagat zwischen Bewahrung des Kulturerbes und nachhaltiger Entwicklung zu meistern.

In den letzten Jahren sei die Nachfrage der Eigentümer nach der Installation von Photovoltaik-Modulen auf Dächern und Balkonen deutlich gestiegen. Wo im Olympiadorf die Sonne am stärksten Kraft hat und wie sich Solaranlagen sinnvoll integrieren lassen, sollte im ersten Schritt eine Potenzialanalyse zur Solarenergie zeigen.

Hohes PV-Potenzial auf Dächern ermittelt

Um die Intensität der Sonneneinstrahlung im Olympiadorf genau zu berechnen, erstellten die Experten von Auer Weber Architekten und Drees & Sommer ein 3D-Modell des gesamten Dorfs. „Unserer Analyse nach sind rund 65.000 Quadratmeter Dachfläche gut bis sehr gut für Photovoltaik geeignet, weitere 11.000 Quadratmeter bedingt. Damit reicht das reine Solareinstrahlungspotenzial der Dächer aus, um rund die Hälfte der Haushalte bilanziell und theoretisch mit Solarstrom zu versorgen“, berichtet Mathias Lanezki, Verantwortlicher für das Projekt bei Drees & Sommer.

Neben Dachflächen hat das Expertenteam auch das PV-Potenzial der Fassaden und der Balkone im Olympiadorf untersucht. Insgesamt umfasst das Olympische Dorfs bis zu 23-geschossige Hochhäuser und Terrassenhäuser, zwei- bis fünfgeschossige Reihen- und Mehrfamilienhäuser sowie eingeschossige Bungalows.

„Im nächsten Schritt stehen die Gestaltungsanforderungen im Fokus. Wir schauen uns die einzelnen Dach- und Fassadenkonstruktionen von verschiedenen Gebäudetypologien genau an und prüfen, welche Belegungsflächen und Solarpaneele in Frage kommen und wie sie sich technisch und denkmalschutzkonform oder ästhetisch sinnvoll integrieren lassen. Entscheidend ist dabei, dass die PV-Anlagen sich harmonisch in die denkmalgeschützte Umgebung einfügen und das Gesamtbild nicht dominieren“, erklärt Adrian Gessner von Auer Weber Architekten. Zusätzlich wird geprüft, wie der erzeugte Strom genutzt und gespeichert werden kann.

Von der Lage bis zur Farbe: PV-Rahmenplan gibt genaue Auskunft

Bereits ab Sommer 2025 soll der fertige PV-Rahmenplan den Bewohnern und Eigentümern des Olympischen Dorfs in Form eines Handbuchs die nötige Hilfestellung leisten. Wo genau dürfen PV-Anlagen installiert werden? Welche Gestaltungsanforderungen müssen dabei erfüllt sein?

Bis hin zu Vorschlägen zur Farbgebung der Solarmodule – der PV-Rahmenplan liefert detaillierte Informationen, um die Entscheidung, die Planung und die Umsetzung von PV-Anlagen für die Dorfbewohner zu erleichtern. Als erster Baustein eines kommunalen Denkmalkonzepts, das für den ganzen Olympiapark in den kommenden Jahren geplant ist, bringt der PV-Rahmenplan somit die regenerative Energieversorgung in München voran. Neben Auer Weber und Drees & Sommer begleiten unter anderem die stauss processform GmbH, die Sailer Stepan Tragwerkteam München GmbH und die Uniola GmbH das besondere Projekt.

Madina Kriegel

 www.dreso.com

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Ein Wohnbau-Turbo ist ein nötiger Weg – aber er braucht Druck/Veränderung bis ins letzte Bauamt

Gerd Warda. Foto: krimiwa

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Verena Hubertz, unsere neue Bundesbauministerin, stellte in ihre Antrittsrede gleich ein 100 Tage-Programm vor. Ein wichtiger Bestandteil ist ein Wohnbau-Turbo. Genau. Das brauchen wir jetzt auch.  Ein Turbo ist ein gutes Instrument. Warum?  Beim Auto macht der Turbo aus wenig viel, das aber mit ordentlich DRUCK und spart richtig Diesel oder Benzin. Und bleiben wir im Bild. Der Wohnbau -Turbo muss richtig Druck machen – runtergebrochen bis in das Bauamt in meinem Dorf, oder mindestens bis zum Kreisbauamt.

Druckmachen aber kann nicht bedeuten: wir machen mal ein neues Gesetz. Druckmachen ist erstmal dort nötig, wo wichtige Gesetzte auf die Umsetzung warten.

Seit 2022 gibt es im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern den Digitalen Bauantrag. Warum bieten die Baubehörden ihn nicht in allen Bundesländern an? Wer bremst hier?

Das Vorfertigen von Gebäudeteilen macht das Bauen nicht nur günstiger, es steigert auch die Bauqualität, was sich in der Lebenszyklus-Betrachtung auszahlt – also ideal für bezahlbares Wohnen. Egal bei Aufstockung, Nachverdichtung etc.. Hier bremst noch die einmal erteilte Typengenehmigung. „Einmal erteilt“ gilt nur für ein Bundesland, im nächsten Bundesland muss der Hersteller des Gebäudeteils wieder einen Antrag stellen usw. …  Hier braucht es Druck aus dem Turbo! Bürokratieabbau! Wann ist eine Anerkennung der „einmal erteilte Typengenehmigungen“ uneingeschränkt in allen Bundesländern möglich??

Aber schauen wir mal auf die Wohnbau-Experten. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW: „Die Ministerin hat recht: Genehmigungen dürfen nicht länger dauern als der Bau selbst. Jetzt müssen Gesetze, Verordnungen und Verfahren so angepasst werden, dass der Bau bezahlbarer Wohnungen in der Realität wieder möglich wird.“

Der GdW stimmt zu – dafür müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Ohne ausreichende Eigenkapitaldecke, ohne verlässliche Förderung und ohne realistische Anforderungen an energetische Standards wird es keinen Aufbruch geben.

Und noch ein Blick über den Tellerrand zum Thema Mietpreisbremse. Wenn es um bezahlbares Wohnen geht, schauen wir immer gern nach Österreich. Auch dort gibt es eine Mietpreisbremse, auch Mietendeckel genannt. Was bewirkt der bremsende Deckel? Klaus Baringer, dortiger Verbandsobmann gemeinnützigen Bauvereinigungen nennt die Zahlen: „Die Bauleistung ist 2024 erneut gesunken. Mit 14.000 Fertigstellungen haben wir ein Minus von 9% zum Vorjahr und ein Minus von 16% zum 10-Jahresschnitt. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Bauleistung ist zum zweiten Mal in Folge gesunken. Statt Neubau zu fördern, wird durch zwei Mietendeckel dem gemeinnützigen Wohnbau Kapital entzogen.“ (Hier zum Nachlesen).

Mai 2025 – Wohnungswirtschaft energie. Eine neue Ausgabe mit vielen neuen Blickwinkeln liegt bereit. Klicken Sie mal rein.

Bleiben Sie zuversichtlich und nachhaltig.

Ihr Gerd Warda

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Wohnungsbau-Turbo jetzt zünden: GdW fordert schnelle Umsetzung der Ankündigungen von Ministerin Hubertz zum bezahlbaren Bauen

Die jetzt veröffentlichten Baugenehmigungszahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen ein trügerisches Bild: Zwar ist die Zahl der Genehmigungen im März 2025 im Vergleich zum Vorjahresmonat insgesamt leicht gestiegen, doch der Wohnungsbau in Mehrfamilienhäusern stagniert oder geht sogar zurück.

Die Zahl der genehmigten Zweifamilienhäuser ist um 8,9 Prozent eingebrochen, während es bei Häusern mit mehr als zwei Wohnungen lediglich zu einer Stagnation kam. Damit steuert der dringend benötigte Neubau im bezahlbaren Segment weiterhin auf einen Tiefpunkt zu.

„Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Trotz aller Appelle geht es im bezahlbaren Mietwohnungsbau bislang nicht bergauf. Was wir jetzt brauchen, ist kein weiteres Zögern, sondern eine handfeste Zeitenwende im Wohnungsbau“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW.

Ministerin Hubertz setzt wichtige Signale – jetzt zählt die Umsetzung

Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hat in ihrer Antrittsrede „Tempo, Technologie und Toleranz“ als Leitplanken ihrer Politik ausgerufen. Die Ankündigung eines Wohnungsbau-Turbos innerhalb der ersten 100 Tage und die Einführung eines neuen § 246e BauGB als „Brechstange“ für beschleunigtes Bauen in angespannten Märkten sind nach Ansicht des GdW überfällig – und müssen jetzt entschlossen umgesetzt werden.

„Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft unterstützt die angekündigte Entschlackung der Bauvorschriften ausdrücklich – aber nur Worte reichen nicht. Wir erwarten, dass Tempo beim Bauen nicht zur politischen Formel verkommt, sondern zum Maßstab der Regierungshandlungen wird“, betont Gedaschko. „Die Ministerin hat recht: Genehmigungen dürfen nicht länger dauern als der Bau selbst. Jetzt müssen Gesetze, Verordnungen und Verfahren so angepasst werden, dass der Bau bezahlbarer Wohnungen in der Realität wieder möglich wird.“

Mietrecht nicht weiter verschärfen – Neubau darf nicht blockiert werden

Gleichzeitig warnt der GdW vor weiteren Verschärfungen des ohnehin schon sehr restriktiven deutschen Mietrechts. Statt wirkungsvoll gegen schwarze Schafe auf dem Mietwohnungsmarkt vorzugehen, drohen solche Maßnahmen die Investitionsbereitschaft insbesondere im Neubau weiter auszubremsen.

Der Wohnungsneubau ist zuletzt stark zurückgegangen, nicht zuletzt wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektiven für Vermieter bei gleichzeitig steigenden Baukosten. Wie GdW und Deutscher Mieterbund in einem gemeinsamen Papier betonen, müssen Neubauprojekte von weiteren Regulierungen ausgenommen bleiben, um dringend benötigte neue Mietwohnungen überhaupt noch finanzieren zu können

Forderungen der sozial orientierten Wohnungswirtschaft

Um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln und sozial ausgewogen zu gestalten, fordert der GdW unter anderem:

  •  Bauen im „überragenden öffentlichen Interesse“ verankern: Der Wohnungsbau in Mangelgebieten muss wie bei der Windenergie als vorrangiges Ziel in Abwägungsverfahren anerkannt werden – wie von Ministerin Hubertz im Zusammenhang mit § 246e angedacht.
  •  Zinsförderung und serielle Bauweise vorantreiben: Der GdW unterstützt die Ministerin bei ihrem Fokus auf neue Technologien. Serielles Bauen und modulare Konzepte können helfen, Zeit und Kosten zu sparen – wenn gleichzeitig gezielte Zinsstützungen erfolgen, damit Mieten im Bereich von 10 bis 12 Euro/m² möglich bleiben.
  •   Fördermittel dauerhaft und planbar gestalten: Ein Flickenteppich von Programmen hilft niemandem. Der GdW fordert eine dreisäulige Förderung mit sozialem Wohnungsbau, einem mittleren Preissegment und steuerlichen Erleichterungen für den freifinanzierten Neubau.
  •   GEG weiterentwickeln, nicht verschärfen: Eine weitere Anhebung der energetischen Standards – etwa durch die EPBD – würde den Wohnungsbau faktisch zum Erliegen bringen. Der GdW fordert eine CO₂-orientierte Ausrichtung der Gesetzgebung mit Fokus auf Wirtschaftlichkeit und sozialer Tragfähigkeit.

„Wenn wir nicht bald handeln, wird das Wohnungsproblem zur sozialen Krise. Die Regierung muss jetzt anpacken und den ersten Worten schnelle Taten folgen lassen.“

 GdW-Präsident Axel Gedaschko

„Die Bagger müssen wieder rollen“ – dafür braucht es Investitionen und Realismus

Ministerin Hubertz hat betont: „Die Bagger müssen wieder rollen.“ Der GdW stimmt zu – dafür müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Ohne ausreichende Eigenkapitaldecke, ohne verlässliche Förderung und ohne realistische Anforderungen an energetische Standards wird es keinen Aufbruch geben.

„Die neue Ministerin spricht Klartext – das ist gut. Jetzt muss sie zeigen, dass ihr Klartext auch politische Mehrheiten findet und in Maßnahmen mündet, die wirken“, so Gedaschko weiter. „Die Wohnungswirtschaft steht bereit. Aber wir können nicht alleine vorangehen. Der Staat muss jetzt mitziehen – mit einem echten Turbo, nicht nur mit Sonntagsreden.“

Die Zeit drängt – Ministerin Hubertz hat 100 Tage für den Neustart

Die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung sind nach Einschätzung des GdW entscheidend. Deutschland braucht jährlich mindestens 320.000 neue Wohnungen – davon 100.000 Sozialwohnungen. Doch zuletzt lag die Zahl der fertiggestellten Sozialwohnungen unter 30.000 – bei gleichzeitig dramatischem Rückgang der Bauanträge.

„Wenn wir nicht bald handeln, wird das Wohnungsproblem zur sozialen Krise“, warnt Gedaschko. „Die Regierung muss jetzt anpacken und den ersten Worten schnelle Taten folgen lassen.“

Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen vertritt als größter deutscher Branchendachverband bundesweit und auf europäischer Ebene rund 3.000 kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen. Sie bewirtschaften rd. 6 Mio. Wohnungen, in denen über 13 Mio. Menschen wohnen. Der GdW repräsentiert damit Wohnungsunternehmen, die fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland bewirtschaften.

Andreas Schichel

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Abwärme aus Rechenzentren: Finnland setzt auf Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft in der Energieversorgung – Ein Modell für Europa

Abwärme: Finnland setzt auf Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft
Abwärme als Ressource: Googles Rechenzentrum in Hamina an der Ostseeküste soll ab Ende 2025 bis zu 80 Prozent des lokalen Fernwärmebedarfs abdecken. (Foto: Google)

Während Deutschland mit hohen Energiekosten ringt und intensiv über den Kurs der Energiewende debattiert, zeigt Finnland, wie sich Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit vereinen lassen.

Das Land setzt auf ein integriertes Energiesystem, das keine Ressource verschwendet: Industrielle Abwärme wird konsequent genutzt, smarte Netze optimieren den Fluss und innovative Speicherlösungen gleichen Schwankungen aus. Dieser Ansatz senkt nicht nur die Energiekosten signifikant, sondern treibt auch die grüne Transformation voran.

Praxisbeispiele unterstreichen die Wirksamkeit

Googles Rechenzentrum in Hamina soll bald bis zu 80 Prozent des lokalen Fernwärmebedarfs decken und Microsofts Projekte in Espoo die regionalen CO2-Emissionen um 400.000 Tonnen senken.

Finnlands Strategie basiert auf einem Kreislaufmodell: Energie und Nebenprodukte aus einem Prozess werden zu wertvollen Inputs für einen anderen. „Abwärme ist kein energetischer Abfall, sondern eine wertvolle Ressource. Ihre konsequente Nutzung ist nicht nur ökologisch geboten, sondern ein entscheidender Faktor für wirtschaftliche Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit in der Energiewende“, sagt Helmi-Nelli Körkkö, Senior Advisor bei Business Finland.

Diese Konzentration auf die Effizienz führt zu greifbaren Ergebnissen: In den vergangenen vier Jahren ist es der verarbeitenden Industrie in Finnland gelungen, ihre Emissionen aus der eingekauften Energie um etwa 45 Prozent zu senken und gleichzeitig die Produktion um 43 Prozent zu steigern. Auch Verbraucher profitieren: Die Strompreise für Haushalte liegen in Finnland bei 4,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – in Deutschland kostet er 7,9 Cent pro kWh.

Auch die weltgrößte Anlage zur Wärmegewinnung aus gereinigtem Abwasser (die Wärmepumpenanlage Katri Vala des Energieunternehmens Helen) speist in Helsinki ins Netz ein. Foto: https://www.helen.fi/en/news/2023/waste-heat-plays-a-significant-role-in-a-sustainable-energy-system

In diesem ganzheitlichen Ansatz wird digitale Infrastruktur mit erneuerbaren Ressourcen und konsequenter Abwärmerückgewinnung zu einem geschlossenen System verbunden. Der Anteil der klimaneutralen Energie wächst in Finnland stetig: Zwischen 2023 und 2024 stieg der Anteil der erneuerbaren Energien, der Wärmerückgewinnung und der Elektroheizkessel von 70 Prozent auf 73 Prozent.

Dabei ist zu beachten, dass der Anteil des erneuerbaren Stroms 56 Prozent und des CO2-neutralen Stroms 95 Prozent beträgt. Gleichzeitig überzeugt das System durch extreme Zuverlässigkeit: Das nationale Übertragungsnetz von Fingrid weist eine Verfügbarkeit von 99,9995 Prozent auf.

Technologie-Treiber: Abwärme und Speicher

Finnland macht Abwärme zur Ressource: Googles Rechenzentrum in der südostfinnischen Hafenstadt Hamina an der Ostseeküste deckt ab Ende 2025 bis zu 80 Prozent des lokalen Fernwärmebedarfs. Microsoft kündigte in Kooperation mit dem Energieunternehmen Fortum an, die Abwärme seiner neuen Rechenzentren nach Fertigstellung zur Beheizung von Haushalten und Unternehmen zu nutzen.

Auch die weltgrößte Anlage zur Wärmegewinnung aus gereinigtem Abwasser (die Wärmepumpenanlage Katri Vala des Energieunternehmens Helen) speist in Helsinki ins Netz ein. Innovative Speicher gleichen Schwankungen erneuerbarer Energien aus. Dazu zählen große Sandbatterien (Polar Night Energy), Europas größter saisonaler Kavernenwärmespeicher (Varanto-Speicher des Energieunternehmens Vantaan Energia) und Power-to-Heat-Lösungen (Elstor). Selbst Mobilfunk-Basisstationen werden zu virtuellen Kraftwerken gebündelt (Elisa), um das Netz zu stabilisieren.

Während Finnlands Wettbewerbsfähigkeit steigt, ist es für das Land ebenso wichtig – vielleicht sogar noch wichtiger – die Abhängigkeit von einzelnen Ländern zu verringern. Ziel ist es, einen europäischen Ansatz zu entwickeln und Europas strategische Autonomie durch enge Partnerschaften mit gleichgesinnten Ländern zu stärken.

Digitalisierung als Rückgrat: smart und transparent

Basis für diese Effizienz ist eine robuste und hochentwickelte digitale Infrastruktur. Sie ermöglicht die Überwachung und Steuerung von Energieerzeugung, -verbrauch und -rückgewinnung in Echtzeit.

„Der Schlüssel liegt in der intelligenten Verknüpfung von erneuerbaren Energien, Sektorenkopplung durch Abwärmenutzung und digitaler Steuerung“, erklärt Helmi-Nelli Körkkö und ergänzt: „Dieses integrierte System schafft Transparenz, maximiert die Effizienz und zeigt einen gangbaren Weg auf, wie Industriestaaten ihre Energieversorgung sicher, sauber und kosteneffizient gestalten können.“

KI-gestützte Prognosetools wie VTT EnergyTeller optimieren beispielsweise die Speicherung und Verteilung von Energie. Das VTT-Tool nutzt Wetterdaten und andere relevante Informationen, um Energiebedarf und Marktentwicklungen präziser vorherzusagen.

Ein Ansatz für aktuelle Herausforderungen

Finnlands ganzheitlicher Ansatz bietet eine Blaupause für die Bewältigung aktueller Energieherausforderungen. Das Modell verspricht nicht nur Kostensenkungen und Versorgungssicherheit, sondern bietet auch einen replizierbaren Rahmen für die Modernisierung von Energiesystemen – ein wertvoller Impuls auch für die deutsche Energiewende.

Während Finnlands Wettbewerbsfähigkeit steigt, ist es für das Land ebenso wichtig – vielleicht sogar noch wichtiger – die Abhängigkeit von einzelnen Ländern zu verringern. Ziel ist es, einen europäischen Ansatz zu entwickeln und Europas strategische Autonomie durch enge Partnerschaften mit gleichgesinnten Ländern zu stärken.


Quelle: www.businessfinland.com

Business Finland ist die offizielle finnische Organisation für Innovationsfinanzierung, Handels-, Investitions- und Tourismusförderung. Sie wurde am 1. Januar 2018 durch die Fusion von Finpro und Tekes gegründet. Als öffentliche Einrichtung unter dem finnischen Ministerium für Beschäftigung und Wirtschaft zielt Business Finland darauf ab, den Wohlstand Finnlands durch nachhaltiges Wachstum zu fördern. Die Organisation beschäftigt 760 Spezialisten an 37 ausländischen Standorten und 16 Büros in Finnland. Business Finland unterstützt Unternehmen bei ihrem globalen Wachstum, fördert Innovationen und Forschung und arbeitet daran, das Land als attraktiven Standort für Investitionen und Tourismus zu positionieren.

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Gegen den Fachkräftemangel – Vonovia eröffnet Handwerksakademie in Berlin

Gegen Fachkräftemangel – Vonovia eröffnet Handwerksakademie
Vonovia hat ihre Handwerksakademie in Berlin eröffnet (vorne von links): Rolf Buch (Vorstandsvorsitzender Vonovia), Ruth Werhahn (Personalvorständin Vonovia) und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner freuen sich mit den Auszubildenden. Foto: Vonovia / Offenblende Kerstin Vihman

Vonovia hat in Berlin ihr erstes Aus- und Weiterbildungszentrum eröffnet. Mit der Handwerksakademie bringt das Unternehmen die Fachkräftegewinnung sowie die qualifizierte Aus- und Weiterbildung im Handwerk auf ein neues Level.

Auf rund 3000 Quadratmetern setzt Vonovia in digital geprägten Lehrwerkstätten, Trainings- und Praxisräumen einen neuen Ausbildungs-Standard für bis zu 220 Auszubildende im Jahr und schafft zusätzliche Kapazitäten für Weiterbildung mit Fokus auf Energie- und Gebäudetechnik sowie Schulungen in Zukunftstechnologien wie Wärmepumpen und Photovoltaik.

Weiterbildung mit Fokus auf Energie- und Gebäudetechnik

Das zweigeschossige Zentrum ist technisch und inhaltlich optimal darauf ausgerichtet, die Unternehmensstrategie für die Energiewende im Quartier sowie die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes effizient voranzutreiben. Die feierliche Eröffnung der Akademie fand heute gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, Rolf Buch, CEO bei Vonovia, und Ruth Werhahn, CHRO bei Vonovia, statt.

Konzerneigenes Zentrum für Aus- und Weiterbildung sichert zukunftsgerichtete Expertise in handwerklichen Berufen

„Wir wachsen kontinuierlich und stellen in diesem Jahr 2.800 Menschen ein, um mit ihnen gemeinsam unsere Wachstumsstrategie zu forcieren. Wir wollen bis 2028 vor allem die Leistungen und Services für unsere Mieterinnen und Mieter ausbauen. Wir werden seriell sanieren, wir werden auf nachhaltige Energieträger umstellen, wir werden modular neu bauen und wir werden Fremdbestände energetisch aufwerten. Dafür brauchen wir eine gut ausgebildete Mannschaft, mit der wir gemeinsam unsere Ziele umsetzen“, sagt Rolf Buch.

Wir müssen gemeinsam viel mehr Menschen dafür begeistern, Berufe zu erlernen, die den Bau und die Bewirtschaftung von Wohnraum überhaupt ermöglichen.

Ruth Werhahn

„Der Fachkräftemangel ist unternehmerische Realität. Im vierten Quartal 2024 fehlten auf dem deutschen Arbeitsmarkt rund 450.000 qualifizierte Fachkräfte – fast 38 Prozent der offenen Stellen für qualifizierte Fachkräfte konnten nicht besetzt werden. Wir müssen gemeinsam viel mehr Menschen dafür begeistern, Berufe zu erlernen, die den Bau und die Bewirtschaftung von Wohnraum überhaupt ermöglichen.

Das Potenzial ist riesig: Im Jahr 2022 verfügten 2,86 Millionen der 20- bis 34-Jährigen in Deutschland nicht über eine formale Qualifikation; das sind 19,1 Prozent in dieser Altersgruppe. Hier müssen wir ansetzen und aktivieren, um ihnen Einstieg und Perspektive zu bieten. Den passenden Ort haben wir mit unserer Akademie geschaffen. Hier werden junge Menschen nicht nur beruflich ausgebildet, sondern in einer Haltung, in der sich Lust am Schaffen mit Verantwortung, Präzision und Kreativität verbinden“, ergänzt Ruth Werhahn.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, erklärt: „Berlin wächst – und damit auch der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Dafür brauchen wir nicht nur gute Ideen, sondern vor allem auch Handwerkerinnen und Handwerker. Es ist ein starkes Signal, dass Vonovia die neue Handwerksakademie in unserer Stadt eröffnet und neue Fachkräfte ausbildet. Ich freue mich sehr über dieses klare Bekenntnis zu Berlin.

Qualifizierung und Trainings für Fachkräfte und Mitarbeitende.

Die Akademie bringt nicht nur Wissen und moderne Ausbildung zu uns, sie zeigt auch: Wer in die Zukunft investieren will, ist in Berlin richtig. Guter Wohnraum braucht engagierte Unternehmen, gut ausgebildete Fachkräfte – und eine Stadt, die all das unterstützt. Mit der neuen Akademie wird Berlin als Ort des Lernens und Arbeitens noch attraktiver. Das ist eine gute Nachricht für alle Berlinerinnen und Berliner.“

Gegenwärtig verfestigen knapp 100 Auszubildende ihre praktischen Fertigkeiten in der Handwerksakademie. Ausgebildet werden die Berufe Anlagenmechaniker/in, Elektroniker/in, Fliesenleger/in sowie Maler/in. Begleitet werden sie von Ausbilderinnen und Ausbildern, die sie intensiv betreuen und bestens auf Prüfungen vorbereiten.

Mehr als 3.500 Teilnehmende können hier jährlich weitergebildet und gefördert werden

Neben den Ausbildungen finden im neuen Zentrum auch Fort- und Weiterbildungen statt. Mehr als 3.500 Teilnehmende können hier jährlich weitergebildet und gefördert werden. Qualifizierungen von Monteurinnen und Monteuren, Helferinnen und Helfern sind ebenso möglich wie Produktschulungen. Auch den Soft Skills widmet sich die Akademie: Kurse in Kommunikation, Deutsch, Achtsamkeit oder Stressmanagement sollen ebenso wie Deeskalationstrainings angeboten werden.

Vonovia bietet über einer Million Menschen ein Zuhause. Das Wohnungsunternehmen steht mitten in der Gesellschaft, deshalb haben die Aktivitäten von Vonovia niemals nur eine wirtschaftliche, sondern immer auch eine gesellschaftliche Perspektive. Vonovia beteiligt sich daran, Antworten auf die aktuellen Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt zu finden. Das Unternehmen setzt sich ein für mehr Klimaschutz, mehr altersgerechte Wohnungen und für ein gutes Zusammenleben in den Quartieren.

In Kooperation mit sozialen Trägern und den Bezirken unterstützt Vonovia soziale und kulturelle Projekte, die das nachbarliche Gemeinschaftsleben bereichern. Im Mittelpunkt des Handelns stehen die Kunden und ihre Bedürfnisse. Vor Ort kümmern sich Objektbetreuer und eigene Handwerker um die Anliegen der Mieter. Diese Kundennähe sichert einen schnellen und zuverlässigen Service. Zudem investiert Vonovia großzügig in die Instandhaltung der Gebäude und entwickelt wohnungsnahe Dienstleistungen für mehr Lebensqualität.

Quelle: Vonovia

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Chancen und Risiken – Gehölzverwendung in der Schwammstadt

Chancen und Risiken - Gehölzverwendung in der Schwammstadt
Essen, Universitätsviertel – grüne Mitte Essen. Foto: Ralf Ilgenfritz / entnommen aus den Weißbuch Stadtgrün - Grün in der Stadt – Für eine lebenswerte Zukunft. / Fachliche Bearbeitung u. a. Institut für Stadtgrün: Prof. Dr. H. Balder

In Teil 2 von „Gehölzverwendung in der Schwammstadt – Chancen und Risiken“ beschäftigt sich Prof. Dr. Hartmut Balder mit der Funktionalität von Baummulden und hinterfragt, inwieweit sie gefährdet sind. Ferner wird der wichtige Aspekt „Gestaltung mit Gehölzen“ behandelt.

Die Klimaveränderungen der letzten Jahre mit Starkregenereignissen, Hochwasserfluten, Sturmereignissen und längeren Hitze- bzw. Trockenzeiten haben die Diskussion um einen Paradigmenwechsel im Umgang mit dem urbanen Wasserhaushalt auch in der Wohnungswirtschaft ausgelöst.

Funktionalität von Baummulden gefährdet?

Der Betrieb von Regenwasseranlagen in Wohnquartieren ist auf lange Zeit angelegt. Dauerhaft ist zu gewährleisten, dass sich verändernde Starkregenereignisse weiterhin quantitativ managen lassen und nicht zu Überschwemmungen im bewohnten Bereich führen. Die Planung von Retentionsflächen muss entsprechend ausgelegt sein und dauerhaft funktionsfähig bleiben. Bei räumlicher Enge und der behördlichen Auflage, Niederschläge nur auf dem Baugrundstück versickern zu lassen, dürften sich verstärkende Regenwasserereignisse künftig problematisch auswirken (Abb. 11).

Es erscheint daher sinnvoll, großräumige Regenwasserkonzepte zu erproben und in den Baugenehmigungsverfahren zu etablieren. Die Topographie eines Stadtquartiers muss bedacht und individuell genutzt werden, die Wasserwege vorzudenken und in die Planungskonzepte sinnvoll zu integrieren, u.a. auch Integration offener Wasserflächen. Die Drainfähigkeit der zur Versickerung vorgesehenen Flächen muss daher dauerhaft gegeben sein.

Abb. 11.: Innenhof einer Wohnanlage mit vielfältigen Nutzungsangeboten und Retentionsflächen nach einem Regenereignis

Die Bepflanzung derartiger Anlagen mit Bäumen zur Gestaltung wirft aktuell elementare Fragen auf. Seitens der Wasserwirtschaft existieren Bedenken hinsichtlich der Risiken für den Grundwasserschutz durch Kurzschlussströmungen entlang der Baumwurzeln, einer unerwünschten Verdichtung des Untergrunds durch Wurzeln und einer möglichen Beeinträchtigung der Filterstabilität von Rigolen.

Umfangreiche Bewässerungsversuche in Berlin haben ergeben, dass auch nach mehr als 20jähriger Laufzeit trotz des Einwuchses von Baumwurzeln von Hainbuchen in Mulden bislang keine Beeinträchtigungen der geforderten Versickerungsleistung messbar waren (Abb. 12).

Abb. 12: Fluten von Mulden

Bei Wassersättigung des Untergrundes ist die Drainfähigkeit etwas eingeschränkt. Langzeitstudien müssen jedoch diese grundlegende Frage noch abschließend klären. Das gilt auch für die Verwendung anderer Baumarten, da ein stärkerer Wurzelfilz sehr wohl negative Effekte erwarten lässt.

Abb. 12 b: Fluten von Mulden und die Versickerungsleistung

Trotz der Klimaveränderungen werden Winterfröste in vielen Regionen in Nordeuropa weiterhin auftreten. Dies hat zur Folge, dass auf gefrorenen Böden anfallende Niederschläge oder auftauende Schneedecken einen verzögerten Regenwasserabfluss mit sich bringen (Abb. 13). Hiermit steigt die Gefahr von Überflutungen und Staunässe. Die Erfahrungen hierzu sind noch ganz am Beginn.

Abb. 13: Eisfläche in einer dezentralen Regenwasseranlage mit Baumstandorten

Regenwasseranlagen stellen neue Lebensräume für Organismen dar. Anpassungen in der Pflege haben bereits zur Steigerung der Biodiversität geführt, u. a. durch veränderte Mahdabfolgen (Balder u.a., 2022; Kaletta, 2019). Offene Wasserflächen und länger stehendes Wasser trägt jedoch auch zur Vermehrung von Lästlingen und Krankheitserregern bei, u.a. von Mückenpopulationen, was in Wohnanlagen eher problematisch sein dürfte.

Gestaltung mit Gehölzen

Bäume können grundsätzlich in Hinblick auf ihre Verwendung in dezentralen Regenwasseranlagen auf unterschiedliche Weise räumlich konzipiert werden, um die blau-grüne Infrastruktur auch gestalterisch individuell für die klimaresiliente Stadt der Zukunft zu entwickeln (Gorning u.a., 2021). So ist es z. B. möglich, Bäume an Straßen …

  • …direkt im Sohlenbereich von Mulden zu platzieren.
  • …auf einem erhöhten Planum (Podest) in die Muldenmitte zu setzen.
  • …seitlich zur Mulde in unversiegelten/versiegelten Bereichen als Pflanzstreifen zu setzen.
  • …seitlich zur Mulde in Baumscheiben in versiegelten Bereichen zu platzieren.
  • …an das jeweilige Kopfende von Mulden zu setzen.

Die Verwendung von Großbaumarten mit ihrer gewünschten Wirkung setzt voraus, dass hierfür breite Mulden von min. 5 bis 10 m für einreihige Bepflanzungen konzipiert werden (Abb. 14).

Abb. 14: Einreihige Baumallee (Linde) mit Entwicklungspotenzial

Sinnvoller erscheinen größere Areale mit genügend Entwicklungspotenzial (Abb. 15). In der Praxis werden die räumlichen Wuchsansprüche der Baumarten für eine lange Standzeit noch zu wenig beachtet (Abb. 16).

Abb. 15: Großräumig angelegter Baumhain (Spree-Eiche) bei Starkregen

Abb. 16: Blau-grüne Infrastruktur mit wenig Entwicklungspotenzial für Bäume (Spree-Eiche)

Die Erfüllung der EU-Restoration Law ermöglicht die Durchsetzung der Wuchsanforderungen der Baumarten. Da weniger die Anzahl der gepflanzten Bäume im Fokus der Umweltpolitik steht, sondern das Erreichen einer vitalen Überschirmung der Stadt, insbesondere auch in Wohnsiedlungen, sollte dies genutzt werden, um vor dem Hintergrund der Mobilitätswende und der Flächenentsiegelung neue Baumstandorte zu qualifizieren. Gerade auf Quartiersebene lassen sich Gestaltung, Nutzung und Regenwasservorsorge großräumig völlig neu denken (Abb. 17).

Abb. 17: Großräumige Platzgestaltung mit Retentionsflächen und attraktiver Begrünung

Allen Standortsituationen ist gemein, dass sich die Gehölze unter- und oberirdisch ausbreiten wollen und müssen. Gestalterisch ist der Flächenbedarf sowie der mittel und langfristige Effekt von Bedeutung, d. h. mit dem potenziellen Wachstum der Gehölze treten die räumlichen Aspekte wie Blickachsen, Lichtraumprofil im Verkehrsraum sowie die zunehmenden Schatteneffekte immer mehr in den Vordergrund.

Gleichzeitig steigen auch der Wasserbedarf der Vegetation sowie die Unterhaltungskosten, u.a. Bewässerung, Baumschnitt, Laubentfernung, Baumkontrolle (Verkehrssicherheit). Von daher sind die räumlichen Dimensionen langfristig für die Entwicklung und Finanzierung der Unterhaltungspflege in der Wohnungswirtschaft bedeutsam.

Offene Fragen

Neben den bereits geschilderten Unklarheiten sind weitere Aspekte von großer Bedeutung, deren Klärung vorangetrieben werden muss. Hierzu zählen die Aspekte:

  • Schadstoffeinträge, u.a. aus Luftverschmutzungen, Straßenabrieb, Baumaterialien, Siedlungsabfällen
  • Erfordernis von vorgeschalteten Filtern und deren Leistungsfähigkeit
  • Reinigungseffekte von Gehölzen zum Schutz des Grundwassers
  • Schadstoffanreicherung in den Substraten (Sondermüll?)
  • Eintrag von Baumpathogenen und Gegenmaßnahmen
  • Grundwasserentwicklung und Steuerungsmöglichkeiten
  • Unterhaltungskosten
  • Verkehrssicherheit (Standsicherheit), vorrangig bei hohen Grundwasserständen und

Podestbepflanzungen

Es scheint geboten, die realisierten Projekte weiter durch Experten aller beteiligten Disziplinen in einem offenen Dialog kritisch zu begleiten. Die komplexen Auswirkungen für Städtebau und Gehölzverwendung müssen voll erkannt werden, die Grundwasserentwicklung steht dabei im Mittelpunkt des Interesses (Abb. 18).

Auch dies ist Kern des Weißbuchprozesses „Grün in der Stadt – Für eine lebenswerte Zukunft“ (BMUB, 2017).  Chancen müssen nachvollziehbar durch Best Practise Beispiele belegt, Risiken benannt und minimiert werden. Nur so lässt sich der Weg hin zur klimaresilienten Wohnungssiedlungen mit den anzustrebenden Effekten beschreiten und sicher erreichen.

Ab. 18: Ziele und Gefahren der Grundwasserveränderungen auf die Stadtentwicklung

Fazit

Dezentralen Regenwassersystemen mit Baumbewuchs ist in künftigen Wohnsiedlungen als urbane Technologie eine große Bedeutung beizumessen. Umfassende Untersuchungen von realisierten Projekten mit längerer Laufzeit bestätigen die grundsätzliche Chance, Gehölze im Einflussbereich von Mulden zu verwenden. Die bessere Wasserversorgung fördert das Baumwachstum und vermindert trockenheitsbedingte Schadentwicklungen.

Es sind aber auch Risiken erkennbar, da ein starkes Baumwachstum Schäden an der technischen Infrastruktur der Stadt mit großen Folgekosten auslösen kann, wenn die Verhältnisse zu eng bemessen sind. Die langfristigen Auswirkungen auf die Muldenfunktion sowie die Baumentwicklung bezüglich Vitalität, Gesundheit und Verkehrssicherheit sind noch nicht abschließend zu bewerten. Der Forschungsbedarf ist unverkennbar.

So könnten in neu zu konzipierenden Projekten im Sinne eines Optimierungsprozesses die ungeklärten Aspekte mit wissenschaftlicher Begleitung abgeklärt werden, um für die Bau- und Genehmigungspraxis verbesserte Konzepte abzusichern. Eine integrierte Infrastruktur ließe sich so intelligent entwickeln und vermehrt einführen.

Es wird deutlich, dass die künftigen Konzepte nicht nur allein die Anforderungen der Regenwasserbewirtschaftung betrachten dürfen. Im Fokus der Akteure muss der urbane Gesamtkontext unter Berücksichtigung der vielfältig positiven Effekte für die Lebensraumgestaltung, Luftreinhaltung, Stadtklimatisierung, Erhöhung der Biodiversität sowie Kostentransparenz in der Bauphase und langjährigen Unterhaltung stehen. Es ist zu erwarten, dass der Stadtumbau weiteren Raum für moderne Konzepte mit Beispielcharakter ermöglicht.

Prof. Dr. habil. Hartmut Balder, Institut für Stadtgrün

Lesen Sie auch den ersten Teil der Ausführungen von Prof. Dr. habil. Hartmut Balder: Gehölzverwendung in der Schwammstadt – Chancen und Risiken.


Literatur

Alvem, B.-M.; Josefsson, J.; Ross, N., 2023: Bäume und Regenwasser-Management – 20 Jahre Erfahrung mit dem Stockholmer Modell. In: Dujesiefken, D.; Amtage, T.; Streckenbach, M. Jahrbuch der Baumpflege. 120 – 132. Haymarket, Braunschweig.

Balder, H., 2025: Klimaveränderungen und ihre komplexen Folgen fürs Stadtgrün. Stadt und Grün. 52 – 58

Balder, H.; Rehfeld-Klein; M., Goll, L.; Nickel, D., 2018: Befunde zur Verwendung von Bäumen in Muldensystemen im Rahmen der Regenwasserbewirtschaftung. ProBaum 4, S. 15-21.

Balder, H.; Wagner, J.-P., 2016: Grünflächenmanagement für hochwassergefährdete Baumstandorte. NL, 34 -39

Balder, H.; Kaletta, M.; Gorning, G.; Nickel, D.; 2022: Erfahrungen zur Grünpflege von Mulden im Regenwassermanagement. NL, 23 – 28

BdB, 2024: Seminar „Stadtbäume & Schwammstadt“. GaLaBau-Messe. Nürnberg

BMUB, 2017: Weißbuch Stadtgrün. Berlin. 47 S.

BMUV, 2024: Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Berlin

Bundesstiftung Baukultur, 2024: Baukulturbericht 2024/24. Potsdam

Deutscher Wetterdienst: Grundwasserkarten. www.dwd.de

DGGL, 2023: Fachtagung AK Stadtgrün „Hochwasser / Wassermanagement / Gehölzverwendung. Magdeburg

Doobe, G.; Streckenbach, M., 2023: Bäume unter Wasser – ein kritischer Blick auf Baumstandorte mit Rigolenfunktion. In: Dujesiefken, D.; Amtage, T.; Steckenbach, M. Jahrbuch der Baumpflege. 71 – 82. Haymarket, Braunschweig.

EU Restoration Law, 2024: Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Brüssel

GALK, 2024: Positionspapier „Wassersensible Straßenraumgestaltung“.

Versickerungsanlagen sind keine Baumstandorte. Leipzig

GDV, 2024: Schadensbilanz Elementarschäden

Gorning, G.; Kaletta, M.; Balder, H., 2021: Stadtgestal­tung und Biodiversität durch Regenwassermanage­ment. Pro Baum 2, 19–26.

Grimm, K.; Murer, E.; Schmidt, S.; Zeiser, A., 2022: Das Schwammstadtprinzip für Bäume. Entwicklung und Umsetzung in Österreich. Stadt und Grün, 7

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: Dürre-Index. www.ufz.de

Kaletta, M., 2019: Erhöhung der Biodiversität in Re­genwasserbewirtschaftungsanlagen. Masterarbeit, Berliner Hochschule für Technik.

Meyer, Franz-Joseph (Hrsg.);1982: Bäume in der Stadt. Ulmer Verlag, Stuttgart. 380 S. Rehfeld-Klein, M.; Balder, H.; Nickel, D., 2019: Bäume in der Stadt. Blau-Grüne Infrastrukturen: Gemeinsam Planen, Bauen und Pflegen. AQUA & GAS No 10, 14–18

Richter, M. und Dickhaut, W., 2023: Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung an Baumstandorten. In: Dujesiefken, D.; Amtage, T.; Streckenbach, M. Jahrbuch der Baumpflege. 99 – 119. Haymarket, Braunschweig.

Stoisser, 2023: Das Stockholmer Pflanzsystem in der Stadt Graz – vom Pilotprojekt zur bewährten Standardbauweise. In: Dujesiefken, D.; Amtage, T.; Streckenbach, M. Jahrbuch der Baumpflege. 120 – 132. Haymarket, Braunschweig.

UPC, 2023: Wurzeln und Wasser – Gesunde Pflanzen in der Schwammstadt. 

VIII. Tagung „Wie funktioniert Stadtgrün besser?“ www.upc.phytomedizin.org

Zimmermann, D., 2022: Die Schwammstadt für Bäume – ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit im Untergrund. ProBaum 1; 3 – 10

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11. DEUMESS-Fachkongress 2025: Digitalisierung, KI und Interoperabilität im Fokus

11. DEUMESS-Fachkongress 2025: Digitalisierung und KI im Fokus
Digitalisierung und KI als Treiber der Branche machte Christopher Hoffmann von craft IT in seinem Vortrag „Nutzt du schon KI – oder digitalisierst du noch?“ deutlich. Gerade im Bereich Messen und Steuern und letztlich im Auswerten der gewonnenen Daten ist oft die Entscheidung für eine neue Unternehmenssoftware überlebenswichtig. Updaten der alten Software hilft nicht weiter. Grafik entnommen aus dem Vortrag „Nutzt du schon KI – oder digitalisierst du noch?“ / Christopher Hoffmann

Der 11. DEUMESS-Fachkongress stand unter dem Motto „Messwesen digitalisieren – Energie. KI. Praxis.“ und versammelte über 250 Fachbesucherinnen und -besucher sowie 16 Aussteller aus den Bereichen Sensorik, Gateway-Systeme und Software im Hotel La Strada in Kassel.

Im Mittelpunkt standen die Fortschritte in der Digitalisierung des Messwesens, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und die Förderung von Interoperabilität zur Stärkung des Wettbewerbs.

Digitalisierung und KI als Treiber der Branche

Christopher Hoffmann von craft IT stellte in seinem Vortrag „Nutzt du schon KI – oder digitalisierst du noch?“ praxisnahe Anwendungen von KI im Submetering vor. Er betonte, dass KI nicht nur Prozesse automatisiert, sondern auch neue Dienstleistungen ermöglicht, die den Kundenmehrwert steigern.

Zukunftsforscher Maximilian Lude warf unter dem Titel „Ist das Zukunft oder kann das weg?“ einen Blick auf digitale Trends und Technologien, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen relevant sind.

Mieterstrom und Energiemanagement im Fokus

Magdalena Strasburger präsentierte erfolgreiche Mieterstrommodelle und Energiemanagementsysteme, die sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bieten. Sie zeigte auf, wie durch intelligente Steuerung und Nutzung von lokal erzeugtem Strom nicht nur die CO₂-Bilanz verbessert, sondern auch die Energieversorgung effizienter gestaltet werden kann.

Interoperabilität und Marktöffnung

Eine zentrale Diskussion drehte sich um die Interoperabilität von Messsystemen. In der Podiumsdiskussion „Aus der Praxis – Für die Praxis“ wurden Erfahrungen mit der Wettbewerbsübernahme und der Bedeutung offener Standards für den Markt erörtert. Es wurde deutlich, dass die Öffnung des Marktes durch gesetzliche Vorgaben Wirkung zeigt, jedoch noch praktische Hürden bestehen, insbesondere bei der technischen Umsetzung und der Vertragsgestaltung.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Immobilienverwaltung

Rechtsanwalt Martin Alter informierte über aktuelle juristische Themen, darunter die Anforderungen an die Auslesbarkeit von Geräten durch Drittanbieter und die rechtlichen Konsequenzen bei Verweigerung der Datenbereitstellung. Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland e. V., sprach über die Herausforderungen und Anforderungen für Immobilienverwalter der Zukunft, insbesondere im Kontext der Digitalisierung und des Energiemanagements.

Fazit: Aufbruch in eine digitale Zukunft

Der 11. DEUMESS-Fachkongress zeigte eindrucksvoll, dass die Digitalisierung des Messwesens und der Einsatz von KI nicht nur technische Herausforderungen, sondern auch immense Chancen für neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen bieten. Die Branche befindet sich in einem Transformationsprozess, der durch Interoperabilität, rechtliche Klarheit und innovative Technologien vorangetrieben wird. Die Veranstaltung bot eine wertvolle Plattform für den Austausch von Erfahrungen und die Diskussion über die Zukunft des Messwesens in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft.

Gerd Warda

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Verteilnetze – das vergessene Rückgrat der Energiewende?

Verteilnetze – das vergessene Rückgrat der Energiewende?
Umspannwerk: Bei der Energiewende stehen oft die Übertragungsnetze im Fokus. Jetzt erst rücken die Verteilnetze in den Blick. Foto: picture alliance / Caro/Ruffer

Während die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energien in der öffentlichen Diskussion viel Aufmerksamkeit erhalten, bleiben die Probleme der Verteilnetze fast unsichtbar. Dabei sind sie der zentrale Schlüssel für die Integration erneuerbarer Energien, den Hochlauf der Elektromobilität und die Dekarbonisierung der Industrie.

Ein Thema auf dem Deutschen Ingenieurtag (DIT) 2025 im Düsseldorf in der Fachsession Energie waren die „Verteilnetze: das vergessene Rückgrat der Energiewende“. Energieexperte Dr. Tim Meyer stellte sich hier zu den Fragen: Wo wir stehen? Wie wir Zeit gewinnen und wie wir die Netze fit für die Zukunft machen?

Herr Dr. Meyer,  Sie haben einmal gesagt, dass die Verteilnetze das vergessene Rückgrat der Energiewende sind. Warum wird ihre Bedeutung unterschätzt?

Tim Meyer: Das liegt an zwei Hauptpunkten. Erstens sind mögliche Engpässe im Übertragungsnetz früher sichtbar geworden – etwa in Form von Redispatch-Maßnahmen, wenn Windstrom aus dem Norden nicht nach Süden transportiert werden kann. Zweitens ist die Auseinandersetzung mit den Verteilnetzen sehr mühsam. Denn es ist kleinteilig und vielschichtig.

Das Thema ist also regulatorisch und organisatorisch sehr komplex und es tut noch nicht überall richtig weh – es wurde deshalb lange verdrängt.

Welche Versäumnisse gab es in den vergangenen Jahren?

Tim Meyer: Hier gibt es zahlreiche Ebenen. Die drei wichtigsten sind aus meiner Sicht der politische Rahmen, die Digitalisierung und die fragmentierte Organisation.

Politischer Rahmen: Ein riesiges Versäumnis war, dass in der Politik lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass der Strombedarf trotz Energiewende nicht steigt. Noch unter Minister Altmaier wurden Prognosen veröffentlicht, die keine steigenden Strommengen vorsahen. Die Netzbetreiber hatten also keinen sinnvollen Planungsrahmen. Erst die letzte Bundesregierung hat in sich halbwegs schlüssige Mengengerüste vorgelegt, in denen der Stromverbrauch massiv steigt, vor allem durch Elektrifizierung von Mobilität, Wärme und Industrie. Auch der zusätzliche Stromverbrauch muss in die Verteilnetze. Doch bis letztes Jahr fehlte die systematische Netzplanung, die uns darauf vorbereitet.

Digitalisierung: im Betrieb sind viele Verteilnetze auf den unteren Spannungsebenen noch weitgehend „black box“. Smart Meter gibt es kaum. Und auch in der Planung und in den Geschäftsprozessen sind viele Verteilnetzbetreiber nicht ausreichend digitalisiert, es fehlen elektronische Planungsdaten sowie Anfragewege und werden händisch Formblätter ausgefüllt etc. In vielen Feldern fehlen auch noch die Standards für einheitliche Datenerhebung und Prozesse. Aber Digitalisierung ohne Masse ist zu teuer.

Fragmentierung: Wir haben über 860 Netzbetreiber. Der kleinste Netzbetreiber ist um den Faktor 1000 kleiner als der größte. Wir haben hunderte Softwaresysteme, verschiedene Details bei technischen Anschlussbedingungen, Ausschreibungen, Geschäftsprozesse und vieles mehr. Das treibt die Kosten und verlangsamt die Weiterentwicklung. Hier bräuchten wir einheitliche Standards und weniger Betreiber.

Wie schlägt sich das konkret in der Netzplanung nieder?

Tim Meyer: Bis vor kurzem gab es keine übergreifende Planung der Verteilnetze. Erst 2024 mussten alle Netzbetreiber eine durchgängige Netzplanung vorlegen, die die o.g. Mengengerüste für Verbrauch, Einspeiser, Ladeinfrastruktur usw. berücksichtigt. Auch vorher haben die Netzbetreiber in größeren Planungsregionen für sich geplant – aber ohne abgestimmte Prämissen und ambitionierte Energiewendeziele.

Digitalisierung könnte hier helfen. Wie weit sind die Verteilnetze in diesem Bereich?

Tim Meyer: Leider sind die Verteilnetze auf den unteren Spannungsebenen oft noch eine Blackbox. Viele Netzbetreiber wissen gar nicht genau, was in ihrem Netz passiert, weil sie nicht über die notwendige digitale Infrastruktur verfügen. Dies führt zu einer schlechten Auslastung der Netze. Außerdem sind die Geschäftsprozesse nicht digitalisiert. Wer heute eine Netzanfrage stellt, muss oft wochen- oder monatelang warten, weil die Prozesse noch weitgehend manuell laufen oder einzelne Abteilungen z.B. in der Netzplanung völlig überlastet sind. Hier helfen auch keine kürzeren gesetzlichen Auskunftsfristen, denn diese sind schlicht unrealistisch.

Hinzu kommt die große Zahl an Netzbetreibern. Welche Probleme ergeben sich aus dieser Fragmentierung?

Tim Meyer: Über 860 Netzbetreiber sind einfach viel zu viel. Jeder hat eigene Standards, eigene Systeme, eigene Technik, muss eigene Kompetenz vorhalten und Entscheidungen treffen. Das führt zu einem enormen Overhead – in der Verwaltung, in Planung und Betrieb, in der technischen Umsetzung. Kein Unternehmen würde sich bundesweit so aufstellen. Hier braucht es eine massive Konsolidierung. Aber da die Verteilnetze kommunal organisiert und Teil der Daseinsvorsorge sind, ist das ein politisches Minenfeld.

Was wäre kurzfristig möglich, um bereits existierende Netzengpässe zu entschärfen?

Tim Meyer: Wir müssen die bestehenden Netze intelligenter nutzen. Hier gibt es durchaus das Potenzial, uns Zeit zu kaufen. Zum Beispiel indem wir viel mehr Speicher einsetzen. Der gezielte Einsatz hilft Lastspitzen zu glätten. Batteriespeicher sind inzwischen günstig und könnten helfen, Engpässe zu vermeiden. Doch bisher werden Speicher oft als Störfaktor betrachtet, weil sie sich nach Strompreisen und nicht nach Netzbedarfen richten. Hier verfolgen Batteriespeicherbetreiber und Netzbetreiber unterschiedliche Ziele. Hier brauchen wir dringend klare Regeln, die Speicher als Teil der Netzstabilisierung ermöglichen.

Es gibt auch Ideen zur besseren Nutzung der bestehenden Netze.

Tim Meyer: Ja, eine große Chance liegt darin, Netze überzubelegen, indem beispielsweise Solar- und Windanlagen an denselben Netzanschluss gelegt werden. Die aktuelle Regulierung ermöglicht das erst seit Kurzem. Auch solche Maßnahmen erlauben es, mehr Leistung ans Netz zu bringen ohne mehr Kupfer verlegen zu müssen. Gleichzeitig wird dieses Kupfer dann besser ausgelastet. Schließt man mehr Solarleistung an oder zusätzliche Windleistung, kann diese zwar in wenigen Stunden des Jahres mit gleichzeitig höchster Produktion aller Anlagen nicht vom Netz aufgenommen werden. In den meisten Zeiten fließt aber mehr Strom durch diese Betriebsmittel als wären sie genau auf die Leistung einer einzelnen Solaranlage ausgelegt.

Wie dringend ist der Handlungsbedarf?

Tim Meyer: Wir haben auf der Einspeiseseite bereits Probleme. In manchen Regionen gibt es mehr Erzeugung als das Netz aufnehmen kann. Hier können neue Solar- und Windprojekte deshalb nicht ans Netz angeschlossen werden. Das bremst die Energiewende. Aber auch auf der Verbrauchsseite gibt es Engpässe – beispielsweise, wenn Netzbetreiber lange brauchen, um den Anschluss neuer Wallboxen oder Wärmepumpen freizugeben. Diese strukturellen Probleme müssen dringend angegangen werden. Standardisierung und Digitalisierung bergen hier einen deutlichen Effizienzgewinn.

Gibt es Zahlen, wie viel sich durch eine bessere Organisation einsparen ließe?

Tim Meyer: Die Forschungslage ist hier überraschend dünn. Es gibt aber Schätzungen, dass durch eine Konsolidierung der Netzbetreiber und durch effizientere Strukturen Milliardenbeträge eingespart werden könnten. Die Bundesnetzagentur sammelt jetzt mehr Daten, um Transparenz zu schaffen. Doch solange jede Kommune ihr eigenes Netz betreiben möchte, bleibt die politische Debatte schwierig.

Was muss jetzt passieren?

Tim Meyer: Kurzfristig müssen wir den Bestand intelligenter nutzen – wie beschrieben durch bessere Planung, Digitalisierung und Speicherintegration. Langfristig braucht es aber auch eine Reform der Netzorganisation. Sonst drohen weiter hohe Kosten, lange Genehmigungszeiten und ein ineffizientes System. Wir müssen den Verteilnetzen endlich die Aufmerksamkeit geben, die sie verdienen.

Herr Dr. Meyer, danke für den tiefen Einblick in die Verteilnetze-Thematik.

Das Gespräch führte Gudrun Huneke

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Fünf Gründe für ein Balkonkraftwerk

Fünf Gründe für ein Balkonkraftwerk
Auch an kleinen Balkonen kann eine Mini-PV-Anlage installiert werden. Wichtig: Die Sonneneinstrahlung muss passen. Foto: Debeka/Adobe Stock

Balkonkraftwerke werden immer beliebter. 2024 hat sich die Anzahl der Steckersolargeräte in Deutschland auf etwa 780.000 mehr als verdoppelt. Die Debeka, eine der größten Versicherungen und Bausparkassen in Deutschland, weiß, was für die Mini-PV-Anlagen spricht.

Energiekosten senken

Die erzeugte Solarenergie wird direkt ins Hausnetz eingespeist und kann sofort genutzt werden. So verringert sie den Bedarf an Energie aus dem öffentlichen Stromnetz, senkt also die Stromrechnung. Die Modulleistung kann bis zu 2.000 Watt Peak betragen, ins öffentliche Netz dürfen allerdings nur 800 Watt eingespeist werden.

Wer Solarstrom zu dem Zeitpunkt nutzt, wenn er erzeugt wird, hat die optimale Energieausbeute.

Der Strom, den das Balkonkraftwerk produziert, reicht allerdings nicht aus, um den kompletten Energiebedarf eines Haushalts zu decken. In der Regel können damit aber Router sowie Standby-Geräte, Fernseher, Computer und der Kühlschrank betrieben werden.

Umweltfreundliche Energiegewinnung

Solarenergie ist eine saubere, nachhaltige Energiequelle. Die Umwandlung von Solarenergie in Strom lässt keine Treibhausgase entstehen. Das Nutzen dieser erneuerbaren Energie reduziert den eigenen CO2-Fußabdruck und ist ein Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz.

Einfache Installation

Balkonkraftwerke sind einfach zu installieren: „Plug and Play“, also Stecker in die Steckdose einstecken und sofort Strom produzieren, heißt die Devise bei vielen Modellen. Das macht sie attraktiv für Mieter und Menschen, die eine unkomplizierte Lösung suchen.

Lokale Bauvorschriften müssen allerdings ebenso berücksichtigt werden wie die korrekte Befestigung, damit sie bei Wind nicht weggeweht werden. Mieter müssen ihre Vermieter fragen, wenn sie eine Mini-PV-Anlage installieren möchten.

Die Zustimmung verweigern dürfen diese allerdings nur in seltenen Fällen. Spätestens einen Monat nach Inbetriebnahme muss das Balkonkraftwerk im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur angemeldet sein.

Geringer Platzbedarf

Mini-PV-Anlagen benötigen wenig Platz: Sie können am Balkongeländer, an der Hausfassade befestigt werden oder auf einem Flachdach, der Terrasse oder im Garten mit einem Montagegestell. Wichtig: So anbringen, dass über den Tag verteilt möglichst viel Sonne und wenig Schatten auf die Solarpanels fällt.

Langfristige Investition

Solarmodule haben eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Die meisten Wechselrichter haben eine Garantie von zehn bis 15 Jahren. Meist hat sich die Investition nach zwei bis fünf Jahren amortisiert und führt langfristig zu einer Ersparnis.

Wie Balkonkraftwerk absichern?

Gegen Schäden zum Beispiel durch Hagel, Sturm und Überspannung können Mieter ein Balkonkraftwerk in der Regel über die Hausratversicherung absichern, als Eigentümer über die Wohngebäudeversicherung, wenn die Anlage fest mit dem Gebäude verbunden ist.

Beschädigt man ein Balkonkraftwerk, das man nicht besitzt, ist das ein Fall für die Haftpflichtversicherung. Ebenso, wenn die eigene Mini-PV-Anlage jemand anderem einen Schaden zufügt.

Dr. Gerd Benner

Quelle: Debeka Allgemeine Versicherung AG

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Wirksame Maßnahmen für Klimaschutz – Weniger Fleisch essen, weniger fliegen, mehr dämmen oder ?????

Klimaschutz: Weniger Fleisch, weniger fliegen, mehr dämmen ???
Quelle: Stiebel Eltron

Die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland irren bei der Frage nach der Wirksamkeit unterschiedlicher Klimaschutz-Maßnahmen: „Weniger mit dem Flugzeug fliegen“, „Weniger Fleisch essen“, „Ökostrom nutzen“ und „Wohngebäude dämmen“ werden von der Bevölkerung als die wichtigsten Hebel genannt.

Tatsächlich geht der größte Teil der CO2-Emissionen privater Haushalte jedoch direkt auf das Konto fossiler Brennstoffe, die für die Wärmeerzeugung eingesetzt werden: 82 Prozent der Endenergie, die ein Haushalt benötigt, wird für Heizung und Warmwasserbereitung genutzt.

Übrigens: Jedes Jahr importiert Deutschland fossile Brennstoffe im Wert von im Schnitt 81 Milliarden Euro. Das entspricht im Durchschnitt 2,5% des Bruttoinlandsprodukts oder fast 1.000 Euro je Einwohner pro Jahr.

Private Haushalte verbrauchen mehr Energie als die Industrie

„Die Ergebnisse des Energie-Trendmonitors 2025 zeigen sehr deutlich, dass die Deutschen auf dem Weg zur privaten Energiewende nicht ausreichend informiert sind“, sagt Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Stiebel Eltron. „Private Haushalte verbrauchten mit 679 Terrawattstunden (TWh) im Jahr 2023 mehr Endenergie als die Industrie (668 TWh). Und im Haushalt ist nun mal die Heizung der mit Abstand größte Energieverbraucher und damit auch größte CO2-Erzeuger.

Damit ist der Austausch bestehender Öl- und Gasbrenner die effektivste Maßnahme, die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland ergreifen können, um ihren eigenen CO2-Fußabdruck deutlich zu verringern. Vor allem ist es eine der einfachsten Möglichkeiten, die auch noch ohne Komforteinbußen einhergeht und in den allermeisten Fällen einer Öl- oder Gasheizung auch wirtschaftlich überlegen ist.“

Aktuell bewerten jedoch laut Energie-Trendmonitor 2025 rund drei Mal so viele Menschen die „Einschränkung von Flugreisen“ als Top-Klimaschutz-Maßnahme. „Weniger Fleisch essen“ oder „Wohngebäude zu dämmen“ halten die Verbraucher ebenfalls für wirksamer als den Umstieg auf eine Green-Tech-Heizung.

Staat fördert Heizungswechsel mit bis zu 70% der Investitionskosten

Mit Blick auf den Kampf gegen den Klimawandel in Deutschland sind Öl- und Gasheizungen aus Sicht der Verbraucher allerdings ein Auslaufmodell: 70 Prozent würden sich beim Wechsel auf ein neues Heizungssystem gegen einen Ölbrenner entscheiden, 60 Prozent lehnen eine Gasheizung ab. „Den Wechsel auf eine klimafreundliche Wärmepumpenheizung fördert der Staat aktuell noch mit bis zu 70 Prozent der Investitionskosten“, sagt Detlef Neuhaus. „Private Haushalte sollten jetzt zügig die Chance nutzen, Kostenvorteile mit wirksamem Klimaschutz zu verbinden.“

Quelle: Stiebel Eltron / gw

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