Gehölzverwendung in der Schwammstadt – Chancen und Risiken

Prof. Dr. habil. Hartmut Balder, Institut für Stadtgrün

Wohnungswirtschaft und grüne Infrastrukturen sind seit jeher in der Stadtentwicklung eng miteinander verknüpft. Die Planung attraktiver urbaner Lebensräume gelingt nur dann, wenn sie stetig auf veränderte Rahmenbedingungen eingeht und konsequent neue Erkenntnisse zur Optimierung der Konzepte und Prozesse nutzt.

Die soeben beschlossene deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel 2024 (DAS) fordert in Erfüllung des Bundesklimaanpassungsgesetzes (2023) die gesicherte Aktivierung von Stadtgrün, um Hitzebelastungen zu reduzieren (BMUV, 2024).

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Die grüne Stadt der Zukunft muss daher weitsichtig und mit Lebenszyklusansatz geplant werden, das gilt insbesondere für die funktionale Gehölzverwendung mit dem Ziel, belastbare Infrastrukturen zu entwickeln und transparent Unterhaltungskosten vorherzusagen (Bundesstiftung Baukultur, 2024).

Dieser Anspruch muss auch bei der Einführung einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung gelten und ist aktuell beim Ansatz des Schwammstadtprinzips mit dem Ziel einer vitalen Gehölzverwendung von großer Bedeutung. Die aktuelle politische Diskussion und Förderung der Sanierung der urbanen Infrastrukturen sollte daher auf breiter Front genutzt werden.

Einleitung

Die Klimaveränderungen der letzten Jahre mit Starkregenereignissen, Hochwasserfluten, Sturmereignissen und längeren Hitze- bzw. Trockenzeiten haben die Diskussion um einen Paradigmenwechsel im Umgang mit dem urbanen Wasserhaushalt auch in der Wohnungswirtschaft ausgelöst.

Mit der visionären Forderung, Regenwasser aus den Kommunen und Städten nicht mehr abzuleiten, sondern es für die Grundwasserneubildung, zur Bewässerung des Stadtgrüns und zur Abkühlung aufgeheizter Wohngebiete zu nutzen (Weißbuch Stadtgrün; Nationale Wasserstrategie; Klimaanpassungsgesetz), sind vielerorts dezentrale Regenwasserbewirtschaftungssysteme in der praktischen Erprobung (Grimm u.a., 2022; Rehfeld-Klein u.a., 2019; Richter u. a., 2023) (Abb. 1).

Allerdings betreiben nur einzelne Städte derartige Projekte seit längerer Zeit, u.a. Berlin, Kopenhagen, Stockholm. Ihre kritische Betrachtung ermöglicht es, den Wissensstand über das reale Gehölzwachstum unter veränderten Regenwassereinflüssen zu mehren (Alvem u. a., 2023; Balder u.a., 2018).  

Zur Abmilderung der Klimaentwicklungen und in Hinblick auf einen radikalen und kostenintensiven Umbau von Wohnsiedlungen müssen alle Aspekte bedacht und durch wissenschaftliche Studien abgeklärt werden, bevor mit gesicherten Erkenntnissen Standards formuliert werden können. Sie müssen zwangsläufig weit über die Konzeption von Mulden oder Rigolen mit Pflanzenbewuchs hinausgehen, die nach aktuellen Werbeaussagen schon jetzt dauerhaft Regenwasser sicher versickern lassen und in speziellen Subtraten und Zisternen gespeichert werden können.

Da sich aus neuen Strategien gleichermaßen Chancen und Risiken für Baumwachstum, Grundwasserneubildung und urbaner Infrastruktur ergeben, sind Besonnenheit und kritische Experimentierbereitschaft Grundlage für einen langfristigen Erfolg in der Weiterentwicklung von Wohnsiedlungen.

Anfängliche Bedenken müssen daher ernst genommen werden und bedürfen der gezielten Aufarbeitung (Balder, 2025; Doobe u.a., 2023; GALK, 2024; Richter u. a., 2023; Stoisser, 2023). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der aktuellen Schadensmeldungen aus Naturkatastrophen des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV, 2024). Die Anforderungen der Siedlungswasserwirtschaft, der Stadtbegrünung und der Umweltvorsorge müssen bei scheinbar immer größeren Starkregenereignissen in sicheren Zukunftskonzepten zusammengeführt werden.

Baumwachstum und Grundwasserentwicklung

Wasser beeinflusst auf vielfältige Weise die vitale und räumliche Wurzelentwicklung von Gehölzen (Balder, 1998). Während Jungbäume in der Lage sind, in der Etablierungsphase eines Standortes bei guter Bodenluft mit der Zeit tiefere Bodenschichten zu erreichen und aus dem Grundwasser ihren Wasserbedarf zu decken, sind Altbäume hierzu nur bedingt fähig (Abb. 2).

Abb. 2: Baum- und Wurzelentwicklungen und Wasserhaushalt – Anpassungen und Folgen bei Veränderungen

An Standorten mit hohem Grundwasserstand hingegen bilden die gleichen Baumarten flache, weitstreichende Wurzelsysteme aus, so dass ihre Standsicherheit dort eingeschränkt und ihre Sensibilität auf Grundwasserschwankungen zunehmen kann. Windwürfe nehmen daher bei erhöhter Sturmbelastung im Klimawandel zu (Abb. 3).

Abb. 3: Flaches Wurzelsystem bei hohem Grundwasserstand und Windwurf

Die Voraussetzung für ein vitales langjähriges Baumwachstum in Wohngebieten ist daher ein stabiler Wasserhaushalt. Vielerorts haben in der Siedlungsgeschichte die dichte urbane Bebauung, großräumige Bodenversiegelungen und unkontrollierte Eingriffe in den Wasserhaushalt, insbesondere bei Baumaßnahmen, zu sinkenden Grundwasserpegeln in den Stadtzentren geführt (Meyer, 1982).

Während die einen Baumbestände sich in ihrer Wurzelausbreitung in der Tiefe anpassen konnten, erlitten andere großräumig merkliche Trockenschäden (Balder, 1998). Um Baumausfälle zu verhindern, haben daher viele Städte zwischenzeitlich Baumschutzsatzungen erlassen und bemühen sich, die Grundwasserstände stabil zu halten und sogar wieder zu erhöhen. Mit dem Pegelanstieg ist aber die Gefahr der Staunässe insbesondere bei älteren Bäumen verbunden.

Mit den Klimaveränderungen werden tendenziell die Winter feuchter und die Sommer trockener, die Schwankungen darüber hinaus dynamischer. Die Auswirkungen spiegeln sich real in klein- und großräumigen Grundwasserveränderungen wider und werden kontinuierlich im sog. Dürre-Index dargestellt (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung; Deutscher Wetterdienst).

Hieraus folgt, dass bei der Konzeption und Ausweisung von punktuellen Regenwasseranlagen (u.a. Mulden, Baum-Rigolen) in Wohngebieten bis hin zu größeren Schwammstadtquartieren, zunächst die historische und aktuelle Grundwassersituation evaluiert werden muss, um bei vorhandenem Altbaumbestand die Wurzelsituation und hieraus ableitend die Gefahren für die Baumgesundheit einschätzen zu können. Eine gewünschte Regenwasserversickerung darf nicht dazu führen, dass das Grundwasser nennenswert ansteigt, wenn vorhandene Altbäume nachfolgend durch Staunässe und Wurzelfäule belastet werden (Abb. 2). Jungbäume sind hingegen in der Lage, sich noch oberflächennah anzupassen.

Die aktuelle Forderung nach Wiedervernässung von Mooren im Rahmen der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur (EU Restoration Law, 2024) und die damit zu erwartenden steigenden Grundwasserpegel müssen daher ähnlich kritisch begleitet werden, um negative Auswirkungen auf Stadtbäume in benachbarten Wohnsiedlungen auszuschließen. Dies muss im Fokus der deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel für das Jahr 2030 stehen, denn nur ein vitales und gesundes Stadtgrün ist leistungsfähig und erreicht große Baumkronen mit der anzustrebenden Überschirmung der Stadt (BMUV, 2024).   

Bislang liegen von Schwammstadtprojekten keine Studien zu den tatsächlichen Auswirkungen auf die lokalen Grundwasserstände vor, da viele Projekte sich noch im jungen Pilot-Stadium befinden. Ein Grundwassermonitoring auf städtischer Ebene zur Baumentwicklung erscheint daher erforderlich, um sowohl die gewünschten Bewässerungseffekte nachzuweisen als auch bei absehbarer Unverträglichkeit Baumschäden vorzubeugen. In jedem Fall ist in der Planungsphase eine Standort bezogene Differenzierung in der Gehölzverwendung mit Weitsicht empfehlenswert.

Es ist daher ratsam, konventionelle Baumkataster, die von der Wohnungswirtschaft bislang nahezu ausschließlich zum Nachweis der Verkehrssicherheit betrieben werden, künftig um Daten zur physiologischen Entwicklung der Baumbestände zu erweitern. Hierdurch wird die Basis für eine nachhaltige Entwicklung einer Immobilie gelegt.

Ähnliches gilt auch für Hochwasserereignisse. Immer häufiger treten Überschwemmungen nicht nur im Frühjahr, sondern nach Starkregenereignissen und bei trockenen Böden in der sensiblen Vegetationsperiode auf. Sie verursachen neben manuellen Schäden unmittelbar und mittelfristig Wuchsbeeinträchtigungen überfluteter Baumbestände.

Je nach Dauer des Hochwassers, der Empfindlichkeit der Baumart und der Bodensituation reagieren die Bäume infolge der Sauerstoffarmut mit kurzzeitiger Kleinblättrigkeit (Abb. 4), Regeneration, Absterben und mit den Jahren mit einer geringen Standfestigkeit. Aktuelle Studien geben Hinweise auf die Bedeutung der Thematik und mahnen die Beachtung der laufenden Arbeiten zur Gehölzverträglichkeit bei der Optimierung der Schwammstadt an (Balder u.a., 2016; GALK, 2024).

Abb. 4: Kleinblättrigkeit und Absterben infolge von Sommer-Überflutungen bei Linde (Herrenkrugpark, Magdeburg)

Die Gesamtproblematik der Pflanzenverwendung und ihre Verträglichkeit in der Schwammstadt wurde bereits bei Tagungen kontrovers diskutiert, ohne dass die planende Praxis sich hieran aktiv beteiligt hat (UPC, 2023; DGGL, 2023; BdB, 2024). Andererseits wird bei der FLL an einer Überarbeitung und Zusammenführung der aktuellen Regelwerke gearbeitet, u.a. den Empfehlungen für Baumpflanzungen und den Regelwerken der Wasserwirtschaft.

Der bisherige Erfahrungs- und Wissensstand muss für die Akteure in der Wohnungswirtschaft die Grundlage für ein verantwortungsvolles Handeln sein.

Gehölzentwicklung in der Schwammstadt – quo vadis?

Konventionell werden dezentrale Regenwasserversickerungsanlagen überwiegend mit Gräsern bepflanzt, da die Versickerung durch die bewachsene Oberbodenschicht einen i.d.R. erforderlichen Reinigungsschritt zum Schutz des Grundwassers darstellt. Die geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik in Deutschland sehen bisher keine darüberhinausgehende gezielte Bepflanzung von Mulden vor, formulieren aber auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Bepflanzung mit Bodendeckern, Gräsern oder Hochstauden (vgl. DWA Arbeitsblatt A 138).

Eine Verwendung von Gehölzen wird hingegen eher kritisch gesehen, da grundsätzliche Fragen der Wasserwirtschaft noch der Klärung bedürfen, u.a. ein potenziell negativer Einfluss der Wurzelsysteme auf die langfristige Funktionalität der Anlagen, der Eintrag von unerwünschten Stoffen in das Grundwasser. Die Konzeption von Mulden an Streusalz belasteten Straßen wird klar abgelehnt (DWA A 138).

Als Chance soll die Zufuhr von Regenwasser die kostenintensive Bewässerung bei Bäumen in Wohnsiedlungen ersetzen, ein vitales Gehölzwachstum mit ortsprägenden Bäumen ermöglichen und durch Verdunstung und Transpiration kühlende Wirkung entfalten. Dies setzt Funktionalität eines komplexen Systems im Lebenszyklusmodell voraus.

Abb. 5: Deutliche Wuchsförderung von Straßenbäumen unter Muldeneinfluss (rechts konventionell)

Die wenigen vorliegenden Untersuchungen von Projekten mit 15 bis 25jährigen Laufzeiten belegen eine nachhaltige Förderung des Pflanzenwachstums unter Muldeneinfluss im Vergleich zu konventionellen Pflanzenstandorten. Baumalleen entwickeln sich homogen, die Belaubung ist dicht und von einer guten Nährstoffversorgung gekennzeichnet (Abb. 5).

Offensichtlich werden mit dem Niederschlagswasser zusätzlich Nährstoffe den Bäumen auf diese Weise zugeführt. Trocken- und Hitzeschäden werden deutlich reduziert. Dies ist zweifelsfrei der verbesserten Wasserversorgung zuzuschreiben, aber auch einer weiträumigen Standortverbesserung durch die Muldenbauweisen selbst verglichen mit herkömmlichen Pflanztechniken (Balder u.a., 2018).

Die sich entwickelnden Wurzelsysteme der Bäume breiten sich auf der Suche nach Wasser vorrangig länglich in der Muldenmitte aus und entwickeln einen Großteil ihrer Wurzeln im organisch angereicherten Oberboden (Abb. 6). Senkerwurzeln bewirken gleichzeitig bislang eine sichere Verankerung der Bäume.

Abb. 6: Wuchsorientierung der Wurzelsysteme hin zur Muldenmitte

Dabei entwickeln sie kräftige Starkwurzeln, so dass sie an ihren zugewiesenen Standorten bei räumlicher Enge seitlich der Mulden Bordsteinkanten durch- und unterwachsen mit folgenschweren Verdrückungen, Belagshebungen und – zerstörungen (Abb. 7). Dies kann dadurch verhindert werden, indem seitlich Wurzelbarrieren eingebaut werden. Insbesondere muss aber eine Baumart in Hinblick auf den erforderlichen Wurzelraum gewählt werden, d. h. Muldenbreiten von 1,5 bis 3 m lassen nur die Verwendung von Sträuchern oder kleinwachsenden Baumarten zu.

Abb. 7 : Schäden an der technischen Infrastruktur und Reparaturmaßnahmen

Eine messbare Abkühlung von Hitzeinseln setzt aber Großbäume mit zu erzielenden Großkronen und entsprechender Überschirmung voraus. Dies ist nur bei entsprechend großdimensionierten Straßenquerschnitten oder auf Plätzen in Wohnsiedlungen zu realisieren.

Abb. 8: Unterwachsen von Straßenkörpern durch aggressive Baumarten (z. B. Pappel)

Bleiben die Wurzeln oberflächennah, führen Pflegegänge in grasbewachsenen Mulden zu mechanischen Wurzelschäden. Bei einseitiger Ausstattung von Straßen mit Mulden sind aggressive Baumarten in der Lage, unter Asphaltbelägen hindurch zu wachsen, um die „Wasserquelle“ zu erreichen (Abb. 8). Die Schäden und Reparaturaufwendungen sind entsprechend.

Mit der Zunahme der Kronengröße werden begleitende Vegetationsflächen beschattet, so dass u.a. Bodendecker, Rosen, Stauden und Sträucher unter Lichtmangel leiden und sich individuell zurückziehen. Hierunter leidet die Ästhetik von Gestaltungsgrün, auch verlieren die Anpflanzungen ihre Barriere-Wirkungen, so dass Trampelpfade entstehen (Abb. 9).

Abb. 9: Gut entwickelte Kronen und Schattierung der Bodenvegetation mit Wuchsbeeinträchtigungen

Die Planungspraxis wartet aktuell auf eine Empfehlungsliste zur Gehölzverwendung in Regenwasseranlagen speziell in Wohnsiedlungen. Die bislang verwendeten Baum- und Straucharten sowie Stauden wachsen allesamt gut, abgesehen von den Wurzelproblemen konnten grundlegende Entwicklungsunterschiede bislang nicht erkannt werden. Es bedarf dringend eingehender Studien, um diese Gehölzliste aufzustellen.

Die Risiken von Fehlentwicklungen und Schäden an den technischen Infrastrukturen sind erheblich und setzen umsichtige Planungen voraus, Dienstleister sind mit langjähriger Verantwortung hier besonders gefordert. Hieraus ergeben sich vielfältige Pflegemaßnahmen, die konsequent zum Schutz der Investitionen mitgedacht und durchgeführt werden müssen (Balder u.a., 2022).

Abb. 10: Absterbende Bäume in der Schwammstadt bei Trockenheit

Mit der Standzeit nimmt auch der Wasserbedarf der an gute Wuchsbedingungen gewöhnten Bäume zu. Hieraus folgt, dass mit den Klimaveränderungen auch in Wohnquartieren nach dem Schwammstadtprinzip Bäume gewässert werden müssen, um Ausfälle zu vermeiden (Abb. 10). Dies kann sich kleinräumig sehr unterschiedlich darstellen, da Punkteinläufe das Regenwasser nicht gleichmäßig verteilen, z. B. in Mulden.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe von Wohnungswirtschaft heute. Teil 2 von „Gehölzverwendung in der Schwammstadt – Chancen und Risiken“. Hier beschäftigt sich Prof. Dr. Hartmut Balder, mit der Funktionalität von Baummulden und hinterfragt, inwieweit sie gefährdet sind. Ferner wird der wichtige Aspekt „Gestaltung mit Gehölzen“ behandelt.

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