Die komplexe Frage der Finanzierung

Nachhaltige Vergabeelemente können quer über den gesamten Beschaffungsprozess verankert werden. Dafür ist eine frühzeitige Planung essenziell. Wird auch das ausführende Unternehmen früh in das Projekt eingebunden, steigen die Erfolgsaussichten deutlich.
BERND AFFENZELLER

Öffentliche Auftraggeber:innen sind bereits durch gesetzliche Vorgaben verpflichtet, bei Vergabeverfahren auf die Umweltgerechtheit der Leistung Bedacht zu nehmen. Private Bauträger:innen sind freier in der Gestaltung ihrer Verträge und Leistungskataloge. Doch sowohl bei gemeinnützigen als auch bei gewerblichen Bauträger:innen gewinnen „grüne Vergaben“ an Bedeutung. „Nachhaltigkeitskriterien und grüne Vergaben werden oft vor allem mit der Erfüllung der Taxonomie-Verordnung oder entsprechenden Nachhaltigkeitszertifikaten assoziiert“, erklärt Daniel Deutschmann von Heid & Partner Rechtsanwälte.

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Nachhaltigkeit bedeute jedoch nicht zwangsläufig eine Zertifizierung. Vielmehr liegt der Fokus darauf, sowohl die Interessen der Endkund:innen als auch die der Gesellschaft zu berücksichtigen, mit den neuesten Forschungserkenntnissen maßgeschneiderte Lösungen zu finden und die CO₂-Bilanz zu optimieren.

Dazu zählen etwa optimierte Grundrisse und Bauteile, die Verwendung langlebiger und ökologischer Materialien sowie auf die jeweilige Nutzung abgestimmte Heiz- und Kühlsysteme oder die Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen. „Um nachhaltige und gleichzeitig wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen treffen zu können, ist es entscheidend, die Bedürfnisse der Endkund:innen zu verstehen, kontinuierlich am Ball der fortschreitenden Entwicklung zu bleiben und darauf entsprechend zu reagieren“, ergänzt Veronika Achammer, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der BEO Baumanagement GmbH.

Nachhaltige Vergabeelemente können quer über den gesamten Beschaffungsprozess verankert werden. Dies kann durch die Leistungsbeschreibung, die Festlegung der technischen Spezifikationen, die Vergabekriterien oder einen Leistungsvertrag erfolgen.

„Für die erfolgreiche Umsetzung, insbesondere von über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Nachhaltigkeitskriterien, ist eine frühzeitige Planung essenziell“, so Achammer. Die wesentlichen Kriterien sollten von öffentlichen wie auch privaten Auftraggeber: innen bereits vor Projektbeginn definiert werden, bevor die Leistungen ausgeschrieben und vergeben werden. Dabei spielen die Architekt:innen eine zentrale Rolle.

„Durch die richtige Wahl von Materialität und Konstruktion werden schon in den ersten Konzeptionen wesentliche Entscheidungen getroffen“, erklärt Bernhard Weinberger vom Architekturbüro WUP. In Abwägung unterschiedlicher Faktoren wie der städtebaulichen Situation, den vorhandenen Umwelteinflüssen aber auch den baurechtlichen Beschränkungen und ökonomischen Grenzen ergebe sich ein Spielraum, den die Architekt: innen gemeinsam mit den Bauträger: innen abstecken können.

Die übliche Entkoppelung von Planung und Ausführung kann laut Daniel Deutschmann aber auch zum Problem werden: „Im Zusammenhang mit neuen, unerprobten Nachhaltigkeitszielen ist eine präzise Formulierung der Ausschreibungsunterlagen oft schwierig.“ Die Erstellung verschiedener Planungsvarianten kann dabei helfen, die besten Lösungen zu finden. Damit die Ökobilanz für jede Variante richtig ermittelt werden kann, müssen die Planer: innen aber bereits wissen, welche konkreten Produkte bei welcher Variante verwendet werden sollen. „Deshalb ist es hilfreich, das ausführende Unternehmen mit Early Contractor Involvement frühzeitig in das Projekt einzubinden, um die konkreten Produkte festzulegen“, so Deutschmann.

Wohnbau von Heimbau Eisenhof – völlig ohne fossile Energie

Ökologische Baumaterialien

„Bei Wiener Bauträger:innenwettbewerben ist die Ökologie seit jeher eine der vier Säulen, nach denen eine fachübergreifende Jury die eingereichten Projekte beurteilt“, erklärt Andreas Gabriel vom Architekturbüro WUP. Nachhaltigkeitskriterien werden dabei gleichwertig mit der architektonischen Qualität und wirtschaftlichen Parametern berücksichtigt. „In den aktuellsten Ausschreibungen der Bauträger: innenwettbewerbe in Wien wurde zusätzlich das Thema Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund gerückt und so zu einem zentralen Thema der Ausschreibungen und Beurteilungen“, so Gabriel.

Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft sind daher entscheidende Faktoren und Beurteilungskriterien. Zudem zwingen die Wohnbauförderungskriterien laut Stefan Härtl, Geschäftsführer der gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft „Schönere Zukunft“, die gemeinnützige Wohnungswirtschaft förmlich dazu, nachhaltig zu agieren und „grüne Vergaben“ zu bevorzugen.

Dass Nachhaltigkeitskriterien bei der Vergabe von Wohnbauprojekten eine große Rolle spielen, bestätigt auch Hermann Koller, stellvertretender Obmann der gemeinnützigen Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft Heimbau. „Das reicht von der Wahl des richtigen Energiesystems bis zu ökologischen Baumaterialien, die bei unseren Projektentwicklungen aktuell ganz oben gereiht sind“, so Koller. Da das ökologisch beste Material aber nicht überall sinnvoll ist, sind diese Entscheidungsprozesse laut Koller „sehr wesentlich und langwierig“. Härtl sieht zudem große Herausforderungen in der normgemäßen Beurteilung von nachhaltigen Baustoffen. „Man denke etwa an das Thema Brandschutz bei Materialien wie Holz oder Stroh oder Festigkeit von Lehm.

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