„Der Weg und das Ziel sind allen klar“

Ernst Bach, Geschäftsführer der Sozialbau AG, über die Strategie bei „Raus aus Gas“ und den besten Weg zur Dekarbonisierung des Bestands.
MAIK NOVOTNY

Zentralisierung lautet das Zauberwort. Mit diesem System der schrittweisen Verlagerung von Gasthermen aus den Wohnungen im Bestand schafft die Sozialbau die Grundlage für den Ersatz durch erneuerbare Energien. Die Dekarbonisierung ist in vollem Gange, begleitet von Forschungs- und Pilotprojekten und dem Aufbau von Grätzl- Energiegemeinschaften. Im Gespräch erläutert Sozialbau-Vorstandsvorsitzender Ernst Bach, wie der klimagerechte Umbau im Wohnbau funktionieren kann, und welche Hindernisse dabei zu überwinden sind.

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Bis 2030 wollen Sie alle 7.000 Sozialbau- Bestandswohnungen dekarbonisieren. Geht sich das aus?

Wir können die Voraussetzungen dafür schaffen. Ob die Bewohner:innen sich dann tatsächlich anschließen, ist eine andere Frage. Ob es dann 2031 oder 2032 wird, ist weniger entscheidend, wichtig ist, dass wir die Grundlagen dafür schaffen – und das schaffen wir jedenfalls.

Sie verfolgen bei der Umstellung das Konzept der Zentralisierung, also der Zusammenlegung von Einzelthermen in Gemeinschaftsthermen als Vorleistungen für erneuerbare Energie.

Diese Zentralisierung haben wir jetzt in 70 Objekten abgeschlossen. Zwischenzeitlich ist das im Unternehmensverbund ein etablierter Standard. Wir haben uns zusätzlich vorgenommen, all unsere Häuser – dort, wo es technisch möglich ist – um zwei Grad zu temperieren, also herunterzukühlen. Auch diesbezüglich ist die Zentralisierung Voraussetzung. Die zentrale Frage ist dabei die Verfügbarkeit der Wärmequelle. Grundwasser in Verbindung mit einer Sole-Wärmepumpe und Erdsonden hat diesbezüglich den besten Wirkungsgrad. Steht kein oder zu wenig Grundwasser zur Verfügung nutzen wir Erdsonden zur Wärmespeicherung. Dafür haben wir einen Entscheidungsprozess etabliert und mit der Hausverwaltung für jedes Haus eine energietechnische Vision entwickelt.

„Wichtig ist, dass wir die Grundlagen schaffen.“

Ernst Bach

Wie sieht dieser Prozess genau aus?

Wir haben vor elf Jahren begonnen, eine Prognose-Software zur Kalkulation des Instandhaltungsaufwands zu entwickeln. Darin werden alle für die Kalkulation relevanten Parameter eingetragen. So erhalten wir die Darstellung des Instandhaltungsaufwands der nächsten 50 Jahre. Dieser Überblick liegt uns jetzt flächendeckend für alle Wiener Objekte vor. Die entscheidende Frage ist aber: Was schafft der Markt? Es handelt sich immerhin um ein Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro – nur was den energietechnischen Bereich anbelangt. Finanzieren können wir das. Der Markt wird das aber nicht leisten können, weil es zu wenige Installateure gibt. Wie lässt sich also dieses Auftragsvolumen marktkonform realisieren? Wo bekommen wir die Kapazitäten her? Wir haben dazu intensiven Kontakt mit der Wirtschaftskammer und anderen Institutionen im In- und Ausland.

Welche Rolle spielten die Bewohner: innen, wenn es um die Dekarbonisierung geht? Wie macht man ihnen den Abschied von der Gastherme schmackhaft?

Das sehe ich recht entspannt. Wir haben bei der Zentralisierung Anschlussquoten von sieben bis acht Prozent pro Jahr und bislang gar keine negativen Erfahrungen. Wichtig ist gute, bewohnerorientierte Information. Manche Bewohner:innen buchen sofort einen Anschlusstermin an die Gemeinschaftstherme, andere wollen noch warten. Das heißt: Die Bewohner: innen sehen es als Angebot, welches sie in ihre Lebensplanung einordnen und das sie – wenn es für sie opportun erscheint – in Anspruch nehmen. Wenn sie sich nicht anschließen, bleibt alles beim Alten. Mit dem Unterschied: Irgendwann wird es für die Bewohner:innen, die sich nicht an die Gemeinschaftstherme anschließen, viel teurer. Aber das ist die freie Entscheidung jedes einzelnen.

Welche Rolle spielen Pilotprojekte bei der Vorbildwirkung?

Wir sind insgesamt an 28 Forschungsprojekten beteiligt. Das bindet natürlich Ressourcen und ist aufwendig, aber dieser Aufwand hat sich gelohnt. Denn das, was wir uns im Zuge dieser Prozesse angeeignet haben, ist unbezahlbar. So viel wie in den letzten zwei Jahren werden wir in unserem Leben nie wieder lernen können. Auch dank einer tollen Mannschaft, die stark in all diese Forschungsprojekte involviert war.

Neben den Sanierungen wird immer noch gebaut. Was sind Ihre Diagnosen und Prognosen für den Neubau?

Der Neubau stagniert ein bisschen, und das liegt vor allem am Mangel an Grundstücken zu erschwinglichen Konditionen und auch an fehlenden Widmungen. Es war sehr klug von der Stadt, die Widmung „geförderter Wohnbau“ einzuführen, weil sie die Erwartungshaltung der Grundbesitzer:innen dämpft und nachhaltig leistbaren Wohnraum sicherstellt. Der zweite ist, dass die Stadt über den Wohnfonds Liegenschaftsbevorratung betreibt.

Ernst Bach, gelernter Maschinenschlosser, Absolvent der HTL für Maschinenbau und Betriebstechnik und ausgebildeter Immobilientreuhänder, ist seit 1991 bei der Sozialbau tätig. Er fungierte als Geschäftsführer der HOB (Hausservice Objektbewirtschaftungs GmbH) und war als Leiter der Abteilung „Allgemeine Dienste“ für die Hausverwaltung zuständig. 2015 rückte er in den Vorstand auf, heute ist er Vorstandsvorsitzender und Direktor für das Bestandsmanagement.

Lassen sich Klimaziele und Leistbarkeit unter einen Hut bringen, oder muss man irgendwo Abstriche machen und Kompromisse eingehen?

Ich glaube nicht, dass die Energiewende am Neubau scheitert. Die Bauteilaktivierung war früher ein großer Kostentreiber, heute nicht mehr. Wenn man heute ein paar Erdsonden unter den Bodenplatten installiert, treibt das die Kosten nicht dramatisch in die Höhe. Aber wenn wir alle Grundstücke zupflastern, wird sich die Lebensqualität reduzieren. Meiner Meinung nach wird es künftig deutlich mehr Nachverdichtung und Aufstockungen brauchen, die die Politik natürlich entsprechend auch subventionieren sollte.

Voriges Jahr ist das geplante Erneuerbare- Wärme-Gesetz nicht zustande gekommen. Brauchen wir strenge gesetzliche Rahmenbedingungen, oder lässt sich die Energiewende eher mit Anreizen umsetzen?

Ich kenne jetzt niemanden, der nicht weiß, was wirklich zu tun wäre. Die Frage ist, wie man politische Mehrheiten schafft, die das Umsetzen ermöglichen. Die Welt braucht nicht die Aussage von Herrn Bach, um zu wissen, was zu passieren hat. Der Weg und das Ziel sind allen klar.

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