Weniger ist mehr

Mit dem Thema des 80. Symposiums zur Zukunft des Wohnens „Wieder einfach bauen?“ trafen die Organisatoren, das Fachmagazin WohnenPlus in Kooperation mit der Tageszeitung Der Standard, offensichtlich genau den Nerv der Bauträger, wie auch der planenden und ausführenden Bauwirtschaft. Eine zentrale Botschaft gab es: Einfacher bauen muss das Ziel sein, trotz Komfort und Qualität: Weniger ist mehr.
GISELA GARY

Wenn es über 100 Teilnehmer bis nach St. Pölten schaffen, kann das nur als Bestätigung für das richtige Thema gelten. Der Saal der Hypo Niederösterreich war bestens gefüllt. „Einfacher bauen, weniger Vorschriften, nach dem sehne ich mich schon seit Jahren“, schmunzelt eine Architektin aus Krems in der Hoffnung auf Antworten. Die lieferten einerseits die Expert:innen aus der Praxis wie auch aus Planung und Politik. Michael Swoboda, Leiter Großwohnbau der Hypo Niederösterreich, und Wolfgang Viehauser, Sprecher des Vorstands, begrüßten die Gäste in „ihrem“ Haus.

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Die Eröffnung begannen die beiden Herren gleich mit einer Zusage: „Ja, wir sind davon überzeugt, es muss wieder einfacher gebaut werden. Und wir können das ermöglichen, leistbarer Wohnraum als zentrales Element steht bereits in unserer Gründungsurkunde.“

Swoboda ergänzt: „Die GBV sind wichtige Partner für uns. Besonders ist, dass es die GBV sind, die Wohnraum für alle Generationen schaffen, denn auch kleine Gemeinden brauchen die Durchmischung.“ Obwohl das Bankengeschäft um rund 50 Prozent eingebrochen ist, zeigten sich Swoboda und Viehauser optimistisch.

Michael Swoboda, Leiter Großwohnbau der Hypo Niederösterreich, und Wolfgang Viehauser, der Sprecher des Vorstands, eröffneten mit viel Optimismus das 80. Symposium zur Zukunft des Wohnens.

Fabian Blomeyer von der Bayerischen Architektenkammer präsentierte in seiner Keynote die Lösung für einfacheres Bauen: Den Gebäudetyp E – von der Idee zum Gesetz: „Wir konnten das wirklich rasch zu Papier bringen. Rund zehn Prozent der Regelungen sind technische Baubestimmungen – 90 Prozent sind sogenannte anerkannte Regeln der Technik, da können wir einiges weglassen. Rund 3.000 Normen gibt es im Bauwesen und jedes Jahre kommen neue dazu. Bauen ist systemisch kompliziert und teuer geworden. Der Gebäudetyp E erlaubt mehr Freiheit bei der Planung und Genehmigung.“

Aktuell wurden 19 Pilotprojekte definiert, zuvor muss jedoch die neue deutsche Bundesregierung den Gebäudetyp E offiziell als Gesetz anerkennen und die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen unter definierten Voraussetzungen zulassen. Zwei Hürden, Blomeyer hofft, diese mit Ende des Jahres aus dem Weg geräumt zu haben.

Fabian Blomeyer, Geschäftsführer Recht und Verwaltung der Bayerischen Architektenkammer, beeindruckte die Teilnehmer mit den Details zum Gebäudetyp E.

Für ihn ist klar: „Das Bauen muss wieder an seinen Kern zurückgeführt werden, es muss günstiger und einfacher werden.“ Er führte einige Beispiele an: „Risse sind kein Risiko für die Statik, sondern ein rein optischer Mangel. Aber auch Fussbodenaufbauten können einfach schlanker werden. Laubengänge sind eine Lösung für weniger aufwendigen Brandschutz, oder wir können auch auf Puffer bei der Heizlastberechnung verzichten.“ Das Publikum applaudierte euphorisch – und reagierte auf seine Keynote mit einer Vielzahl an Fragen und großem Interesse.

Nutzer:innen im Zentrum

Keine Einigkeit, dafür ein umso regerer Schlagabtausch herrschte in der Expert: innendiskussion zwischen Christof Anderle, leitender Projektentwickler bei Wien-Süd, Walter Bäuml, Technischer Bereichsleiter Strabag, Katharina Fröch, Fröch Architekten ZT GmbH und Vorsitzende der Sektion Architekten in der Bundeskammer der Ziviltechnikerinnen, sowie Isabella Stickler, Alpenland. Katharina Fröch bestätigte, dass einfacher zu bauen bereits in schlanken Konstruktionen möglich wäre – und ja, mit Laubengängen erspare man sich aufwendigen Brandschutz.

Walter Bäuml definiert einfaches Bauen als leistbaren Wohnraum: „Wir müssen das Bauen gesamt betrachten – vom Grundstück bis zum Bau und Betrieb. Wir versuchen, das Thema mit seriellem Bauen zu beantworten. Das ist unser einfaches Bauen, bei dem wir rund zehn Prozent mehr Fläche bei niedrigeren Baukosten schaffen.“ Isabella Stickler sieht das als einen Weg, aber sicher nicht für alle Bauaufgaben, und den Bestand will sie ebenso miteinbeziehen: „Wir haben zwingende Bauvorschriften, aber alles darüber hinaus müssen wir abspecken. Der Knackpunkt ist aber die Rechtssicherheit – die verlangen jeder Bauherr und auch die Bewohner:innen.“

Christof Anderle führt den Wohnbau Theresienfeld als Best Practice an: „Einfach zu bauen heißt, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren und das haben wir dort gemacht, mit Wärmepumpe, Photovoltaik, Bauteilaktivierung und einfachen, flexiblen Grundrissen haben wir zwar keinen Lowtech-Bau errichtet, aber sehr einfach und technisch abgespeckt gebaut – dennoch stehen die Nutzer:innen im Zentrum.“

Stickler sieht den Gebäudetyp E für den Bestand als rasch umsetzbare Lösung und betont zugleich, dass die Wohnbauförderung mit Themenschwerpunkten definiert werden sollte.

Spannende Diskussion der Expert:innen: Fabian Blomeyer, Christof Anderle, Wien-Süd, Moderatorin Franziska Leeb, Isabella Stickler, Alpenland, Walter Bäuml, Strabag, Katharina Fröch, Vorsitzende der Sektion Architekten in der Bundeskammer der Ziviltechnikerinnen

Zu viele Regulative

Der politischen Debatte stellten sich Sven Hergovich, Landesrat für Kommunale Verwaltung und Baurecht, SPÖ Niederösterreich, und Selma Arapović, Sprecherin für Wohnen, Stadterneuerung und Stadtentwicklung, NEOS. Der Wohnbau ist zu kompliziert, und ja, es gibt zu viele Regulative, dieser Aussage stimmten beide Politiker zu, Arapović ergänzt: „Dazu kommen noch die neun Bauordnungen und neun Wohnbauförderungen und laufende Ergänzungen der Bauordnungen.“ Hergovich räumt ein, dass es auch durch die EU einen gewissen Änderungszwang der Bauordnungen gibt.

Die OIB-Richtlinien wurden ja auch nach jahrelangen Diskussionen vereinheitlicht: „Aber der Leidensdruck in der Politik muss schon sehr hoch sein, bis etwas geändert wird“, schmunzelt Arapović. Einig waren sich beide, dass die Sicherheit bei einer Vereinfachung der Regeln oder der Vereinheitlichung der Bauordnungen nicht verloren gehen darf.

Politische Debatte: Sven Hergovich, Landesrat für Kommunale Verwaltung und Baurecht, SPÖ Niederösterreich, und Selma Arapović, Sprecherin für Wohnen, Stadterneuerung und Stadtentwicklung, NEOS

„Aber wir könnten z. B. die Wohnbauförderung für bestimmte Leistungen verdoppeln – wenn leistbarer Wohnraum geschaffen wird, oder für Sanierungen“, so Hergovich. Und natürlich könnten Bundesländer wie Wien und Niederösterreich dabei vorpreschen – und sich auf eine gemeinsame Bauordnung und eine Wohnbauförderung einigen.

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