Simone Grassauer studierte Rechtswissenschaften und hat einen Master für Öffentlichkeitsarbeit. Sie hat bei Sedlak Immobilien ihr Wissen zum Thema nachhaltiges Bauen aufgebaut und ist seit 2023 Geschäftsführerin der Scale GmbH, ein Unternehmen, das Ökobilanzierungen von Gebäuden und Beratung für nachhaltiges Planen und Bauen anbietet.
Rekordhitzetage und -tropennächte in den Städten, Ernteausfälle und Dürreschäden durch die extreme Trockenheit, das dritte Jahrhundertregen-Ereignis seit 2012 mit Schäden in Millionenhöhe – auch der Sommer 2024 hat uns die Auswirkungen des globalen Klimawandels spüren lassen. Wir spüren es im Alltag, die Schlafqualität nimmt ab, das Arbeiten ohne Klimaanlage ist ab Mittag nur noch eingeschränkt produktiv, die Allergiesaison dauert länger.
Überproportional betroffen von den sich verändernden Bedingungen sind einmal mehr auch in Österreich diejenigen, die zu diesem Wandel am wenigsten beitragen: Ältere Menschen, Menschen mit geringem Einkommen, mit gesundheitlichen Einschränkungen, Migrationshintergrund oder niedrigem Bildungsstand, Kinder und Alleinerziehende. Sie leben in schlechteren Wohnverhältnissen, sind weniger mobil und verursachen deutlich weniger Treibhausgas-Emissionen als die oberen Einkommensschichten (lt. Studie des BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz). Und sie leiden gleichzeitig mehr an den Folgen, weil sie sich schlechter davor schützen können.
Einkommensschwache Haushalte haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, in energieeffiziente Kühlung oder Verschattung zu investieren. Auf der anderen Seite ist es für Vermieter: innen wenig interessant bis nicht leistbar, umfassende energetische Sanierungen vorzunehmen, Fassadenbegrünungen zu finanzieren oder nachhaltige Kühlmöglichkeiten der Wohnungen zu ermöglichen, wenn sie die Kosten dafür nicht an die Mieter:innen weitergeben können. Förderungen bringen jenen etwas, die ein Investitionsbudget für Adaptierungen haben. Das Wissen darüber ist vor allem bei Menschen mit niedriger Bildung und/oder Migrationshintergrund außerdem begrenzt. Es kommt immer wieder vor, dass sie einem Heizungstausch raus aus Öl oder Gas in ihren Wohnungen nicht zustimmen.
Ziel muss es daher sein, Anreizsysteme zu schaffen, damit noch viel intensiver in Maßnahmen zum Klimaschutz bzw. gegen die Auswirkungen des Klimawandels investiert werden kann, zum Wohle auch der vulnerablen Bevölkerung.
Winfried Kallinger startete nach seinem Studium der Rechtswissenschaften 1987 als Bauträger. Seine Immobiliengruppe Kallinger Projekte konzentriert sich mit eigenen Innovationen auf energieautarke und baukulturell relevante Konzepte mit städtebaulichem Schwerpunkt. Er unterrichtet an der Fachhochschule für Immobilienwirtschaft und ist Vortragender an der Universität Wien.
Dass das Klima sich wandelt und die Erderwärmung deutliche Folgen für unsere Lebensumstände hat, ist mittlerweile wohl unbestreitbar geworden und etwas dagegen tun zu müssen, sollte längst nicht mehr eine Frage der Ideologie, sondern einfach ein Gebot der Vernunft sein. Das Problem hoher Energiekosten als besonders im Bereich der Mietwohnungen nur schwer steuerbarer Teil der Wohnkosten betrifft natürlich in besonderem Maß Menschen mit geringerem Einkommen. Wenn die Frage, ob man sich das Heizen noch leisten kann, zum lebensbestimmenden Problem wird, zeigt sich eine Schieflage in unserer Gesellschaft, die längst einer fernen Vergangenheit angehören sollte. Es ist im Grunde beschämend, dass soziale Unterschiede heute noch an solchen banalen Fragen der Lebenswirklichkeit zutage treten müssen.
Die Wärmepumpe oder das Solardach auf dem eigenen Haus wären natürlich eine feine Lösung, sind aber eben nur einer glücklicheren Bevölkerungsschicht zugänglich. Das Pensionist:innenpaar oder die Jungfamilie in der kleinen Altbaumietwohnung können davon nur träumen und ein veraltetes Mietrecht aus der Zeit des vermeintlichen Energieüberflusses hilft dabei ebenso wenig wie Energiekostenzuschüsse, die nur die Wirkung von Wundpflastern haben. Es wäre also höchste Zeit, die Sache gesamthaft in Angriff zu nehmen und ideologische Scheuklappen zu vergessen. Schließlich haben Hauseigentümer:innen und Immobilieninvestor: innen auch nichts davon, wenn steigende Mietausfälle das Investment unsicher machen.
Die steuerlichen Anreize zur Wohnungssanierung in den 1990er-Jahren haben einen ungeheuren Aufschwung zur Hebung des Wohnstandards und zur Verbesserung des Bestands gebracht. Sicher lässt sich das nicht so einfach auf die heutigen Anforderungen übertragen, aber die Brücke zwischen den Interessen der Vermieter:innen und Mieter: innen zu bauen, scheint mir bei nüchterner Betrachtung nicht unmöglich, jedenfalls aber unverzichtbar, soll die Kluft zwischen Opfern des Wandels und denen, die etwas dagegen tun können, nicht weiter aufgehen.