Themen, die die Geister scheiden

Wohnbau nach Themen scheidet die Geister – Architekten finden diese Vorgabe zum Großteil gut, weil sie damit klar die Bauherrenwünsche abgesteckt sehen.
Bauträger fühlen sich zum Teil wiederum eingeengt. Doch wie sieht es in der Praxis tatsächlich aus? Wir haben einen Praktiker gefragt und uns als Contrapart die Meinung aus der Forschung angehört.
GISELA GARY

PRO

Mit dem Themenwohnen gelingt es, spezielle Zielgruppen anzusprechen und damit spezielle Bedürfnisse und nicht nur die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Wohnen im Allgemeinen zu erfüllen.

KommR Mag. Michael Gehbauer
Geschäftsführer, Wohnbauvereinigung für Privatangestellte

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Die Auseinandersetzung mit bestimmten „Wohnthemen“ bietet die Chance, sich mit speziellen Aspekten des Wohnens intensiver zu beschäftigen. Das können Themen wie z. B. Intergenerationenwohnen, Seniorenwohnen, Ökologie oder auch Migration sein, aber ebenso auch konkrete Vorgaben wie die spezielle Verwendung von Baumaterialien, oder Rahmenbedingungen für Bewohner wie bspw kostengünstiges Bauen und Wohnen, Energiesparen, Anwendung von speziellen Technologien, etc. Wir haben diesbezüglich keine Berührungsängste. Auch mit unseren Planern sehen wir diese speziellen Vorgaben als Anstoß für einen kreativen Prozess. Dadurch können nämlich Erkenntnisse für das „Regelwohnen“ gewonnen werden und diese in die allgemeinen Planungskriterien von Unternehmen übernommen werden. Themenwohnen bietet meiner Meinung aber auch die Chance, „eine Geschichte zu erzählen“, dadurch bekommen Projekte eine spezielle Unverwechselbarkeit und unterscheiden sich deutlich von anderen Projekten. Ich sehe aber auch noch einen weiteren Aspekt: Die Identifikation der Bewohner mit dem „eigenen Projekt“ nimmt zu, wenn neben dem Zusammenwohnen auch ein gewisses Bekenntnis zu einem Thema als verbindendes Element hinzukommt. Mit dem Themenwohnen gelingt es spezielle Zielgruppen anzusprechen und damit spezielle Bedürfnisse und nicht nur die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Wohnen im Allgemeinen zu erfüllen.

CONTRA

Ein Gebäude, das 80 Jahre oder länger stehen bleibt, zur Gänze nach einem momentan gerade aktuellen Motto auszurichten, halte ich für wenig nachhaltig.

Dipl.-Ing. Dr. Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald
Wohnwirtschaftliches Referat, Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen

Wohnbauten nach Themen festlegen? Gut, wenn es zur Identifikation der zukünftigen Bewohner mit dem Ort beiträgt, die Kreativität der Planenden anregt und nicht allzu einengend ist, kann das aus stadtplanerischer Sicht durchaus sinnvoll sein. Doch sobald ein sehr spezifisches Thema zu einer bestimmenden Idee bei Wettbewerben wird und Förderungen von diesem Thema abhängen, beginne ich an der Sinnhaftigkeit zu zweifeln. Anstelle in die Bedarfsanalyse wird die Planungsenergie dann ins Themen-Branding gesteckt – und bisweilen an der Nachfrage vorbeigeplant. Ein Gebäude, das 80 Jahre oder länger stehen bleibt, zur Gänze nach einem momentan gerade aktuellen Motto auszurichten, halte ich für wenig nachhaltig. Natürlich hängt das aber vom konkreten Thema ab. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Was passiert, wenn sich die Lebensstile, Mobilitätswünsche oder Alltagsabläufe ändern (vielleicht schneller oder langsamer, als wir uns das heute vorstellen) – kann das „gebrandete“ Wohnviertel die Veränderungen mitmachen? Das beste Thema ist möglicherweise die Flexibilität und Offenheit – für viele(s). Ein Thema, das wir jedenfalls nicht weiter forcieren brauchen, ist „exklusiv“ und „Luxus“. Wohnungen mit diesem Marketinglabel gibt es in Wien schon mehr als genug – und allzu oft leerstehend.

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