Sozialer Mehrwert versus Betriebskosten

Wie schafft man als frei finanzierter Developer von Eigentumswohnungen soziale Nachhaltigkeit? Gar nicht so einfach. Das meint zumindest Michael Neubauer, Geschäftsführer der NOE Immobilien Development GmbH, NID. Er träumt davon, in seinen Projekten alte und junge Käufer zu vernetzen und aktive Nachbarschaft anzuregen.
WOJCIECH CZAJA

Das vorliegende Heft befasst sich mit dem Thema Sozialmix und Flexibilität im Wohnbau. Darf ich fragen, wie Sie selbst wohnen?

Meine allererste Wohnung war eine geförderte Mietwohnung, doch nun bin ich schon ein bisschen älter, und auch ich habe mir – wie viele andere auch – den Traum vom eigenen Einfamilienhaus gegönnt und verwirklicht. Über Bekannte bin ich auf eine schöne Liegenschaft gestoßen, und zwar in Wiener Neustadt, und habe mir darauf ein Haus gebaut.

Michael Neubauer
- Anzeige -

Inwiefern schlagen sich soziale, flexible, nachhaltige Qualität in Ihrem eigenen Wohnen nieder?

Ehrlich gesagt nicht allzu stark. Das Wohnen im Einfamilienhaus ist ein irgendwie egoistisches Wohnmodell, und gerade in einer Einfamilienhaussiedlung mit anderen egoistischen Wohn- und Lebensmodellen rundherum ergeben sich im Alltag manchmal weniger soziale Kontakte, als man sich wünschen würde. Unterm Strich ist das Einfamilienhaus auf der grünen Wiese eine wenig nachhaltige Wohnform, die zum Glück nicht alle wollen.

Michael Neubauer

Und wie ist das in Ihrem beruflichen Milieu, in der NOE Immobilien Development GmbH?

Deutlich besser! Ich denke, unser Portfolio ermöglicht eine gute Mischung aus egoistischem Wohnen und doch auch sozialem, nachbarschaftlichem Miteinander. Wir kombinieren verschiedene Wohnungsgrößen und Wohnungsqualitäten miteinander, sodass sich von einem Objekt möglichst viele potenzielle Interessenten angesprochen fühlen – von der günstigen, kompakten Kleinstwohnung, wo größere Feste und Geburtstagsfeiern in einen Gemeinschaftsraum ausgelagert werden können, bis hin zu größeren Wohnungen, wo sich die Bewohner hoffentlich so sehr in die Gemeinschaft integriert haben, dass sie bei der Geburtstagsfeier dann ihre eigenen Nachbarn einladen.

Michael Neubauer

Wie oft passiert das?

Leider viel zu selten. Der ganz normale Wohnalltag sieht so aus, dass man in der Tiefgarage parkt, mit dem Lift nach oben fährt und hinter sich die Wohnungstür zusperrt. Wir als Immobilienentwickler können das Leben nicht kontrollieren und können niemandem vorschreiben, wie er oder sie zu wohnen hat. Wir können nur möglichst attraktive Projekte entwickeln, die ein Miteinander fördern und schmackhaft machen.

Michael Neubauer
- Anzeige -

Welche sozialräumlichen Qualitäten findet man denn in Ihren Projekten?

Die meisten unserer Projekte sind mit Gemeinschaftsräumen ausgestattet, manche Projekte sogar mit einem Fitness-Raum, einem Schwimmteich, einem Outdoor-Gemeinschaftspool, und in einem Projekt haben wir sogar schon mal einen UV-beleuchteten Einlagerungsraum zum Überwintern von Gartenpflanzen eingerichtet. Allerdings muss ich aus Erfahrung dazusagen: In den ersten drei Jahren nach Besiedelung wird das Angebot sehr gut angenommen, das soziale Engagement ist gut, die Begeisterung ungebrochen. Aber nach einigen Jahren lässt die Euphorie nach, und dann fängt die Arbeit an.

Michael Neubauer

Wie meinen Sie das?

Irgendwann denken die Leute nicht mehr in Komfort und in sozialem, kollektivem Mehrwert, sondern nur noch in Betriebskosten. Dann wird jeder Cent umgedreht, und vieles davon, was man als Bauträger konzipiert hat, wird plötzlich uninteressant und nur noch zu einem unnötigen Posten auf der jährlichen Betriebskostenabrechnung. In manchen Fällen sind wir gezwungen, das Angebot wieder einzustellen. Den UV-beleuchten Pflanzenraum beispielsweise mussten wir rückbauen, weil die Bewohner nicht mehr bereit waren, die Betriebskosten dafür zu übernehmen. In einer anderen Wohnhausanlage wiederum wurde der Pool vandaliert und zerstört.

Michael Neubauer

Das klingt deprimierend. Was tun Sie dagegen?

Man kann über Partner Mediation, Moderation, Konfliktmanagement und Informationsabende anbieten. Aber in einem Eigentumsobjekt sind uns als Errichter die Hände gebunden. De facto haben wir irgendwann einmal keinerlei Handhabe mehr. In jenen Objekten, die wir als Gesamtes an einen institutionellen Vermieter und Verwalter weiterverkaufen, können wir begleitend und beratend zur Seite stehen und bei Bedarf anbieten, ein Konfliktmanagement durchzuführen. Einige institutionelle Vermieter sind sehr kooperativ und sozial engagiert und nehmen so ein Angebot an, weil sie wissen, dass das eine nachhaltige Investition ist – andere nicht.

Michael Neubauer

Wie ist denn das Verhältnis zwischen Miet- und Eigentumsobjekten in Ihrem Portfolio?

Circa fifty-fifty. Aufgrund unseres aktuellen Projekts Quartier Mitte in St. Pölten, das ausschließlich Mietwohnungen aufweist, derzeit tendenziell 60:40. Aber: Wir behalten keinerlei Immobilien in unserem Bestand, sondern verkaufen alle weiter. 60 Prozent als gesamte Häuser an institutionelle Vermieter, 40 Prozent als parifiziertes Privateigentum an Endnutzer.

Michael Neubauer

Demografie und unterschiedliche Lebensmodelle für Menschen mit Anspruch auf Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I fordern auch einen größeren, flexibleren Mix an Wohnungstypologien. Wie begegnen Sie diesem Bedarf?

In Bereichen, wo dies relevant ist, ist man gefordert, moderner und neu zu denken. Und ja, gerade in ländlicheren Bereichen gibt es auf diesem Gebiet durchaus noch Nachholbedarf. Wir versuchen, bei all unseren Projekten einen guten Wohnungsmix zu bieten, wo jeder herzlich willkommen ist.

Michael Neubauer

Gibt es ein soziales Gemeinschaftsprojekt, von dem Sie träumen, das Sie gern einmal umsetzen würden?

In unseren Häusern gibt es zwei große Käufergruppen – zum einen die jungen Singles und Jungfamilien, die von Mama, Papa, Tante, Onkel, Oma, Opa eine Wohnung geschenkt bekommen, und zum anderen ältere Menschen, die in ihrer letzten Lebensphase ihr Einfamilienhaus verkaufen und sich verkleinern wollen, um barrierefrei und in einer aktiven Nachbarschaft zu leben. Ich würde mir eine Wohnhausanlage wünschen, wo ich diese Menschen vernetzen und zusammenbringen kann, indem sie einander im Alltag unterstützen und die vorhandenen Ressourcen nutzen.

Michael Neubauer
Michael Neubauer ist Geschäftsführer der NOE Immobilien Development GmbH (NID), die sich im Eigentum mehrerer institutioneller und privater Investoren befindet, u. a. der Hypo NOE Landesbank für Niederösterreich und Wien AG. Der Tätigkeitsschwerpunkt umfasst die Entwicklung von Wohnimmobilien in Niederösterreich und Wien, die entweder an Endkunden oder an institutionelle Vermieter verkauft werden. Mit einem jährlichen Projektvolumen von rund 300 Millionen Euro ist die NID einer der größten Developer auf dem ostösterreichischen Markt. 
www.nid.immo

Zum Beispiel?

Etwa Einkäufe oder behördliche Wege für Best-Agers oder für mobilitätseingeschränkte Personen, im Gegenzug dafür beispielsweise Babysitten, Kinderbetreuung oder Oma-Opa- Spieleabende, aber auch gemeinsames Urban gardening im Sinne eines kommunikativen Miteinanders. Ich weiß, in manchen Themenwohnbauten in Wien ist das bereits gelebte Praxis. In Niederösterreich muss sich ein derartiges Miteinander erst etablieren. Ich würde und werde gerne dazu beitragen, dies in die Realität umzusetzen.

Michael Neubauer

Haben Sie einen Wunsch für Niederösterreich?

Ja. Die Ansprüche an Architektur könnten vielerorts ausgeprägter sein. Generell wünsche ich mir mehr Baukultur und mehr gute, architektonische Gestaltung, die auch das Auge anspricht. Vor allem aber wünsche ich mir, dass das Thema Raumordnung nicht mehr bei den Bürgermeistern liegt, sondern zentralisiert und mit unabhängigen Experten auf Landesebene gehoben wird.

Michael Neubauer

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema