Baustelle Bestand – sanieren, weiterbauen, verdichten – war das Thema des 79. Symposiums: „Die Zukunft des Wohnens“ in Kooperation mit dem Standard. Der Andrang und das Interesse war groß, gefordert wurden ein höheres Verantwortungsbewusstsein der Eigentümer:innen und vor allem praktikable und unverzüglich realisierbare Lösungen.
— GISELA GARY
Nach der Führung durch die Ausstellung der Klima Biennale erläuterte Renate Hammer vom Institute of Building Research & Innovation das Forschungsprojekt zu dem Bachpotenzial Wiens als möglicher Weg, um die Stadt besser kühlen zu können. Das vierjährige, vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekt „ProBach“, untersucht die Durchflussmengen und die unterirdischen Verläufe der Wienerwaldbäche und wie diese wieder an die Oberfläche gebracht werden könnten.


Heike Oevermann, TU Wien, Professorin für Denkmalpflege und Bauen im Bestand, lieferte den Einstieg mit einem Appell zu einem radikalen Umdenken: „Die Bauwirtschaft denkt immer noch nicht in Lebenszyklen eines Gebäudes – die Bausubstanz muss so lange wie möglich erhalten werden. Dabei ist jedoch das ,Wie‘ entscheidend.“ Oevermann spricht vom Spannungsfeld zwischen Schutz und Veränderung sowie der Komplexität der Anforderungen und spricht sich für Langzeitbetrachtungen aus, die alle Aspekte eines Bauwerks umfassen – von den Materialien bis zur Funktion.


Heike Oevermann
„Wertschätzung, Wissen, Suffizienz, Prozesse und Innovation sind für mich dabei die wichtigsten Ansätze“, so Oevermann. Zum Potenzial, CO₂ zu reduzieren, plädiert Oevermann für eine Pro-Person-Berechnung und nicht pro Quadratmeter: „Denn nicht die Energieeffizienz ist das Thema, sonder die Vermeidung von fossiler Energie.“




Stellenwert Stadtplanung
Der Diskussion stellten sich Renate Hammer, Daniela Huber, Abteilungsleiterin der Sozialbau AG, Julia Lindenthal, Architektin und Wohnbauforscherin am Österreichischen Ökologie-Institut, Isabella Wall, Gesellschafterin bei Trimmel Wall Architekten ZT GmbH und Cilli Wiltschko, Abteilungsleiterin Projektentwicklung wbv-gpa.
Für Wiltschko ist das Thema Sanierung klar ein Verantwortungsbereich der Stadtplanung, der Stellenwert muss gesteigert werden: „Aber auch in puncto Widmung brauchen wir mehr Bewegung, es muss auch in bereits erschlossenen Bereichen mehr gebaut werden dürfen – mehr Volumen, mehr in die Höhe.“ Für die Sozialbau längst selbstverständlich: „Wir setzen stark auf Verdichtung. Doch wir müssen als GBV kostengünstig bauen, das ist gerade beim Nachverdichten oft ein Thema. Aber in der Sanierung treiben auch die Normen und diverse Auflagen die Kosten.“


Wall führte als Positivbeispiel die Sockelsanierung in Wien an. Die Frage von Hammer, ob denn Neubau billiger ist, beantworten die Praktikerinnen mit einem klaren Nein. Hammer erläutert: „Die Umbauordnung von Niedersachsen erlaubt, dass bestimmte Ziele aus den Normen und Auflagen nicht gelten – das finde ich eine gute Lösung.“ Einig war sich die Runde, dass Neubauten auch mehr Emissionen bedeuten – ein klares Signal für Lindenthal, dass die Sanierung forciert werden muss. Das Weiterbauen und Erhalten der Stadt und ihres Bestands ist komplex, aber machbar, so die optimistische Botschaft des Symposiums.
Tischfrage: Wie können Sanierungsprojekte für Bauherr:innen wie auch Mieter:innen attraktiver gemacht werden, um den Nachhaltigkeitsansprüchen zu entsprechen?


„Förderungen müssen stärker auf den Bestand ausgerichtet werden, und wir brauchen einen verpflichtenden Leerstandskataster. Ebenso braucht es eine gesellschaftliche Debatte darüber, dass die Transformation die Stadt weiterentwickeln darf.“
— Klaus Wolfinger, Wolfinger Consulting GmbH, Bauträgersprecher und Vize-Präsident ÖVI


„Sanierungsprojekte werden dann erfolgreich, wenn alle Beteiligten persönlich abgeholt werden. Zudem brauchen wir Instrumente, dass eine Wertschöpfung für allen Beteiligten erfolgt – dazu brauchen wir gesetzliche und fördertechnische Veränderungen.“
— Thomas Belazzi, Baugsund


„Es braucht mehr Information und PR für Eigentümer:innen, damit diese den Wert und den Mehrwert für alle durch die Sanierung verstehen.“
— Andreas Kallischek, Subito Projektmanagement GmbH


„Die Sanierungsförderungen müssen erhöht werden, da ist die Politik gefordert. Wichtig ist, dass die Mieter:innen in ihrer Wohnung bleiben können müssen. Die Partizipation ist dabei ein Erfolgsweg.“
— Lukas Oberhuemer, wohnbundconsult


„Eigentümer:innen und Mieter: innen müssen ins Boot geholt werden und wir müssen eine interdisziplinäre Beratung als Entscheidungsgrundlage bieten.“
— Horst Kottbauer, AMM Architektin Mautner Markhof


„Raus aus dem Paragrafendschungel ist unsere Devise, damit Sanierungen auch leistbar werden.“
— Georg Prack, Die Grünen, Wien


„Es müssen Anreizsysteme geschaffen werden – aber auch das Mindset muss verändert werden. Öffentliches Contracting wäre noch eine Option.“
— Beatrice Unterberger, Mischek Bauträger


„Eigentum verpflichtet. Ein Auto braucht auch eine Überprüfung und Instandhaltung – warum nicht auch Gebäude? Ein Hemmnis sehen wir auch in der obersten Bauinstanz der Bürgermeister:innen.“
— Peter Neundlinger