Georg Bursik ist Geschäftsführer des Baustoffproduzenten Baumit und zudem Vorstandsvorsitzender des Forschungsverbands der österreichischen Baustoffindustrie. Obwohl die Branche derzeit krisengebeutelt ist, zeigt er sich im Gespräch optimistisch.
— FRANZISKA LEEB
Das Familienunternehmen Baumit ist Österreichs führender Baustoffproduzent für Fassaden, Putze und Estriche. Die Rahmenbedingungen sind aktuell für die gesamte Bauindustrie nicht rosig oder zumindest herausfordernd. So hatte Baumit-Österreich im Jahr 2024 einen Umsatzrückgang von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Geschäftsführer Georg Bursik ist dennoch gut gelaunt und strahlt – auch wenn er durchaus Handlungsbedarf bei den politischen Rahmenbedingungen für die Bau- und Wohnungswirtschaft sieht – Zuversicht aus.
Sie machen einen sehr optimistischen Eindruck. Ist Entspannung in der Krise in Sicht?
Aus unserer Sicht kann ich nur sagen, dass das, was im vergangenen Jahr nicht im Rohbau aufgerichtet worden ist, heuer nicht mit unseren Putzen oder Vollwärmeschutz verkleidet werden kann. Nachdem der Rohbau wieder in Gang gekommen ist, kommen wir wieder zum Zug. Ich glaube, dass es 2026 soweit sein wird.
Woher dieses Vertrauen?
Irgendwann muss es wieder besser werden! Neben Deutschland ist Österreich eines der wenigen Länder, deren Bevölkerungsanzahl wächst. Die Menschen müssen irgendwo wohnen. 40.000 bis 60.000 Wohneinheiten werden derzeit jährlich gebraucht, von diesem Ziel ist man deutlich entfernt. Zudem gibt es stets einen gewissen Erneuerungsbedarf.
Was haben Sie von den Angeboten der letzten Bundesregierung zur Ankurbelung von Wohnbau und Sanierung gespürt?
Wohin die zwei Wohnbau-Milliarden hingegangen sind, weiß ich nicht. Bei unseren Kund:innen, bei unseren Baumeister: innen sind sie nicht angekommen, bei den Baustoffhändler:innen auch nicht. Und der Topf für den Sanierungsbonus des Umweltministeriums war im Dezember plötzlich leer. Ich gehe davon aus, dass es 2025 nichts geben wird, was ich angesichts der Budgetlage verstehe. Das wird uns natürlich treffen, aber es wird irgendwann einmal wieder weitergehen.
Haben Sie Wünsche an die neue Regierung?
Angesichts der jetzigen Budgetsituation neue Förderungen zu verlangen, ist schwierig. Aber man muss bedenken, dass die Bauindustrie für das Bruttoinlandsprodukt relevant ist und dementsprechend viele Arbeitskräfte beschäftigt. In mehrerlei Hinsicht gibt es Reformbedarf, um das Bauen zu erleichtern, ohne dass es die Steuerzahler: innen Geld kostet.
Zum Beispiel?
Es wäre wichtig, bürokratische Hürden abzubauen sowie die Bauordnungen zu entrümpeln. Weiters könnte man den Sanierungsbonus in Form von Steuererleichterungen neu aufsetzen. Derzeit gibt es kaum thermische Sanierungen und damit auch keine nennenswerten Einnahmen aus Lohnnebenkosten. Wenn man also zur Ankurbelung der thermischen Sanierung die Lohnnebenkosten verringert oder aussetzt, würde es nicht schlechter sein als der Status quo.
Das würde der CO2-Bilanz helfen und in einem arbeitskräfteintensiven Bereich stark zur österreichischen Wertschöpfung beitragen. Dem leistbaren Wohnbau würde eine Zweckwidmung der Wohnbauförderung helfen und generell wäre es gut, wenn wir wieder ein Bautenministerium hätten, in dem alle Bauagenden gebündelt sind, womit man der Baubranche mehr Sicherheit geben könnte.
Wäre es wünschenswert, wie in Deutschland auch in Österreich einen Gebäudetyp-e mit vereinfachten Anforderungen anzustreben, um das Bauen einfacher und kostengünstiger zu machen?
Ja, ich finde, man muss sich mit neuen Denkansätzen beschäftigen. Wie ich von den deutschen Kolleg:innen in unserer Firma höre, sehen sie darin eine Chance. Ein großer Kostenfaktor sind auch die verpflichtenden Stellplätze pro Wohnung. Warum kann es nicht auch Wohnungen ohne Stellplatz geben? Wenn ich das als potenzielle:r Mieter:in oder Käufer:in weiß, kann ich mich darauf einstellen. Die Baustoffe spielen beim Bauen die kleinste Rolle, die größte sind Vorschriften, Grundstückskosten und dergleichen.
Das müssen Sie mir genauer erklären. Alle Welt jammert über gestiegene Baustoffpreise.
Ja, sie sind teurer geworden. Beim Zement ist das zum einen ein Thema der gestiegenen Energiepreise. Bei den Stromkosten sind wir nach wie vor wahrscheinlich um das Doppelte bis Dreifache über dem Niveau vor der Pandemie und ich glaube auch nicht, dass wir so günstige Preise je wieder sehen werden. Wenn die Differenz dieser höheren Stromkosten in den Netzausbau investiert wird, dann ist das ja auch in Ordnung.
Das Zweite ist das Thema der geringer werdenden Zuteilung von CO2-Zertifikaten, die mittlerweile auch teuer sind. Und der dritte Aspekt sind die Lohnkostenerhöhungen. Da sprechen wir von 30 bis 35 Prozent Steigerung im Lauf der vergangenen vier Jahre. Das wird nicht runtergehen. Ich bin selbst bei den Lohnverhandlungen dabei. Negative Lohnabschlüsse hat es noch nie gegeben und das ist auch nicht sinnvoll.
Was ist abseits der wirtschaftlichen Herausforderungen aktuell das wichtigste Thema, mit dem sich die Branche beschäftigt?
Das Hauptthema, mit dem sich alle Unternehmen sehr stark beschäftigen, ist das Recycling von Baustoffen, wo die Massivbaustoffe im Vorteil sind. Und wir befassen uns intensiv mir der CO2- Reduktion bei Zement, was durch Rezepturen mit einem geringeren Klinkeranteil gelingt.
Wie sieht es mit Kreislauffähigkeit aus?
Da ist noch viel Wunschdenken im Spiel und das geht nicht bei allen Bauteilen im gleichen Ausmaß. Bei Fenstern ist das eine Illusion. Natürlich kann man die aus- und wieder einbauen. Aber wenn das ein Fenster aus den 1960er- Jahren ist, hat das maximal eine Zweischeibenverglasung und erfüllt nicht mehr die notwendigen technischen Funktionen.
Und im Neubau die Konstruktionen und Bauteile so anzulegen, dass sie 100 Jahre halten oder reparaturfähig sind, ist das auch eine Illusion?
Das halte ich für den absolut richtigen Weg. Ganz ehrlich! Man sollte Gebäude so bauen, dass man später die Innenräume anders konfigurieren kann. Man konnte das früher auch. Warum sollte es also heute nicht gehen? CO2- Neutralität zu erreichen, halte ich allerdings für schwierig, solange Menschen auf der Erde sind. Aber das Ziel soll schon sein, dass man die CO2-Bilanz der Baustoffe verbessert und Dinge länger nutzt und reparierbar macht.
Die Wärmedämmverbundsysteme stehen stark in der Kritik. Denken Sie, dass damit in absehbarer Zeit Schluss sein wird?
Aus einem Versuch mit der MA 39 in Wien wissen wir, dass die ältesten Wärmedämmverbundsysteme schon 60 Jahre alt sind. Klar sind die Putze nicht mehr so sauber, aber das ist kein Putz, der so alt ist. Aber technisch sind sie absolut funktionsfähig. Man kann also davon ausgehen, dass die Fassaden 60 oder manche sicher 70 Jahre halten. Warum also nicht hundert? Den Anstrich erneuern oder Risse ausbessern, muss man sowieso.
Alternativ hätte ich nichts gegen größere Wandstärken und leistungsfähige Dämmputze. Wir beschäftigen uns aber auch mit der Kreislauffähigkeit vom WDVS, es gibt ja bereits ein Verfahren, bei dem das EPS aufgelöst und wiederverwendet werden kann. Es fällt derzeit aber kaum gebrauchtes EPS an, weil die Gebäude noch zu jung zum Abreißen sind.
Welche Rolle spielt für Sie der großvolumige Wohnbau?
Anders als im Einfamilienhausbau, wo wir mehr Einfluss haben und Tipps geben können, geht es im mehrgeschoßigen Wohnbau weniger um das hochqualitative Ergebnis. Da wird innen leider kaum mehr verputzt, sondern das kommt eben der dünne Spachtel an die Wand, der wenig raumluftregulierend ist. Aber es ist kostengünstiger.
Abgesehen von den genannten Wünschen an die Regierung, was wünschen Sie sich im Allgemeinen?
Ich wünsche mir, dass die Leute wieder optimistischer werden. Es geht uns gut in Österreich, wir leben in einem tollen Land. Mir tut es leid, wenn die Leute so herumjammern und so tun, als wäre alles schlecht. Das ist es nicht, auch wenn es jetzt ein bisschen schwieriger ist. Im Vergleich mit Osteuropa, das ich gut kenne, weil ich fast ein Jahrzehnt Baumit-Geschäftsführer in Ungarn war, haben wir hier vielfach Luxusprobleme.
Werden sich Zinssenkungen bemerkbar machen oder werden sie überschätzt?
Ich glaube, das wird sich schon bemerkbar machen. Ich finde es auch richtig, dass man die KIM-Verordnung mit Mitte des Jahres auslaufen lässt. Das ist auch ein Thema der Eigenverantwortung. Deutschland hatte allerdings keine KIM-Verordnung und dennoch ist nicht mehr gebaut worden. Man bekommt derzeit für drei Prozent Zinsen einen Kredit. Meine Eltern haben noch 15 Prozent Zinsen gezahlt. Das war eine andere Zeit, aber ich glaube, heute bremst vielfach die negative Stimmung.
Wie sieht Ihr Traumhaus aus, wenn weder Geld noch Normen eine Rolle spielen?
Das ist eine super Frage. Ich wohne mit meiner Familie in einem Haus, das wir gebraucht gekauft und erweitert haben. Nachdem zwei von drei Kindern aus dem Haus sind, ist alles viel zu groß und ich hätte gern ein kleineres Haus. Mein Traumhaus wäre ebenerdig, nicht zu groß, man muss es ja auch instandhalten. Es wäre auf jeden Fall ein Massivhaus und es hätte wenig Technik oder nur Dinge, die ich selbst reparieren oder beherrschen kann. Es soll möglichst energieautark sein, mit Photovoltaik und Wärmepumpe. Eine Wohnung am Meer wäre auch eine Option.