Von VNW-Direktor Andreas Breitner
Unabhängig davon, wie die ins Haus stehenden Bundestagswahlen ausgehen werden, steht eines fest: auch eine künftige Bundesregierung wird sich mit der Energiewende auseinandersetzen müssen. Die sozialen Vermieter hoffen auf einen Erfolg der Pragmatiker, die beim Umbau unserer Gesellschaft die Bezahlbarkeit des Wohnens ausreichend berücksichtigen.
Es wird darauf ankommen, einen pragmatischen Weg zum Erreichen der Klimaziele zu finden. Weg von der Ideologie hin zu wirklich umsetzbaren Lösungen. Allein das Postulieren von Klimaneutralität im Jahr 2024 oder früher ersetzt nicht das Nachdenken darüber, wie dieses Ziel so erreicht werden kann, dass die Menschen mitziehen.
Ängste vor einem solzialen Absturz
Erst vor wenigen Tagen hat der Hamburger Zukunftsforscher Horst Opaschowski erklärt, dass bis 2045 bei mehr als 90 Prozent der Deutschen die Sicherheitsbedürfnisse dominierend sein werden. Das bedeutet ein größeres Maß an Sensibilität für die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen – vor allem wenn die Ängste vor einem sozialen Absturz zunähmen.
Insofern ist verständlich, dass viele Mieterinnen und Mieter ihr Augenmerk verstärkt auf die sogenannte zweite Miete und dabei insbesondere auf die Entwicklung der Heizkosten richten. Sechs von neun Rostocker Wohnungsunternehmen haben Daten zusammengetragen, um die Preisentwicklung bei der Fernwärme zu verdeutlichen.
Fernwärmekosten steigen in 2025 und 2026 extrem an
Der Aufstellung zufolge müssen die Mieterinnen und Mieter bei den Kosten für die Fernwärme im kommenden Jahr im Vergleich zum Jahr 2022 mit einem Anstieg der Preise zwischen 56 und 86 Prozent rechnen. Im Jahr 2026 wird der Preisanstieg im Vergleich zu 2022 zwischen 45 und 63 Prozent liegen.
Das Problem ist nicht nur in Rostock zu erkennen. Wir beobachten, dass Stadtwerke in ganz Norddeutschland, die häufig im Besitz der Kommunen sind, den Ausbau der Fernwärme im Rahmen der Energiewende nutzen, um die Preise für Heizenergie in die Höhe zu treiben.
CO2-Preis-Anteil bei der Fernwärme höher als bei Gas
Schon jetzt ist der CO2-Preis-Anteil bei der Fernwärme höher als bei Gas. Wir beobachten, dass Stadtwerke im Verbund mit den Kommunen eine Monopolstruktur schaffen wollen. Dieser Versuch, kombiniert mit einem Anschlusszwang, bedeutet die totale Abhängigkeit der Mieter und Vermieter von den Fernwärmelieferanten.
Diese Entwicklung verdeutlicht, dass die Kosten für den Umbau der Fernwärme zur Klimaneutralität vor allem von den Mieterinnen und Mieter getragen werden sollen. Die Fernwärmeanbieter machen sich einen schlanken Fuß. Hinzu kommt, dass viele Stadtwerke sich weigern, darzulegen, wie ihre Preise zustande kommen. Es ist daher unmöglich, deren Ermittlung nachzuvollziehen. Nur eines ist sicher: die Preise für Fernwärme steigen unaufhörlich.
Monopole „fördern“ durch Intransparenz den Widerstand der Menschen
Abgesehen von hohen Preisen und Intransparenz sind Monopole nie gut für Innovationen. Energiewende und Klimaschutz werden aber nur gelingen, wenn alle technische Möglichkeiten, emissionsfrei Energie zu erzeugen, genutzt werden. Eine Form der Energieerzeugung – wie beispielsweise Fernwärme – vorzuschreiben, führt am Ende zu hohen Preisen und zu Widerstand bei den Menschen.
Die sozialen Vermieter unterstützen die Politik in dem Ziel, Strom und Heizenergie von 2045 an emissionsfrei zu erzeugen. Mit CO2-neutral erzeugter Heizwärme haben Mieter und Vermieter kein Problem. Ich frage nur: Zu welchen Kosten soll diese Fernwärme hergestellt werden? Derzeit habe ich den Eindruck, dass Fernwärme und deren kostenintensive Umstellung auf eine emissionsfreie Erzeugung massiv gepusht wird – koste es die Mieterinnen und Mieter, was es wolle.
Der Grundpreis wird erhöht, wenn die Mieter sparsam Heizen
Ein weiteres Problem besteht in der Erhöhung des Grundpreises, um so von Verbrauchsschwankungen unabhängiger zu werden. Was aus Sicht von Stadtwerken sinnvoll erscheinen mag, bedeutet, dass die Wirkung von Einsparungen durch die Mieter bei den Wärmekosten immer geringer wird. Das, was die Stadtwerke durch energiesparendes Heizen der Mieterinnen und Mieter „verlieren“, holen sie sich über den vom Verbrauch unabhängigen Grundpreis zurück.
Eine sichere Strom-, Gas- und Wärmeversorgung ist eine zentrale Voraussetzung für den Wohlstand unseres Landes. Wunschdenken ist hier fehl am Platz. Notwendig ist es, stets die Umsetzungsmöglichkeiten vor Ort zu berücksichtigen. Pragmatismus und Eigenverantwortung sind die Schlüssel, um zu vertretbaren Kosten klimaschädliche Emissionen zu reduzieren.
Andreas Breitner
Vorstand und Verbandsdirektor Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)