Klimaneutralität 2040 – Individueller Sanierungsfahrplan am Beispiel der KEG Siegen mbH

Kommunale Entwicklungsgesellschaft Siegen mbH (KEG Siegen mbH) ist eine Tochtergesellschaft der Stadt Siegen und unterstützt diese bei der Realisierung kommunaler Aufgaben. Die KEG Siegen mbH beauftragte die energielenker projects GmbH, um den Gebäudebestand in mehreren Schritten energetisch zu bewerten und um eine Einordnung in die Zielsetzung der Stadt Siegen, bis 2040 klimaneutral zu werden, zu erhalten. Im Ergebnis ist eine Definition des Ist-Zustandes und ein strategischer Ansatz für die Absenkungen der zu verantwortenden Treibhausgasemissionen vorgesehen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde der Gebäudebestand in sinnvolle und relevante Cluster aufgeteilt. Ein Cluster umfasst 2-8 Gebäude der gleichen Bauart und Bausubstanz. Aus diesen Clustern soll für jeweils ein Gebäude ein individueller Sanierungsfahrplan, kurz iSFP, erstellt werden. Die Clusterung ist in folgender Tabelle dargestellt.

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Tabelle 1: Clusterung des Gebäudebestandes der KEG Siegen mbH durch die energielenker projects GmbH,  

Vor der Erstellung der individuellen Sanierungsfahrplänen wurden durch die energielenker die aktuellen CO2-Emissionen berechnet und eine Kennwertanalyse durchgeführt. Für jedes Gebäude wurden anhand von zur Verfügung gestellten Wärmverbrauchsdaten und des eingesetzten Energieträgers die CO2-Emissionen ermittelt. Des Weiteren wurden über Flächenangaben der Gebäude witterungsbereinigte Energieverbrauchskennwerte ermittelt. Die ermittelten Kennwerte wurden mit verfügbaren Benchmarkwerten der VDI 3807 abgeglichen. Dieser Abgleich konnte erste Hinweise auf Energieeinsparpotenziale liefern und könnte auch für das künftige Controlling genutzt werden.

Die Grundsatzstrategie dieses Projektes bzw. der individuellen Sanierungsfahrplänen lässt sich in das „Minimieren“ und „Substituieren“ einteilen (vgl. Abbildung 1). Damit diese Felder, die jeweils individuelle Herangehensweisen fordern, gezielter angegangen werden können, ist eine separierte Betrachtungsweise zielführender als eine pauschalisierte Gesamtbetrachtung.

Daher werden auch die sich an die Potenzialanalyse anschließenden Maßnahmenempfehlungen getrennt beschrieben und aufgeführt. Darüber hinaus sind die Einflussbereiche, mit denen die Potenziale eröffnet werden können, in einer getrennten Herangehensweise viel besser zu steuern und gegebenenfalls auch nachzusteuern.

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Außerdem sind zur Eröffnung der Potenziale zu betrachtende Reinvestitionszyklen der jeweiligen Felder individueller zu steuern, womit eine wirtschaftliche Umsetzung umso besser gelingen kann. Denn für die Gebäude der KEG Siegen mbH ist eine Minimierung des Energieverbrauchs, z.B. durch energieeffiziente Gebäudehüllen und Technologien anzustreben. Für den Sektor der Wärmeversorgung ist hingegen eine Substitution zu Erneuerbaren Energieträgern von zentraler Bedeutung.

Abbildung 1 Grundsatzstrategie „Minimieren“ und „Substituieren“

Diesen Aufgaben und dieser Grundsatzstrategie nimmt sich die energielenker projects GmbH als integrierter Systemdienstleiter im Kontext der Energiewende an. Die energielenker Unternehmensgruppe ist mit ihren rund 350 Mitarbeiter*innen an zehn Standorten in ganz Deutschland aktiv. Die Business Unit energielenker projects GmbH gestaltet die Energiewende in den Handlungsfeldern Energie, Gebäude, Mobilität und Umwelt.

Neben Gebäudeanalysen und Erstellung von Konzepten und Machbarkeitsstudien unterstützt die energielenker projects GmbH in der Fördermittel- und Strategieberatung, in der Architektur und technischen Gebäudeausrüstung, in der Genehmigungs- und Bauleitungsplanung sowie in der Planung, Beratung und Umsetzung von PV- und Mobilitätslösungen.

Datenaufnahme vor Ort

Für die Erstellung des iSFPs wurden folgende Arbeitsschritte durchlaufen: Die zur Verfügung gestellten Planunterlagen, wie Grundrisse, Schnitte und Baubeschreibungen wurden überprüft und weitere Rücksprachen zu Besonderheiten der Gebäude getroffen. Im nächsten Schritt fand eine Datenaufnahme vor Ort an den Objekten statt. Hierfür wurde von jedem Cluster ein Gebäude besichtigt.

Während der Begehung wurden Notizen und Fotos zum Gebäudebestand (u.a. Gebäudehülle, Bauteilaufbauten, Anlagentechnik, Schäden, etc.) gemacht. Nach der Datenaufnahme begann die Erfassung und Berechnung des energetischen Ist-Zustandes gemäß der DIN V 18599 mit einem 3D-Modell in der Berechnungs-Software Hottgenroth.

Abbildung 2 Strategische Darstellung eines Sanierungsfahrplanes  //   Quelle: https://www.dena.de/projekte/energieberatung-und-individueller-sanierungsfahrplan-isfp/, aufgerufen am 11.11.2024

Im nächsten Schritt wurden Sanierungsvarianten in Form eines Fahrplanes (vgl. Abbildung 2) zu den Gebäuden entwickelt, welche die Gebäudehülle und die Anlagentechnik betrafen, um das übergeordnete Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes zu erreichen. Die Ergebnisse der iSFPs waren eine schrittweise Ertüchtigung der Gebäude, bei der unter anderem die Primär- und Endenergieeinsparungen sowie Treibhausgas-Emissionseinsparungen aufgezeigt wurden. Zusätzlich wurde eine grobe Kostenschätzung der einzelnen Maßnahmen durchgeführt.

Die Ergebnisse der iSFPs werden hinsichtlich der Nutzbarkeit für die Einordnung des gesamten Gebäudebestandes in einem Abstimmungstermin abgeglichen und nachfolgend auf den Gebäudebestand hochgerechnet. Verknüpft u.a. mit der Definition voraussichtlich verfügbarer Mittel und der Rahmenbedingungen der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen, erfolgt auf dieser Grundlage die Entwicklung eines umsetzungsfähigen Absenkpfades. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in einem Abschlussbericht zusammengefasst.

Vorwiegend Sozialwohnungen

Die Objekte der KEG liegen verteilt über das gesamte Stadtgebiet hinweg. Die Grundstücke befinden sich sowohl in Hanglage als auch in einer ebenen Lage. Durch die Clusterung des Gebäudebestandes können somit solche individuellen Begebenheiten der Gebäude, trotz einem Sanierungsfahrplans pro Cluster, in den Hochrechnungen der Maßnahmen berücksichtigt werden. Die Gebäude der KEG sind aus den Baujahren 1952 und 1967.

Die Gebäude wurden anfangs als Besatzungsbauten für die belgische Armee genutzt. Mit der Übernahme durch die kommunale Entwicklungsgesellschaft Siegen wurden die Gebäude für den verwendet.

Entsprechender Zustand und mit typische Schäden

Die Häuser befinden sich in einem den Baujahren entsprechenden Zustand und weisen typische Schäden auf. Unter anderem Feuchtigkeitsschäden im Keller, aber auch Schimmelbefälle in einigen Objekten. Dadurch wurden die Kellerwohnungen, welche sich häufig in einer Hanglage befinden stillgelegt oder auch schon entkernt.

Diese Wohnungen stehen zurzeit leer oder werden als Lagerfläche genutzt. Ebenfalls stehen die Dachgeschosswohnungen auf Grund von fehlendem Brandschutz nicht mehr als Wohnfläche zu Verfügung, sondern ebenfalls als Lagerstellen.

Zur Wärmebereitstellung kommen ausschließlich Gaskessel (atmosphärisch und mit Gebläse), sowohl Niedertemperaturkessel als auch Brennwertgeräte, zum Einsatz. Die Hälfte der Gebäudecluster hat keine zentrale Warmwasserbereitstellung, sondern besitzen pro Wohnung mehrere elektrische Durchlauferhitzer.

Kellerdecke ist bereits von unten gedämmt

Ein Cluster setzt sich beispielweise aus drei Zeilenbauten, je 16 Wohneinheiten, aufgeteilt auf zwei Hauseingänge, aus dem Jahr 1967 zusammen. Die Kellerdecke ist bereits von unten gedämmt. Die Fenster wurden 1997 sowie die Hauseingänge im Jahr 1986 ausgetauscht. Der Sanierungsfahrplan beginnt mit der Dämmung der Flachdächer (s. Abbildung 2 und 3, Variante 1) und anschließend mit der Sanierung der Fassade mit einem Tausch der Fenster (s. Abbildung 2 und 3, Variante 2).

Der nächste Schritt des Fahrplans wäre die Installation dezentraler Lüftungsgeräte mit einem Wärmerückgewinnungssystem (s. Abbildung 2 und 3, Variante 3). Der letzte Schritt ist die Substitution zu erneuerbaren Energien durch eine Sole-Wasser-Wärmepumpe und einer PV-Anlage (s. Abbildung 2 und 3, Variante 4).

 Abbildung 3 Einsparungen an Primärenergiebedarf           Abbildung 4 Einsparungen an CO2-Emissionen

In den Abbildungen 2 und 3 sind die Einsparungen am Primärenergiebedarf sowie an den CO2-Emissionen zu sehen. Durch den Fahrplan wird sich der Primärenergiebedarf an einem der drei Zeilenbauten um 89% reduzieren. Die CO2-Emissionen werden um 84% verringert. Dadurch, dass die Einsparungen der Photovoltaik-Anlage nach der DIN V 18599 nur zu einem geringen Anteil angerechnet werden dürfen, könnten durch den restlichen, eingespeisten Strom jedoch ca. weitere 13.000 kg CO2 vermieden werden. Dies würde bedeuten, dass die bilanzielle Klimaneutralität beinahe erreicht worden wäre. Für die restlichen Emissionen sind Kompensationsmaßnahmen zu definieren.

Nach den individuellen Sanierungsfahrplänen, der Einordnung auf den gesamten Gebäudebestand und der Erarbeitung eines Absenkpfades gilt es, die Maßnahmen vorzubereiten, zu planen und tatsächlich zu projektieren und in eine Umsetzungsstrategie zu überführen. Die Abbildung 5 zeigt einen Strategieansatz mit der Aufbau-, der Anfangs-, der Umsetzung und der Etablierungsphase.

Abbildung 5 Umsetzungsstrategie von der Entwicklung bis zur Verstetigung, Quelle: energielenker projects GmbH

Die Aufbauphase beinhaltet die Entwicklung der hier neu entwickelten Maßnahmen, in die bestehende Konzepte mit integriert und genutzt werden, aktuelle Projekte mit einbezogen und Synergieeffekte aus den vorliegenden Strukturen genutzt werden. Aus dieser Phase heraus werden alle weiteren Prozesse entwickelt.

Folgend auf die Aufbauphase knüpft die Anfangsphase, welche die Vorbereitungen für den Umsetzungszeitraum legt. Während dieser Phase wird die Umsetzung grundlegend organisiert. Die frühzeitige organisatorische und personelle Institutionalisierung ist noch vor Beginn der Maßnahmenumsetzung von großer Bedeutung. Dazu müssen proaktiv vorhandene Strukturen genutzt, verfestigt bzw. weiterentwickelt werden.

Verschleißteile müssen permanent erneuert werden

Die Instandhaltung der Gebäude ist ein stetiger Prozess, viele Technologien durchlaufen ihren Lebenszyklus, Heizungen müssen ausgetauscht werden und Verschleißteile müssen permanent erneuert werden. Diese laufenden Prozesse und die Lebenszeit alter Technologien müssen immer berücksichtigt werden, sodass sich Synergieeffekte ableiten und dadurch effiziente Lösungsansätze verfolgt werden können.

Organisatorische Maßnahmen werden vorbereitet, finanzielle Mittel freigegeben und erste Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden durchgeführt. Zur Kontrolle der Umsetzungen und für gezieltere Prozesse werden daneben Meilensteine zur Erfolgskontrolle gesetzt, die sich über den gesamten Umsetzungszeitraum verteilen, sodass jederzeit nachgesteuert werden kann.

Nach den Vorbereitungen beginnt die Umsetzungsphase der geplanten Projekte. Im Bereich der Gebäude wird konkret die Sanierung der Gebäude, der Einsatz erneuerbarer Energien und die Erneuerung der Wärmeversorgung angestrebt. Im Allgemeinen liegt das Hauptaugenmerk dabei wie bisher auf der Minimierung sowie Substituierung.

Mit Erreichen des Zieljahres 2040 laufen die Minimierungs- und Substituierungsmaßnahmen kontinuierlich auf gleichem Niveau weiter, während die verbliebenen CO2-Emissionen dann durch Kompensierung ausgeglichen werden müssen. Auch während der Umsetzungsphase können bereits Teile kompensiert werden, allerdings nur so viel wie nötig. In der Etablierungsphase sollen durch weitere Minimierungs- und Substitutionsmaßnahmen die Aufwände für Kompensationsmaßnahmen fortlaufend reduziert werden, bis die Gebäude der KEG Siegen mbH ohne Kompensationsmaßnahmen 100 % Klimaneutral betrieben werden können.

Erste Schritte in Richtung Klimaneutralität

Die kommunale Entwicklungsgesellschaft Siegen mbH ist schon dran und hat einige Bestandteile der Häuser modernisiert. So wurden und werden die in einer Holzkonstruktion errichteten Satteldächer neu eingedeckt und stellenweise gedämmt. Um den Anfang der 90er bis zum Ende der 90er Jahre wurden die Fenster bei allen Objekten ausgetauscht. Im Verlauf der 2000er Jahre wurden an vereinzelten Gebäuden eine Fassadensanierung in Form eines Wärmedämmverbundsystems durchgeführt.

Zusätzlich hat die KEG Siegen mbH auch an der Anlagentechnik gearbeitet und bei einigen Gebäude die Heizungsanlage ausgetauscht und auf effizientere Gas-Brennwertgeräte umgestellt. Insgesamt zeigt sich die KEG Siegen mbH, unter anderem mit diesem Projekt, sehr engagiert, erste Schritte in Richtung Klimaneutralität einzuleiten. Dennoch steht viel Arbeit an, bis dieses Ziel erreicht werden kann.

Dipl.-Ing. (FH) Thomas Pöhlker

Geschäftsführer energielenker projekts GmbH

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