Das OLG Brandenburg hatte über die Frage zu entscheiden, ob Versicherungsprämien von sog. All-Risk-Gebäudeversicherungen im Rahmen der Betriebskostenabrechnung auf die Mieter umgelegt werden können (Urteil vom 23.05.2023, Aktenzeichen: 3 U 94/22).
Die klagende Mieterin eines Gewerbeobjektes begehrte die teilweise Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen für zurückliegende Jahre, u.a. im Hinblick auf die erfolgte Umlage von Versicherungsprämien.
Hintergrund
Während im Gewerberaummietrecht der Grundsatz der Dispositionsmaxime der Parteien gilt, findet im Wohnraummietrecht unter anderem die Betriebskostenverordnung (BetrKV) Anwendung, welche die umlagefähigen Positionen, wie z.B. die Versicherungen, definiert.
Nach § 2 Nr. 13 BetrKV sind Betriebskosten „die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung, hierzu gehören namentlich die Kosten der Versicherung des Gebäudes gegen Feuer-, Sturm-, Wasser- sowie sonstige Elementarschäden, der Glasversicherung, der Haftpflichtversicherung für das Gebäude, den Öltank und den Aufzug“. Aus dem Wort „namentlich“ leitet die herrschende Meinung ab, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist; vielmehr seien davon alle Sach- und Haftpflichtversicherungen erfasst, welche dem Schutz des Gebäudes und seiner Bewohner sowie Besucher dienten (BGH, NJW 2010, 3647 Rn. 12).
Einige Deckungsbestandteile sind vor dem Hintergrund des sog. Wirtschaftlichkeitsgebots (für die Wohngebäudeversicherung geregelt in § 556 Absatz 3 Satz 1, 2. Halbsatz BGB, für Gewerbemietverhältnisse abgeleitet aus § 242 BGB) immer wieder Gegenstand von Betriebskostenstreitigkeiten. Danach dürfen nur solche Kosten umgelegt werden, die bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind. Maßgebend ist der Standpunkt eines vernünftigen Vermieters, der ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge behält.
Dabei steht dem Vermieter ein Entscheidungsspielraum zu. Er ist nicht gehalten, stets die billigste Lösung zu wählen, sondern darf andere für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung relevante Kriterien, wie z.B. die Zuverlässigkeit des anderen Vertragspartners, mit in seine Entscheidungsfindung einbeziehen (BGH, NJW 2010, 3647 Rn. 18).
Wesentliche Entscheidungsinhalte
Hinsichtlich sog. All-Risk-Versicherungen, welche neben dem Schutz u.a. bei böswilligen Beschädigungen und Rohrverstopfungen auch Leistungen bei eher seltenen Schadensursachen wie Flugkörperanprall, Überschallknall, Erdbeben, Erdsenkung oder Erdrutsch und Vulkanausbruch vorsehen, ist die Umlagefähigkeit der Prämienbestandteile für die eher seltenen Schadenursachen umstritten. Der erkennende Senat sieht die Umlagefähigkeit als gegeben an.
Denn bei einer Allgefahrenversicherung seien die versicherten Gefahren nicht ausdrücklich benannt, sondern grundsätzlich alle Ursachen versichert und nur konkret benannte einzelne Ursachen ausdrücklich ausgeschlossen. Ein Vermieter, der eine Allgefahren-Versicherung abschließt, handele nicht unwirtschaftlich, nur weil darin auch eher theoretische Schadenursachen (automatisch) mitversichert sind. Ebenso wenig, wie ein Vermieter bzw. Gebäudeeigentümer wisse, ob in seinem eigentlich ruhigen Stadtteil ein Terroranschlag verübt werden könnte, wisse er auch nicht, ob nicht doch einmal Erdstöße oder Erdbeben auftreten könnten.
Einordnung
Die Positionierung des OLG Brandenburg ist grundsätzlich zu begrüßen. Über die konkret streitige Versicherungsdeckung hinaus lässt sich aus dem Urteil verallgemeinernd die Aussage entnehmen, dass auch Deckungen für eher seltene Versicherungsfälle dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen (können). Dem ist zuzustimmen, denn vom Vermieter kann keine versicherungstechnische Risikoprüfung verlangt werden. Es muss ausreichen, dass das ungewisse Ereignis, für das die Versicherung Schutz gewähren soll, möglich, also denkbar ist und nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegt.
Ohne hierauf ausdrücklich zu verweisen, kann sich das OLG Brandenburg insoweit auf das BGH-Urteil vom 06.06.2018, VIII ZR 38/17, stützen. Dieses Urteil hatte ebenfalls eine „All Risk“ Deckung zum Gegenstand, und hat die Umlagefähigkeit der Versicherungsprämien ungeachtet des von der Deckung umfassten Risikos eines Mietverlustes infolge des versicherten Gebäudeschadens anerkannt.
Wünschenswert wären jedoch eine tiefergehende Begründung und eine Auseinandersetzung mit einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen gewesen. Die argumentative Heranziehung der Terrorversicherung hätte dem OLG Brandenburg in diesem Zusammenhang Veranlassung geben müssen, sich mit dem BGH-Urteil vom 13.10.2010, XII ZR 129/09, auseinanderzusetzen.
Denn hierin trifft der BGH konkrete Aussagen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit eine Terrordeckung dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht. Selbst wenn das erkennende Gericht die allgemeine Gefahrenlage heutzutage möglicherweise anders einschätzen sollte als der BGH im Jahr 2010, fehlen hierzu jegliche Ausführungen. Auch kursiert im Schrifttum die verschiedentlich vertretene Meinung, All-Risk-Versicherung seien nicht notwendig und daher auch nicht vollständig umlagefähig. Eine Auseinandersetzung hiermit bleibt das Urteil schuldig.
Im Ergebnis kann die Entscheidung in künftigen Nebenkostenstreitigkeiten durchaus zur Stützung der Umlagefähigkeit von Versicherungsbeiträgen in geeigneten Fällen angeführt werden; seine argumentative Durchschlagskraft dürfte aber wegen der nur oberflächlich gehaltenen Urteilsgründe begrenzt sein.
Lutz Rellstab
Lutz Rellstab ist Prokurist und Bereichsleiter Recht und Compliance bei der AVW Gruppe