Es ist ein österreichisches Paradoxon: Alle Parteien sprechen sich für eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung aus. Passieren wird trotzdem nichts. Damit wird die Wohnbaufinanzierung nicht einfacher. Zusätzliche Bundes- und Landesförderungen spielen im Neubau keine Rolle. Bankdarlehen sind grundsätzlich verfügbar, aber nicht immer sinnvoll. Die Suche nach Alternativen wird intensiviert.
— BERND AFFENZELLER
Stark gestiegene Bodenpreise, hohe Baupreise und gestiegene Kapitalmarktzinsen wirken aktuell wie Bremsklötze für die Immobilien- und Bauwirtschaft. Wurden 2019 noch rund 85.000 Baugenehmigungen erteilt, waren es 2023 laut Statistik Austria nur noch 47.000. Dazu kommt, dass viele genehmigte Bauprojekte in der Schublade liegen und nicht begonnen werden. Diesem Trend können sich auch die gemeinnützigen Wohnbauträger nicht entziehen.
Während 2023 noch 14.900 Wohnungen fertiggestellt wurden, was bereits um zehn Prozent unter dem Zehnjahresschnitt liegt, werden es 2024 nur noch rund 14.100 sein. 2025 erwartet der Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen sogar nur noch eine Bauleistung von 10.000 bis 11.000 Wohnungen. Entsprechend laut sind die mahnenden Worte der Branche an die Politik.
Ganz oben im Forderungskatalog steht eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Wie eine aktuelle Umfrage des Bau & Immobilien Reports unter den Spitzenkandidat:innen der Nationalratswahl zeigt, sprechen sich auch alle Parteien auf Bundesebene für diese Wiedereinführung der Zweckbindung aus. Nur mäßig von dieser Idee begeistert sind allerdings die Bundesländer, was sich leicht erklären lässt. 2022 betrugen die Einnahmen der Länder aus Darlehensrückflüssen und Wohnbauförderungsbeiträgen 2,7 Milliarden Euro, die Ausgaben für die Wohnbauförderung beliefen sich aber nur auf 1,9 Milliarden Euro. Rund 850 Millionen Euro flossen in die allgemeinen Landesbudgets.
Sinkende Wohnbauförderung
„Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sanken die Wohnbauförderungsausgaben seit 1996 von 1,3 Prozent auf nur mehr 0,4 Prozent des BIP“, kritisiert GBV-Obmann Klaus Baringer. Zusätzliche Bundes- und Landesförderungen abseits der Wohnbauförderungen spielen im Neubau kaum eine Rolle, anders in der Sanierung. „Hier sind die Umweltförderungen des Bundes und die ergänzenden Landesförderungen von großer Bedeutung“, sagt Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald, vom wohnwirtschaftlichen Referat des GBV.
Den größten Anteil im Finanzierungsmix im Neubau haben Bankdarlehen. Den Vorwurf, für die geringe Bautätigkeit bzw. eine Kreditklemme verantwortlich zu sein, wollen die Banken aber nicht auf sich sitzen lassen. „Das kann ich nicht bestätigen“, sagt Günter Hofbauer, Head of Commercial Real Estate der UniCredit Bank Austria. „Aber natürlich haben sich die Rahmenbedingungen geändert.“ Die Zinsen seien gestiegen, es brauche mehr Eigenkapital, die Nachfrage hätte in manchen Segmenten nachgelassen und die Verwertung brauche länger.
Aktuell erhält die Bank auch viele Umschuldungsanfragen von Developern, die ihre Projekte mit dem bestehenden Partner nicht umsetzen können oder wollen. „Insgesamt sind gerade deutlich weniger Neubauprojekte in Umsetzung, in der Pipeline gibt es allerdings viele Projekte“, so Hofbauer.
„Asfinag-Modell“ für den Wohnbau
Martin Orner von der Volkshilfe Wien spricht sich für zusätzliche Finanzierungsinstrumente aus, die langfristige Finanzierungen mit niedrigen und stabilen Zinsen ermöglichen. „Das könnten neben EIB-Krediten für den sozialen Wohnbau auch Staatshaftungen für Finanzierungen, die niedrigere Zinsen ermöglichen, ähnlich wie bei der Asfinag.“ Notwendig wären auch neue Instrumente für komplexere Aufgaben wie z. B. die Nachverdichtung alter Siedlungen.
Keine Finanzierungsklemme
Ähnlich sieht das Gutheil-Knopp- Kirchwald. „Die Gemeinnützigen stecken in keiner Finanzierungsklemme. Sie bekommen jederzeit Bankdarlehen, weil sie eine sehr hohe Bonität haben und die Banken liquide sind.“ Wien- Süd-Vorstandsvorsitzender Andreas Weikhart bestätigt, dass Bankenfinanzierungen grundsätzlich verfügbar sind. Allerdings stellen die Finanzierungskosten seit der Zinswende im Juli 2022 für GBV eine echte Herausforderung. Zusammen mit den gestiegenen Bau- und Grundstückskosten wurde es sehr schwierig bis unmöglich, die Kostenobergrenzen, die durch die Wohnbauförderungsbestimmungen der Bundesländer festgelegt sind, einzuhalten und leistbare Wohnungen anzubieten. Deshalb wurden manche Projekte auf Eis gelegt.
Martin Orner, Mietrechtsexperte der Volkshilfe Wien, sieht das Problem der Finanzierung eher bei den gewerblichen Bauträgern. „Sie weisen gegenüber den GBV meist eine deutlich schlechtere Bonität auf, scheitern an der Finanzierung und bleiben auf zu teuer gekauften Grundstücken sitzen“, erklärt Orner.


Günter Hofbauer
Mögliche Einsparungen
Die Qualitätsstandards bei den aktuellen Rahmenbedingungen zu halten, wird für die Bauträger schwieriger. Andreas Weikhart plädiert dafür, technisch einfacher zu bauen, um die Instandhaltungskosten niedrig zu halten. In dem immer enger werdenden Korsett steigt auch der Stellenwert der Planung deutlich.
„Wir versuchen, die Kosten zu senken, indem wir ein Projekt immer wieder neu strukturieren und damit Preise gegeneinander abwägen. Das ist aber wiederum mit hohen Personalkosten verbunden“, sagt Weikhart. Auch Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald sieht echte Kostensparpotenziale am ehesten in der Planung. „Ein gutes Mobilitätskonzept erlaubt die Reduktion von Tiefgaragenstellplätzen, effiziente Gebäudegrundrisse und Baukörper verringern die Kosten für Erschließung und Aufzüge pro Wohnung. Verdichtete Bauweisen sowie Nachverdichtungen sparen Grundstückskosten und Flächenverbrauch.“
So hat etwa Wien-Süd bei einem aktuellen Projekt in der Berresgasse auf ein perfektes Verhältnis von Oberfläche und Volumen geachtet. So ist es gelungen, auf einem relativ kleinen Baulos in drei Einzelhäusern 165 geförderte Mietwohnungen zu errichten und den Mieter:innen zusätzliche Goodies wie Pool, Urban Gardening am Dach sowie Fitnessraum, Sauna und Boulderwand zu bieten.
Auf technologische Veränderungen in der Bauwirtschaft hofft Martin Orner von der Volkshilfe Wien. „Die Baubranche zählt nicht zu den innovativsten Branchen, sie setzt auf die gleichen Produktionsmethoden wie schon seit Jahrzehnten, fast seit Jahrhunderten.“ Mit seriellem und modularem Bauen könnte man nicht nur die Kosten senken, sondern auch aufgrund des geringeren Materialverbrauchs ressourcenschonender arbeiten.
Unterm Strich ist Gerlinde Gutheil- Knopp-Kirchwald überzeugt: „Günstig finanzieren, ist besser als billig bauen.“ Die Schwankungsbreite sei bei den Finanzierungskosten höher. Jeder Prozentpunkt niedrigerer Zinssatz schlage sich, abhängig von Darlehenshöhe und Laufzeit, etwa in einer um einen bis 1,5 Euro niedrigeren Miete nieder. „Ähnliche Preisunterschiede durch vertretbare Standardanpassungen zu erzielen, ist äußerst schwierig“, so die GBV-Expertin.