Angebot regelt Nachfrage

Die Leistbarkeit des Wohnens ist aktuell ein Thema wie schon lange nicht. Steigende Preise, Inflation und Zinserhöhungen stellen die Wohnungswirtschaft ebenso wie Wohnungswerber vor große Herausforderungen. Zugleich erfordert das Bevölkerungswachstum ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Es zeichnet sich eine stärkere Nachfrage nach Mietwohnungen ab, ebenso gibt es Anzeichen für ein Ende des Preishöhenflugs bei Eigentumswohnungen. Fazit: Das Angebot regelt letztlich auch die Nachfrage.
FRANZISKA LEEB

„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr“, könnte man mit Rainer Maria Rilke die Stimmung unter jenen treffend beschreiben, deren Traum vom eigenen Heim angesichts der Krisen und Preisentwicklungen der letzten Jahre jäh zerplatzt ist. Österreich ist ein Land der Wohnungseigentümer, zumindest aus Innensicht, denn außer in Wien ist die Eigentumsquote in allen Bundesländern höher als die Mietquote. Aus europäischer Sicht hingegen ist Österreich ein Land der Mieter, die Wohneigentumsquote ist niedriger als im europäischen Durchschnitt, der seit Jahren um die 70 Prozent beträgt. Laut der Ende Mai erschienenen Statistik „Wohnen 2022“ der Statistik Austria beträgt die Eigentumsquote in Österreich 48 Prozent. Der Großteil davon ist auf Hauseigentum zurückzuführen. Während in Wien das Haus- und Wohnungseigentum nur 19 Prozent aller Hauptsitzwohnungen ausmacht, liegt die Wohneigentumsquote im Burgenland bei 71 Prozent.

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Europaweit gesehen haben die ärmeren Länder die höchsten Wohneigentumsquoten. So liegt in Rumänien, Ungarn und der Slowakei der Anteil jeweils über 90 Prozent, während er in den reicheren Ländern – am Ende der Skala liegen Österreich und Deutschland – deutlich niedriger ist. Erklären lässt sich das unter anderem damit, dass ein entwickelter Mietmarkt einen stabilen rechtlichen und administrativen Rahmen voraussetzt. Andererseits ist eine hohe Mietquote ein Zeichen dafür, dass für alle Bevölkerungsschichten eine gute Wohnversorgung besteht, auch für jene, deren Finanzkraft den Erwerb von Wohnungseigentum nicht zulässt. Ein geringes Angebot an Mietwohnungen hingegen zwingt auch Menschen mit geringem Einkommen dazu, ein Eigenheim zu erwerben. In der Folge bedeutet das den Erwerb von Wohnungen von geringer Qualität oder hohe Kreditbelastungen. Eine höhere Mietquote geht mit einer niedrigeren Verschuldungsquote einher sowie mit mehr Flexibilität, da es einfacher ist, eine Mietwohnung zu wechseln, als ein Eigenheim aufzugeben.

Interesse an Miete steigt

Wie es aussieht, wird sich die Eigentumsquote in absehbarer Zeit nicht erhöhen. Quer durch die Branche bestätigen Makler wie Bauträger ein verstärktes Interesse an Mietwohnungen bei gleichzeitigem Rückgang der Nachfrage nach Eigentum. Schnellte nach dem ersten Lockdown 2020 die Nachfrage nach Kaufimmobilien mit Garten in die Höhe, zeigt diese aktuell eine stark rückläufige Tendenz, wie zum Beispiel eine Analyse der Plattform Immo- Scout24 ergab. Ein Plus sei hingegen bei der Nachfrage nach Mietwohnungen zu verzeichnen – wobei zunehmend Wohnungen ohne Freiflächen gefragt seien, deren Mietpreise im Schnitt um 15 Prozent günstiger sind.

Michael Pech, Generaldirektor des Österreichischen Siedlungswerks ÖSW, stellt insbesondere eine Nachfrage nach größeren Mietwohnungen fest: „Zum einen gibt es einen Run auf geförderte Wohnungen und zum anderen ist das Interesse an Drei-Zimmer- Wohnungen gestiegen.“ Während im geförderten Bereich in den letzten Jahren die Vorgaben, kleinere Wohnungen zu bauen, umgesetzt werden mussten, hat man beim ÖSW im freifinanzierten Bereich schnell reagiert und familiengerechte Wohnungen gebaut. Die gläserne Decke der Wohnungswerber läge bei einer Miete von 1.000 Euro. „Freifinanziert schafft man das bei einer Wohnung von mehr als 70 Quadratmetern derzeit nicht“, so Pech.

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Gemischte Hochhäuser

Gefördert und freifinanziert, Eigentum und Miete, Wohnen und Gewerbe zu mischen, gilt auch als Mittel, um trotz hoher Boden- und Baupreise ein gewisses Segment an leistbaren Wohnungen produzieren zu können. So geschehen beim Quartier The Marks im dritten Wiener Gemeindebezirk, wo vier Bauträger – die Buwog sowie Neues Leben, ÖSW und WBV-GPA – drei Wohnhochhäuser über einer gemeinsamen urbanen Sockelzone errichteten. Alle Wohnungen wurden freifinanziert errichtet, die Bauträger verpflichteten sich aber dazu, die Hälfte davon zu den günstigen Konditionen gemäß Wiener Wohnbauinitiative zu vergeben.

Der 128 Meter hohe Turm „The One“ wurde gemeinsam von Neues Leben und WBV-GPA errichtet. „Als gemeinnütziger Bauträger liegt unser Fokus im geförderten Wohnbau“, erklärt Michael Gehbauer, WBV-GPA-Geschäftsführer. „Daher haben wir es als unsere Pflicht gesehen, uns möglichst risikoavers zu positionieren und das wirtschaftliche Risiko auf zwei Bauträger aufzuteilen.“ In der unteren Hälfte sind die 178 Mietwohnungen, darüber 224 Eigentumswohnungen, alle mit einer Raumhöhe von 2,70 Metern. Die Größen reichen von kompakten Zwei-Zimmer-Wohnungen ab 45 bis zu 130 Quadratmeter umfassenden Familienwohnungen mit fünf Zimmern. Neben den üblichen Gemeinschaftsräumen zählen ein Fitnessstudio, ein Spa-Bereich mit Sauna und ein Sonnendeck mit Swimmingpool samt Kinderbecken zu den Freizeitangeboten im vom Studio VlayStreeruwitz geplanten Gebäude. Auf dem gemeinsamen Sockel steht zudem eine 400 Meter lange Laufstrecke zur Verfügung und die mit 2.000 Plätzen größte Fahrradgarage der Stadt, oberirdisch untergebracht im verbindenden Arkadengerüst, erleichtert den Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität. „Wir erbringen damit den Nachweis, dass eine soziale Durchmischung im Hochhaus möglich ist“, so Gehbauer.

Von den 401 Wohnungen im Helio Tower der Buwog (Architektur: BEHF) sind 173 Mietwohnungen nach dem Modell der Wohnbauinitiative. Im Haus befindet sich zudem ein Kindergarten. Den gülden schimmernden Q-Tower errichtete das ÖSW nach Plänen von Rüdiger Lainer + Partner. Hier besteht das Wohnangebot aus 169 Mietwohnungen im Rahmen der Wiener Wohnbauinitiative, 206 freifinanzierten Eigentumswohnungen und 94 Serviced Apartments der konzerneigenen Marke room4rent. Während die Zwei-Zimmer-Eigentumswohnungen rasch vergriffen waren, sei es bei den größeren langsamer gegangen. „Nach Fertigstellung waren noch etwa acht Prozent der Eigentumswohnungen, deren Preis mit zunehmender Höhenlage steigt, verfügbar“, berichtet Michael Pech. „Das Interesse ist da, aber die Finanzierung ist für die Menschen schwieriger geworden.“

Foto: Josef Herfert

Eigentum bietet Stabilität und finanzielle Sicherheit und schützt vor Altersarmut.

Isabella Stickler, Alpenland

So viel Eigentum wie möglich

Das kann auch Isabella Stickler, Obfrau der niederösterreichischen gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Alpenland bestätigen. Beim kürzlich fertiggestellten Wohnquartier Mühlbach Ost in St. Pölten (Architektur: NMPB) waren zu Vertriebsstart von den insgesamt 260 Wohnungen 145 als geförderte Mietwohnungen mit Kaufoption vorgesehen, 46 als gefördertes Soforteigentum und 69 als freifinanziertes Eigentum.

„Aufgrund der geänderten Finanzierungslandschaft mit den stark gestiegenen und nicht planbaren Finanzierungskonditionen ist die Nachfrage nach Soforteigentum gegen null gegangen“, berichtet Stickler. Dieser Trend begann mit der von der Finanzmarktaufsichtsbehörde im Sommer 2022 erlassenen KIM-Verordnung (Kreditinstitute- Immobilienfinanzierungsmaßnahmen- Verordnung) zur Begrenzung der systemischen Risiken bei Fremdkapitalfinanzierungen von Wohnimmobilien und hält immer noch an. Nach Übergabe im April 2023 wurden daher alle noch freien Soforteigentumswohnungen im Mühlbach-Ost- Quartier auf Miete mit Kaufoption umgestellt. „Die Miete mit Kaufoption ist für viele in der aktuellen Zinssituation die Chance, ihre Wunschwohnung zu beziehen und diese zu einem späteren Zeitpunkt im Eigentum zu erwerben“, so Stickler. „So viel Miete wie nötig, so viel Eigentum wie möglich“, fasst Stickler das seit der Gründung im Jahr 1949 geltende Unternehmens- Credo zusammen. „Eigentum bietet Stabilität und finanzielle Sicherheit und schützt vor Altersarmut.“

In den reicheren Ländern Europas ist die Mietquote höher als in den ärmeren.
Quelle: Eurostat 2021

Auf Eigentum sofort oder später setzt auch die Alpenländische Gemeinnützige WohnbauGmbH bei der in Bau befindlichen Wohnanlage Schedererfeld in Westendorf in Tirol. Zwei der fünf Baukörper werden insgesamt 17 Mietwohnungen mit Kaufoption beherbergen, in den anderen drei Häusern werden 33 Eigentumswohnungen angeboten.

Ausschließlich Miete mit Kaufoption bietet die Wohnbaugruppe Ennstal in der Wohnanlage „Am Grünanger“ in Gratwein-Straßengel an. Noch diesen Sommer werden die Wohnungen übergeben. Für eine gute Nachbarschaft wurde bereits im Vorfeld gesorgt: man setzt in der von Martin Brischnik geplanten, aus sieben Häusern bestehenden Siedlung auf Beteiligung der Bewohner. Begleitet von einer Gartenpädagogin und gefördert vom Land Steiermark konnte die Bewohnerschaft schon vor Bezug Wünsche einbringen. Es wird insektenfreundliche Wildblumen-Beete geben, Schattenbäume, Wildsträucher-Hecken und Beerensträucher. Wer möchte, erhält eine Fläche für den Anbau von Gemüse oder kann sich an der Gartengruppe beteiligen, die in Hinkunft für die Pflege des Grüns Sorge trägt.

Begriffsverwirrung

Für Wohnungswerber, die für den Kauf einer Wohnung die erforderlichen Eigenmittel nicht aufbringen können, ist es oft interessant, eine Wohnung zu mieten, die später ins Eigentum übergeht. Dafür hat sich der Terminus „Mietkauf- Wohnung“ eingebürgert, der allerdings irreführend ist und oft auch zu falschen Vorstellungen führt. Bei den meisten Wohnungen, die unter diesem Titel auf den Markt kommen, handelt es sich um „Miete mit Kaufoption“. Dabei vermietet eine gemeinnützige Bauvereinigung eine Wohnung (oder Geschäftsräumlichkeit), die unter gewissen Voraussetzungen von den jeweiligen Mietern nachträglich erworben werden kann. Geregelt ist dies im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG).

Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus Wohnen 2022

Dessen Novelle brachte im Sommer 2019 für die Mieter eine Erweiterung der gesetzlichen Kaufoption mit sich. Bei ab dem 1. August 2019 abgeschlossenen Mietverträgen kann die Kaufoption bereits nach fünf Jahren (zuvor nach zehn) geltend gemacht werden. Die Spekulationsfrist wurde auf 15 Jahre ausgedehnt. Das Gesetz bietet den gemeinnützigen Bauvereinigungen mehrere Möglichkeiten, den Kaufpreis zu ermitteln. Der Kaufpreis – auf den die bereits geleisteten Mietzahlungen nicht, wie oft fälschlich angenommen, angerechnet werden – muss nicht zu Vertragsabschluss festgesetzt werden. Mietvertrag einerseits und Kaufvertrag andererseits sind selbstständige Rechtsgeschäfte. Ein wesentlicher Vorteil für die Mieter liegt darin, dass sie die Wohnung etliche Jahre lang quasi probewohnen können und frei entscheiden können, ob sie sich zum Kauf, zur Rückgabe der Wohnung oder zur Verlängerung der Miete entscheiden.

Für die Bauträger kann der Verwaltungsaufwand in Anlagen mit Mietund Eigentumswohnungen höher sein, wie Michael Pech bestätigt, da die Interessenslagen oft unterschiedlich sind – auch wenn es um Sanierungsmaßnahmen geht. Beim ÖSW wurde in den 1970er-Jahren viel Eigentum errichtet: „Die Erfahrung zeigt, dass die Mietshäuser aus dieser Zeit technisch besser saniert sind.“

Grafik: GBV

Mietkauf-Modelle

Anders als die Kaufoption, die lediglich die Möglichkeit zum Kauf bietet, verpflichtet man sich bei Mietkauf-Modellen, wie sie zum Beispiel in Deutschland verbreitet sind, die Immobilie nach einer bestimmten Zeit zum festgelegten Preis zu kaufen. Nach Vertragsabschluss wird mit der monatlichen Miete die Immobilie abbezahlt, wobei in der Regel nicht der gesamte Betrag auf den Kaufpreis angerechnet wird. Wenn die vertraglich vereinbarte Mietdauer endet, wird für den Mieter die Restsumme des Kaufbetrags fällig. Im Gegensatz zur klassischen Finanzierung mittels Kredits erwerben die Mieter erst dann rechtlich das Immobilieneigentum, wenn sie die gesamten Mietraten und den Kaufpreis abbezahlt haben.

Foto: Gerlinde Gorla

„Es gibt einen Run auf geförderte Wohnungen und zum anderen ist das Interesse nach Drei-Zimmer-Wohnungen gestiegen.“

Michael Pech, ÖSW

Auch der gewerbliche Vorarlberger Bauträger Riva Home bietet unter der Bezeichnung „Stufenkauf“ ein Mietkaufmodell als „cleveren Weg ins Grundbuch“ an. In Stufe 1 übernimmt Riva Invest die Finanzierung der Immobilien mit einer Kreditlaufzeit von 35 Jahren. In Stufe 2 tätigen die Stufenkäufer kurz vor Wohnungsbezug eine im Vergleich zum Sofortkauf geringere Einmalzahlung, um dann in Stufe 3 zunächst 12,5 Jahre von Riva zu mieten. Die monatlichen Zahlungen enthalten bereits einen Tilgungsanteil für den Kredit. Danach findet in Stufe 4 die Eigentumsübertragung statt. Die Stufenkäufer werden als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen und können über die weitere Finanzierung selbst entscheiden. Aufgrund der gestiegenen Zinsen und des erschwerten Marktumfelds ist die Finanzierung der Wohnprojekte über Investoren schwieriger geworden. Daher bietet Riva Home aktuell keine Mietkauf-Objekte mehr an, ist aus dem Unternehmen zu erfahren. Man liefere aber attraktive Lösungen und Hilfestellungen beim Sofortkauf durch einen unabhängigen Riva-Finanzexperten.

Leistbares Eigentum zu schaffen, lautet die Mission von Riva. Sie beruht auf einem Baukonzept, das gemeinsam mit einem Expertengremium – allen voran Architekt Carlo Baumschlager und dem Energieinstitut Vorarlberg – auf Basis einer Studie für leistbares Wohnen entwickelt wurde. Ein hohes Maß an Standardisierung sowie niedrige Instandhaltungs- und Betriebskosten halten die Riva-Immobilien nach eigenen Angaben 20 bis 30 Prozent unter den üblichen Marktpreisen. Anstatt das Rad jedes Mal neu zu erfinden, gibt es gibt drei Grundtypologien, die von Projekt zu Projekt angepasst werden.

Beim Wohnprojekt „Am Grünanger“ in Gratwein-Straßengel setzen die Wohnbaugruppe Ennstal und Architekt Martin Brischnik auf Beteiligung der Bewohnerschaft bei der Gartengestaltung.
Visualisierung: Martin Brischnik

Gemeinnützige als Preisdämpfer

Bei den Gemeinnützigen Bauvereinigungen beträgt der Eigentumsanteil im selbst errichteten Verwaltungsbestand 31 Prozent, wobei es große regionale Unterschiede gibt. Am niedrigsten ist er in Wien (17 Prozent), am höchsten in der Steiermark (45 Prozent).

PLUS/MINUS 
Eigentum
+ Wertanlage, Schutz vor Kündigung und Mieterhöhung, Altersvorsorge, Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit 
- hohe Investitionskosten und Kreditverpflichtungen, geringe Flexibilität, volle Verantwortung für Pflege und Instandhaltung 

Miete 
+ kein (oder weniger) Eigenkapital notwendig, höhere Flexibilität bei sich ändernden Lebenssituationen, keine Verantwortung für Instandhaltungs- und Renovierungskosten 
- fehlende Wertanlage und Altersvorsorge, Mieterhöhungen und weniger Gestaltungsfreiheit

Anders als in den meisten anderen Ländern, wo der nicht-profitorientierte Wohnbau vorwiegend in Form staatlicher Sozialwohnungen vorhanden ist, tragen in Österreich die GBV aktiv zur Schaffung von Eigentum bei. Die im Mai präsentierte Studie „Die preisdämpfende Wirkung des gemeinnützigen Wohnbaus“, die das Wifo gemeinsam mit dem wohnwirtschaftlichen Referat des GBV erstellt hat, untermauert den bereits bisher herrschenden Konsens, dass ein starker gemeinnütziger Sektor in der Lage ist, den gewinnorientierten Markt zu beeinflussen – nicht nur durch mehr Angebot, auch durch niedrigere Preise, weil sie kostenbasierte Mieten im Unterschied zu Marktmieten verlangen.

Die Studie zeigt, dass bei höheren GBV-Anteilen der Unterschied zwischen GBV-Mieten und unregulierten Marktmieten geringer wird. Eine Steigerung des GBV-Anteils von zehn Prozent im Mietsegment senkt alle Mieten um 30 bis 40 Cent pro Quadratmeter. Ist das Verhältnis von GBV zu privaten Anbietern sehr klein, sind die preisdämpfenden Wirkungen schwächer. „Die unregulierten Mieten sind aufgrund des Wettbewerbs um durchschnittlich rund fünf Prozent günstiger, als dies ohne GBV der Fall wäre“, zeigt sich GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer erfreut.

Weiters zeigt die Studie, dass die GBV ab den 1960er-Jahren für einen deutlichen Anstieg der Wohnqualität sorgten. In Wien waren im Jahr 1971 noch zirka ein Drittel aller privaten Mietwohnungen sogenannte „Bassenawohnungen“. Es gab also weder WC noch Wasser in der Wohnung. „Dieser Substandard war im gemeinnützigen Sektor zu jener Zeit so gut wie nicht mehr anzutreffen“, erklärt Baringer.

Visualisierung: Alpenländische-Pendlarchitects

Dies gilt bis heute, wo insbesondere in Wien die Qualitätssicherungsinstrumente der Wiener Wohnbauförderung wie Bauträgerwettbewerbe und die Evaluierung nach dem Vier-Säulen-Modell (Ökonomie, soziale Nachhaltigkeit, Architektur und Ökologie) über die technische Ausstattung hinaus hohe Standards sicherstellen.

Sozial und ökologisch nachhaltige Gesamtpakete

Trotz des zunehmenden Kostendrucks entstehen auch in den günstigen Mietsegmenten ambitionierte Projekte. So zum Beispiel die Wohnanlage Nordbahnstraße 34 von Migra und Wogem nach Plänen von QuerkraftArchitekten. Hier werden bis Frühling 2024 rund 250 geförderte, unbefristete Mietwohnungen fertiggestellt. Beachtlich ist die soziale Infrastruktur. Das SOS-Kinderdorf erhält Räumlichkeiten, weiters wird es Heimplätze der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA11) geben und eine Wohnung für Tageseltern, die direkt an die sich nach oben entwickelnde Freiraumlandschaft angebunden ist. Mit der Ausbildungsstätte „Jobtrain“ wird auch die Volkshilfe vor Ort sein. Weiters wird es ein Reparaturcafé und einen Grätzlstützpunkt für das Quartier geben. In den gewerblich genutzten Bereich wird die Migra selbst einziehen, zudem drei Geschäftslokale.

Neuer Wohnbau von Riva Home am Fuß des Schlossbergs in Hohenems: Standardisierte Planung und Systembauweise senken die Kosten und erleichtern den Eigentumserwerb.
Foto: rivahome

Für 2025 anvisiert ist die Fertigstellung des Siegerprojekts aus dem 1. Wiener Wohnbaumprogramm. Auf drei Grundstücken am Orasteig, der Aspernstraße und dem Naufahrtweg wird die Arwag nach Plänen von Gerner Gerner Plus und AllesWirdGut einen Holzwohnbau im Baukastensystem umsetzen. Auch werden ausschließlich geförderte Wohnungen und zudem ein SOS-Kinderdorf mit 16 Heimplätzen entstehen.

Wien nimmt laut aktueller WIFOStudie sowohl hinsichtlich der Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur als auch nach wohnungswirtschaftlichen Kriterien eine Sonderstellung ein. Es dominiert der Mietmarkt, und dieser ist trotz zuletzt sehr starker Dynamik des gewinnorientierten Neubaus geprägt durch die hohe Bedeutung der kommunalen Miete und der privaten Altbaumiete. Die GBV hatten hier über mehrere Jahrzehnte vorrangig die Aufgabe, die Wohn- und Ausstattungsqualität am Mietsektor zu leistbaren Konditionen zu erhöhen. Von der privaten Miete hoben sie sich vor allem durch bessere Qualität ab. Erst in den jüngsten ein bis zwei Jahrzehnten ist der Preisvorteil das noch wesentlichere Unterscheidungsmerkmal geworden.

Geförderte Miete im Holzbaukastensystem: Das Projekt 4×4 – der Holzpilot in Wien der Arwag nach Plänen von Gerner Gerner Plus und AllesWirdGut
Visualisierung: ARGE Gerner Gerner Plus-AllesWirdGut

Dringender Reformbedarf

Die Aktivierung zusätzlicher Fördermittel, insbesonders auch für den Umbau des Bestands, und die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung werden vielfach eingefordert und erhofft. Die im aktuellen Regierungsprogramm angestrebte Sanierungsrate von drei Prozent ist noch lang nicht erreicht. Eine Neugestaltung des Richtwertgesetzes fordert auch die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen. „Investoren sehen derzeit keine Veranlassung, ein Gebäude, das vor 1945 erbaut wurde, zu sanieren, wenn sie später keine entsprechenden Mieten dafür verlangen können“, stellt Bundeskammerpräsident Daniel Fügenschuh fest.

Geförderte Miete, soziale Einrichtungen und Gewerbe – zusammengehalten von einem grünen Band: Wohnbau von Migra und Wogem am Wiener Nordbahnhofgelände, Architektur: Querkraft
Visualisierung: querkraft/expressiv

Es sei aber unerlässlich, Abbrüche von funktional und qualitativ hochwertigen Altbauten zu vermeiden und verstärkt in Sanierungskonzepte und innovative Planung zu investieren. Nicht das Alter eines Gebäudes sei entscheidend, sondern die Umwelt- und Lebensqualität, die es schafft. Daher sollen sämtliche Gebäude spätestens nach 20 Jahren ihrer Errichtung unter den Mietpreisdeckel fallen, sofern keine thermisch-energetische sowie architektonisch wertvolle Sanierung des Bestands vorgenommen wurde. So soll zum einen ein Anreiz entstehen, auch Gebäude zu sanieren, die nicht als Altbauten eingestuft werden, aber mitunter eine schlechtere energetische oder auch architektonische Qualität aufweisen. Andererseits soll so Eigentümern von Altbauten der Anreiz genommen werden, auf einen lukrativeren Neubau zu spekulieren und Altbauten abzureißen.

„Für Altbauten müsste man bei Entfall oder Anhebung des Richtwerts Wege der sozialen Abfederung finden“, ergänzt Bernhard Sommer, Länderkammerpräsident für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Eine Änderung des Richtwertgesetzes bedinge also eine gleichzeitige Anpassung von Ländergesetzen und Fördermodellen und es brauche endlich eine umfassende, klimafreundliche, zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abgestimmte Strategie im Wohnbausektor.

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