„Wir sanieren massiv“

Seit Jahresbeginn ist Johannes Tratter der neue Geschäftsführer der Neue Heimat Tirol und bringt seine langjährige Erfahrung als Landesrat mit. Im Gespräch spricht er über die besonderen Herausforderungen für den leistbaren Wohnbau.
MAIK NOVOTNY

Sie wurden 2023 zum Technischen Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol ernannt und sind seit 1. Jänner in dieser Funktion tätig. Wie waren die ersten Erfahrungen?

Als Technischer Geschäftsführer fällt neben der Bauabwicklung insbesondere die Akquise von Grundstücken in meinen Zuständigkeitsbereich. Aus meiner früheren Tätigkeit kann ich hier auf ein breites Netzwerk zurückgreifen. Ich bin derzeit viel im Land unterwegs und in Kontakt mit den Bürgermeister: innen, um auszuloten, wo sich Projekte realisieren lassen – vom sozialen Wohnbau bis zu Infrastrukturprojekten (Kindergärten, Schulen, Gemeindezentren etc.). Hier können wir als NHT ein breites Portfolio anbieten. Aber natürlich geht es für mich auch darum, das Unternehmen NHT noch besser kennenzulernen und die in den vergangenen Jahren gewachsenen Netzwerke mit den Partner:innen aus der Tiroler Wirtschaft, den Tiroler Gemeinden und dem Land Tirol aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.

Johannes Tratter
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Gibt es Überschneidungen zwischen den alten und neuen Netzwerken?

Natürlich. Ich habe vielleicht einen gewissen Startvorteil, weil ich als Landesrat erfahren habe, wie Land und Gemeinden zusammenspielen, was die Raumordnung betrifft. Da ich elf Jahre Gemeindereferent war, kenne ich die Finanzsituation der Gemeinden auch recht gut und habe hier einige spezielle Förderprogramme für die Dorf- und Quartiersentwicklung aufgesetzt.

Johannes Tratter

Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi sagte anlässlich Ihrer Ernennung zum NHT-Geschäftsführer, die Akquise von ausreichend Grundstücken für den geförderten Wohnbau werde die große Herausforderung im Wettbewerb mit den vielen anderen Playern am Markt. Wie groß sind überhaupt noch die Baulandreserven im bereits dicht bebauten Tirol?

Wir fahren hier eine Doppelstrategie. Neben dem Erwerb von Grundstücken ist auch die Innenentwicklung und Revitalisierung im Ortskern ein großes Thema, an dem wir dranbleiben wollen. Leistbares Wohnen in Tirol ist natürlich immer eine Herausforderung, da nur zwölf Prozent des Bundeslands Dauersiedlungsraum ist. Das funktioniert nur, wenn die Gemeinden eine aktive Raumordnungspolitik betreiben, inklusive Vorbehaltsflächen, auf denen gemeinnützige Bauträger mit ihrem engen finanziellen Korsett bauen können.

Wir haben gute Instrumentarien in Tirol, von der Vertragsraumordnung bis zur Wohnbauförderung. Auf der anderen Seite gilt es auch, die wertvolle Bodenressource zu schützen und das Land nicht zuzubetonieren. Die Landesregierung hat bereits 35.000 Hektar Grünland unter besonderen Schutz gestellt, um die Zersiedelung zu begrenzen.

Johannes Tratter

In Innsbruck, der Stadt mit den höchsten Mieten in Österreich, realisiert die NHT gemeinsam mit der Innsbrucker Immobiliengesellschaft das Campagne-Areal. Das letzte größere Gebiet für leistbaren Wohnbau in der Stadt?

Auch in Innsbruck haben wir noch einige Bestandsflächen. Die aktuellen bzw. geplanten Bauvorhaben sehen in den nächsten Jahren zusätzliche 950 Wohnungen vor. Das ist neuer Höchststand im Innsbrucker Wohnbau. Zudem haben wir auch im Bereich studentischen Wohnen neue Akzente gesetzt.

Johannes Tratter
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Die NHT hat in den letzten Jahren Pilotprojekte im Bereich Klimaschutz und Energie umgesetzt, etwa das Passivhaus Plus in Rum. Die Herausforderungen in diesem Bereich werden nicht weniger. Sind hier weitere Schwerpunkte und Pilotprojekte geplant?

Die NHT war schon immer in diesem Bereich engagiert und ist dafür oft belächelt worden. Mittlerweile werden wir von allen anderen kopiert. Wir sind derzeit in der Planung für ein weiteres Leuchtturmprojekt in Innsbruck in Form eines energieautarken Gebäudes mit 42 Wohneinheiten für Junges Wohnen, bei dem der Strom mittels Wasserstofftechnik erzeugt wird.

Es gibt bereits Gespräche mit den Behörden, der Baubeginn ist für Herbst 2024 geplant. Ein Projekt, das uns über viele Jahre begleitet, ist die Photovoltaik. In den letzten Jahren haben wir 4.230 Quadratmeter Photovoltaik-Paneele installiert, und alleine für dieses Jahr ist der Startschuss für die Installation von weiteren 4.600 Quadratmetern geplant.

Johannes Tratter

Die Gebäude der NHT sollen bis 2030 klimaneutral werden. Was bedeutet das für die Sanierung des Baubestands? Wie weit ist man hier schon?

Das Land Tirol will bis 2050 energieautonom sein, die NHT saniert schon seit 2021 massiv. Wir haben bereits 29 Projekte mit insgesamt 1.450 Wohneinheiten mit klimaneutralen Heizanlagen umgerüstet. Dieses Jahr kommen weitere zehn Objekte mit 367 Wohneinheiten dazu. Beim Ziel, alle Bestandsgebäude bis 2030 klimaneutral zu machen, sind wir auf einem guten Weg.

Johannes Tratter
Mag. Johannes Tratter 
studierte Rechtswissenschaft an der Universität Innsbruck und war ab 2006 im Amt der Tiroler Landesregierung tätig. Von 2010 bis 2012 war er Bürgermeister von Hall in Tirol, von 2012 bis 2022 Landesrat in der Tiroler Landesregierung. Dort war er unter anderem für Baurecht, Raumordnung sowie Wohnungs- und Siedlungswesen zuständig. 2023 wurde er zum Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol bestellt.

Viele gemeinnützige und frei finanzierende Bauträger blicken mit Sorge auf das Jahr 2024, anlässlich von Zinspolitik, Kreditvergaberichtlinien, hohen Baukosten. Wie ist Ihre Prognose? Optimistisch oder pessimistisch?

Beides! (lacht) Ich habe natürlich keine Glaskugel, aber wir haben in den letzten Monaten die Erfahrung gemacht, dass es bei den Baukosten wieder seitwärts geht und zumindest kaum noch große Steigerungen gibt. Was ich persönlich für sehr schwierig erachte, ist die KIM-Verordnung. Bei Eigenheimen wäre das Interesse potenzieller Käufer:innen groß, aber sie bekommen keine Kredite. Ich halte das fürs falsche Instrument zur falschen Zeit. Was die Zinsen angeht, würde ich aus dem Bauch heraus vermuten, dass die Zinssenkung nicht ganz so schnell kommt wie erhofft.

Angesichts der gleichzeitigen Steigerung von Zinsen und Energiekosten mussten wir als NHT 26 Millionen Euro an Eigenmitteln einbringen, um die Mietpreise zu stabilisieren. Das ist eine sehr schwierige Situation. Österreichweit sind die Baugenehmigungen massiv eingebrochen, wenn sich das noch zwei, drei Jahre so fortsetzt, kann das zu Verwerfungen führen. Aber es gibt auch positive Aspekte, denn wir bekommen jetzt Grundstücke angeboten, die wir vor wenigen Jahren nicht bekommen hätten. Für gemeinnützige Bauträger, die solide aufgestellt sind, ist es keine so schlechte Phase. Wir haben heuer unser höchstes Bauvolumen mit 140 bis 150 Millionen Euro für Neubau und Sanierung gemeinsam verplant.

Johannes Tratter

Als Landesrat waren Sie fast elf Jahre für Raumordnung und Wohnen zuständig. Gibt es in Ihrer neuen Rolle Wünsche an ihre ehemaligen Kolleg:innen in der Landesverwaltung?

Ich bin im guten Austausch mit den politischen Verantwortungsträger:innen. Die Tiroler Raumordnung ist gut aufgestellt. Es gibt immer Luft nach oben. Aus meiner politischen Erfahrung weiß ich aber, wenn man jetzt an Schrauben dreht, wird das in erst fünf bis sieben Jahren wirksam.

Johannes Tratter

Die Frage zum Abschluss: Gab es schon einen ersten Spatenstich-Termin?

Ja, den ersten gab es schon im Jänner! Wir haben uns viel vorgenommen, dieses Jahr werden wir 25 neue Bauvorhaben mit mehr als 800 Wohneinheiten beginnen, im Durchschnitt werde ich also alle zwei Wochen zum Spaten greifen.

Johannes Tratter

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