Von Dr. Christoph Trautmann
Viele Menschen sehen in der Bildung von Schimmel ein Übel, ohne dem die Welt ein besserer Ort wäre. Diese Einstellung ignoriert allerdings völlig die wichtige Funktion der Mikroorganismen beim Abbau von organischen Materialien. Der Abbau organischer Materialien und die Remineralisierung, bei der anorganische Stoffe in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden, ist eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung von neuem Leben.
Durch eine ständige Erneuerung und einer genetischen Vielfalt ist eine kontinuierliche Anpassung und Optimierung von allen Organismen auf die globalen und regionalen Veränderungen gewährleistet.
Stark verkürzt kann man sagen: Der Materialabbau durch Mikroorganismen ist eine der wesentlichen Antriebsfedern der Evolution.
Die Eigenschaften von vielen Pilzen, große Sporenmengen zu bilden und diese über die Luft zu verbreiten, ist daher systemimmanent. Diese Eigenschaften gewährleisten, dass alle Oberflächen zwischen dem Nord- und dem Südpol zumindest von einem geringen „Keimbesatz“ überzogen sind. Unter günstigen Bedingungen kommt es zum Auswachsen der Pilzsporen, so dass der Materialabbau zugunsten der Entwicklung neuer Lebensformen eingeleitet werden kann.
Eine Schimmelbildung im Gebäude verdeutlicht in erster Linie, dass ausreichende Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen vorliegen. Der Einsatz von Bioziden zur Unterdrückung von mikrobiellem Wachstum wird bereits seit vielen Jahren nicht mehr empfohlen, weil er nicht nachhaltig ist und auch für die Nutzer Belastungen darstellen kann.
Zu den wichtigsten Lebensbedingungen von Mikroorganismen gehören ausreichende Feuchtigkeit, Nährstoffe, Temperatur und ein günstiger pH-Wert. Nachhaltig ist es, günstige Wachstumsbedingungen durch bauliche Maßnahmen und durch ein angepasstes Nutzungsverhalten zu verhindern.
Die Temperatur ist kein geeigneter Faktor zur Unterdrückung von Mikroorganismen in Gebäuden, weil viele Mikroorganismen sich auch bei Temperaturen von weniger als 15 °C und mehr als 25 °C gut entwickeln können, während sich die meisten Gebäudenutzer bei diesen Temperaturen unbehaglich fühlen.
Eine präventive Maßnahme zur Unterdrückung von mikrobiellem Wachstum könnte der Einsatz von nährstoffarmen Baumaterialien sein. Allerdings reichen für eine Entwicklung von Pilzen bereits Staubbeläge als Nahrungsgrundlage aus. Nährstoffe sind auch in sehr reinlichen Haushalten grundsätzlich kein Mangel, weil organische Bauprodukte, wie Tapeten oder Holzbaustoffe, natürlicherweise sehr hohe Nährstoffmengen enthalten und auch moderne Wandputze häufig Zuschlagstoffe enthalten, die ein gutes mikrobielles Wachstum ermöglichen.
Durch den Einsatz von stark alkalischen Farbanstrichen oder Materialien kann die Entwicklung von Mikroorganismen zumindest temporär unterbunden werden, aber auch hier nagt der Zahn der Zeit an der Prävention, wenn ausreichend Feuchtigkeit vorhanden ist. Häufig kommt es innerhalb von mehreren Monaten bis wenigen Jahren zu einer pH-Wert Anpassung, die eine mikrobielle Besiedlung erneut möglich macht.
Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Schimmelentwicklung liegt in der Reduzierung von Materialfeuchtigkeit.
Es gibt zahlreiche Ursachen für erhöhte Materialfeuchtigkeit in Gebäuden. Im folgenden Beitrag geht es um Schimmelbildung, die durch Kondensation von Luftfeuchtigkeit an kühlen Materialoberflächen begründet ist.
1 – Feuchteschäden durch Kondensationen an Materialoberflächen
Zum Verständnis von Kondensationsschäden müssen die folgenden 4 Punkte beachtet werden:
1.1 Zusammenhang von Lufttemperatur und der in der Luft maximal aufnehmbaren Wasserdampfmenge.
1.2 Ursachen für erhöhte Feuchtigkeit bzw. Kondensation an Materialoberflächen
1.3 Vorteile von Baustoffen mit großem Porengehalt
1.4 Wie kommen Schimmelpilze an die für sie lebensnotwendige Feuchtigkeit
1.1 Zusammenhang von Lufttemperatur und der in der Luft maximal aufnehmbaren Wasserdampfmenge
Bei Kondensationsschäden kommt es zu einer Anfeuchtung von Materialien durch Raumluftfeuchtigkeit. Grundlegend für das Verständnis dieser Vorgänge ist der Zusammenhang zwischen der Lufttemperatur und der maximalen Wasserdampfaufnahmekapazität.
Grundsätzlich steigt die maximale Aufnahmekapazität von Wasserdampf in die Raumluft mit zunehmender Temperatur an. Bei 0 °C und normalem Atmosphärendruck kann ein Kubikmeter Luft maximal 4,9 g Wasserdampf aufnehmen. Bei 15 °C sind es bereits 12,82 g Wasserdampf pro Kubikmeter Luft und bei 20 °C können sogar maximal 17,26 g Wasserdampf pro Kubikmeter Luft aufgenommen werden. Die kondensierte maximale Wassermasse bei unterschiedlichen Temperaturen ist in Abbildung 1 als drei Gräser mit unterschiedlichen Volumen symbolisiert.

Die absolute Luftfeuchtigkeit kann als Gramm Wasserdampf pro Kubikmeter Luft, unabhängig von der Lufttemperatur angegeben werden. Bei einer Angabe von Temperatur und absoluter Luftfeuchtigkeit und der Kenntnis von der maximal möglichen Wasserdampfaufnahmekapazität der Luft kann die relative Luftfeuchtigkeit berechnet werden. Bei 20 °C und einer Wasserdampfmenge von 17,26 g/Kubikmeter entspricht die relative Luftfeuchtigkeit 100%.
Geringere Feuchtigkeitsmengen bei gleicher Lufttemperatur werden als Prozentanteil [relF%] angegeben. Eine Luft mit einer Temperatur von 20 °C und 50 % relativer Luftfeuchtigkeit hat somit einen absoluten Wasserdampfgehalt von 8,635 g pro Kubikmeter (17,26 g / 100 * 50 = 8,635 g)
Die Berechnung, wie sich durch eine Veränderung der Lufttemperatur (z. B. bei einer Abkühlung an kalten Oberflächen) die relative Feuchtigkeit verändert, hat einen hohen Vorhersagewert für mögliche Schimmelbildungen. Über das h-x-Diagramm von Mollier kann eine solche Veränderung der relativen Feuchte bei Lufttemperaturveränderungen abgelesen werden. Noch einfacher geht es mit einem Feuchterechner, der zahlreich im Internet angeboten wird.
Ursachen für erhöhte Feuchtigkeit bzw. Kondensation an Materialoberflächen
Die Erhöhung der Lufttemperatur führt zu einer Erhöhung der maximalen Wasserdampfaufnahmekapazität. Übersetzt auf die Bedingungen in Wohnräumen bedeutet es, dass Luft, die durch Heizenergie erwärmt wird, mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Ein plakatives Beispiel für diesen Zusammenhang ist ein Wintertag mit Nieselregen bei 0 °C Lufttemperatur.
Unter diesen Bedingungen enthält die Außenluft trotz Nieselregen eine geringe Luftfeuchtigkeit bzw. einen Wasserdampfgehalt von maximal 4,9 Gramm. Es ist daher sinnvoll diese Luft zur Trocknung des Innenraums zu verwenden – also „zu Lüften“. Wird die Luft in den Innenraum geführt und auf 20 °C erwärmt verändert sich die relative Feuchtigkeit der Luft von 100 % auf ca. 28 % unter der Voraussetzung, dass keine zusätzliche Feuchtigkeit zugeführt wird.
Der Vorgang ist in Abbildung 2 symbolisiert. Hier steht das Glasvolumen für eine maximale Wasserdampft-Aufnahmekapazität bei 0 °C bzw. bei 20 °C. Die Überführung der Flüssigkeitsmenge vom kleinen in das große Glas bedeutet, dass die absolute Wassermenge gleichbleibt, aber die relative Feuchtigkeit abnimmt. Es bleibt im großen Glas ein Restvolumen, dass die zusätzliche Aufnahme von Feuchtigkeit ermöglicht.

Die 0 °C kalte und maximal befeuchtete Luft wird durch Lüftung in den Innenraum überführt und auf 20 °C erwärmt. Dadurch sinkt die relative Luftfeuchtigkeit von 100 % auf ca. 28 %
Feuchtigkeit, die zuvor in den Oberflächenmaterialien zwischengelagert wurde, kann nun in die Raumluft zurückdiffundieren und dadurch den absoluten und relativen Wasserdampfgehalt der Raumluft langsam erhöhen.
Gleichzeitig wird die Wasseraktivität (aw-Wert) des Materials erniedrigt. Verkürzt kann man sagen, dass der Feuchtegehalt der Oberflächenmaterialien abnimmt. Der Begriff Wasseraktivität ist für das Verständnis von Kondensationsschäden wichtig und wird daher unter 1.4 erklärt.
Für die Entwicklung von Kondensationsschäden ist allerdings der umgekehrte Vorgang entscheidend, wenn sich die Raumluft an kühlen Oberflächen abkühlt. Je höher die relative Feuchtigkeit der Raumluft ist, desto kritischer wird eine Abkühlung an kühlen Oberflächen. Enthält eine 20 °C warme Raumluft bereits 100 % relative Feuchtigkeit, so wird jede Abkühlung zu einer Kondensation führen.
In Abbildung 3 wird diese Kondensation durch die Überführung des Wassergehaltes des großen Glases in ein kleineres symbolisiert. Allerdings kann es auch zu einer Kondensation kommen, wenn 20 °C warme Raumluft nur 50 % relative Feuchtigkeit, also 8,63 g/m3/ (17,26 g/m3/100*50 = 8,63 g/m3) enthält. Unter diesen Bedingungen tritt eine Kondensation ab einer Abkühlung unter ca. 8 °C ein (maximale Wasserdampfkapazität bei 8 °C = 8,26 g/m³).

In Hinblick auf einen Kondensationsschaden kann ein Schadensfall allerdings nicht erst beim Auskondensieren von Raumluftfeuchte auftreten, sondern bereits bei einer dauerhaften relativen Feuchtigkeit von 80 %. Um die 80 % relative Feuchtigkeit unter Standardbedingungen (20 °C und 50 % rel.F) nicht zu überschreiten sollten Wandtemperaturen nicht unter 12,3 °C fallen.
Zusammengefasst kann eine Kondensation von Luftfeuchtigkeit durch niedrige Materialoberflächentemperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit begünstigt werden. Die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit kann durch verschiedene Einflüsse verstärkt werden.
Häufige Fehler sind ein zu geringer Luftwechsel bei gleichzeitiger Anwesenheit von mehreren Menschen in einem Raum, das Trocknen von Wäsche, sowie die Aufstellung sehr vieler Pflanzen im Raum oder auch die Freisetzung von Wasserdampft beim Kochen und Duschen.

Die Oberflächentemperaturen können zu gering erwärmt sein, weil die Wärmeenergie der Heizungsanlage insgesamt zu gering ist oder die zu erwärmenden Oberflächen nicht erreicht werden, weil Objekte (z. B. Gardine, Schrank, Sofa) die Wandbereiche abschirmen (siehe Abbildung 4) oder weil die Heizung ungünstig platziert ist.
Ein weiterer Grund für kalte Wandflächen sind konstruktive, geometrische oder thermodynamische Wärmebrücken. Hierbei kommt es oft in kleinen Bereichen zu einer verstärkten Wärmeableitung, so dass diese Bereiche im Vergleich zu benachbarten Bereichen mehrere Grad Celsius kälter werden können.
Dr. Christoph Trautmann
In der nächsten Folge erklärt Dr. Christoph Trautmann die Vorteile und Nachteile von Baustoffen mit großem Porengehalt. Er beantwortet die Frage: Wie kommen Schimmelpilze an die für sie lebensnotwendige Feuchtigkeit? Und hat der fRsi-Temperaturfaktor einen praktischen Nutzen zur Vorhersage von Kondensationsschäden?

Online-Vorlesung – Schimmel ist immer und überall in einem Gebäude, aber warum?
Eine schadhafte Silikonfuge an der Bade- oder Duschwanne und sonstige Leckagen im Leitungswassersystem auf oder in der Wand sind häufig die Ursache für Schimmel. Erkennt man die Schäden frühzeitig, „beseitigt“ den Schimmel schnell, ist dann die Welt wieder in Ordnung?
Nein, so einfach ist es nicht. Wir haben den Umweltmykologen Dr. Christoph Trautmann von eurofins/Umweltmykologie, Deutschlands führendem Unternehmen auf dem Gebiet der Schimmelpilzanalytik in Gebäuden, um Aufklärung gebeten. Das Thema ist komplex. Es ist wichtig die Zusammenhänge zu verstehen, um letztlich schadenpräventiv und nachhaltig handeln zu können.
Dr. Christoph Trautmann hat das Thema von A bis Z betrachtet. Daraus ist eine Online-Vorlesungs-Reihe mit 11 Themenblöcken entstanden. Das Team von der „Initiative Schadenprävention“ und „Forum Leitungswasser / Alles rund um die Leckage-Prävention“ lädt Sie zur kostenfreien Teilnahme an den Online-Vorlesungen von Dr. Trautmann ein.
Umfangreiche Informationen zu wichtigen Themen rund um die Lebensbedingungen, den Auswirkungen und der Erfassung von Mikroorganismen in Innenräumen können Sie in unseren Online-Vorlesungen erfahren. Ihr Newsletter-Abo bei „Wohungswirtschaft-heute.de“ berechtigt Sie zur kostenlosen Teilnahme an unseren Online-Vorlesungen 2025. Diese können Sie HIER buchen. Geben Sie im Feld „Gutschein-Code“ die Kennung Wohnungswirtschaft-heute ein.
Themen und Terminplan für die Online-Vorlesungsreihe
Thema | Datum |
Die Welt der Mikroorganismen Teil I | Februar 11, 2025 @ 17:00 – 18:30 |
Die Welt der Mikroorganismen Teil II | Februar 12, 2025 @ 17:00 – 18:30 |
Luftuntersuchungen Teil I | Februar 25, 2025 @ 17:00 – 18:00 |
Luftuntersuchungen Teil II | Februar 26, 2025 @ 17:00 – 19:00 |
Materialuntersuchungen Teil I | März 18, 2025 @ 17:00 – 18:30 |
Materialuntersuchungen Teil II | März 19, 2025 @ 17:00 – 18:30 |
Holz zerstörende Pilze | April 8, 2025 @ 17:00 – 19:00 |
ATP-Analysen | April 29, 2025 @ 17:00 – 18:00 |
Extremophile und extremotolerante Mikroorganismen | Mai 20, 2025 @ 17:00 – 18:00 |
Bewertung von Materialproben | Juni 10, 2025 @ 17:00 – 18:30 |
Bewertung von Luftproben | Juni 24, 2025 @ 17:00 – 18:30 |