Zinshaus und Baugruppe

Das Forschungsprojekt Zinshaus X Baugruppe, ZxB, hat sich zum Ziel gesetzt, die Potenziale, die in der Verschränkung von Zinshaus und Baugruppe liegen, aufzuzeigen und anhand zweier Demonstrationsprojekte in die serielle Umsetzung zu führen.
EILEEN STEPHAN*

Für das dreijährige Forschungsprojekt ZxB schließt sich ein breit aufgestelltes Team zusammen. Das interdisziplinär zusammengesetzte Team rund um realitylab und baukult arbeitet daran, zwei sich bisher fremde Gruppen näherzubringen und dadurch innovative und zukunftsorientierte Kooperationen zu schließen. Der Druck, neue Formen der Kooperation am Wohnungsmarkt zu finden, verschärft sich zunehmend durch die dringende Nachfrage nach leistbarem Wohnraum und nicht zuletzt der Notwendigkeit, auch im Gebäudesektor die Klima- und Energieziele zu erreichen.

- Anzeige -

Betrachten wir das Z in ZxB, so sehen wir rund 15.000 private Zinshäuser in Wien mit hinterherhängender Sanierungsquote, um die Klima- und Energieziele von Österreich zu erreichen. Die Eigentümer dieser heiß begehrten Spekulationsobjekte stehen sowohl vonseiten der Stadt als auch vonseiten ihrer Mieter unter Druck, ihre Häuser zu sanieren. Vielen Zinshauseigentümern fehlt es jedoch an finanziellen Ressourcen, Know-how und Zeit, um eine umfangreiche Sanierung ihrer Häuser in Gang zu setzen. Als Ausweg und einfache Lösung wird oft eine (Teil-)Parifizierung und der Verkauf der Gebäude gewählt, wodurch günstiger Mietwohnbestand verloren geht und sich die (soziale) Struktur der Mieter stark verändert.

Ziehen wir nun das B in ZxB heran, so betrachten wir ein innovatives Format der Zusammenschließung und Emanzipation von Bewohnern. Baugruppen zeichnen sich einerseits neben einem großen Engagement zu einer selbstbestimmteren Form des Wohnens aus, als auch durch ihre Kreativität bei der Findung von Finanzierungsmodellen sowie der Bereitschaft zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Form des Zusammenlebens. Während Baugruppen derzeit ihren Platz überwiegend im Neubau finden, verfügen sie jedoch genau über jene Impulse, die zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Sanierung im Bestand fehlen.

Engagement und Wissen

Die Verschränkung von Baugruppe und Zinshaus soll somit einerseits die Migration von Baugruppen vom Neubau in den Bestand fördern, als auch eine klimafitte Sanierung von Zinshäusern und letztendlich eine Dekarbonisierung dieser ermöglichen. Durch die Kooperation mit einer Baugruppe können Zinshauseigentümer jene fehlende finanziellen Ressourcen, Engagement und Wissen erschließen, die derzeit eine Sanierung auf klassischem Weg verhindern.

- Anzeige -

So bietet die Möglichkeit einer kooperativen Weiterentwicklung eine nachhaltige Alternative zur Parifizierung, Verkauf oder Abwarten ihres Gebäudes. Neben neuen Formen der Sanierung von Zinshäusern werden durch die Zusammenführung von Zinshaus und Baugruppe auch die Potenziale, die der Bestand für gemeinwohlorientiertes Zusammenleben bietet, ergründet. Baugruppen sind bekannt dafür, sich über das Wohnen hinaus für ein ressourcensparendes und gemeinwohlorientiertes Miteinander zu bemühen.

Die große Herausforderung sowie das Ziel des Forschungsprojekts liegt unter anderem darin, das Vertrauen von Zinshauseigentümern für eine gemeinsame Entwicklung ihres Gebäudes mit (zukünftigen) Bewohner zu gewinnen und ihnen die Vorteile dieser Kooperation nahezulegen. Im Zusammenführen von Zinshäusern und Baugruppen wird die Grenze zwischen Besitz und Miete sowie die Verteilung von Verantwortung hinterfragt und gegebenenfalls neu definiert. Damit die Verschränkung von etabliertem Eigentum und engagierten Nutzern gelingt, braucht es angepasste Finanzierungs-, Organisations- und Rechtsmodelle, die zur Leistbarkeit und Sicherheit aller Beteiligten beitragen.

Um hier eine Grundlage für zukünftige ZxB-Kooperationen zu erarbeiten, werden im Laufe des Forschungsprojekts zwei konkrete Demonstrationsprojekte bis zur Baueinreichung und dem Abschluss von internen rechtlichen sowie finanziellen Vereinbarungen begleitet. Darauf aufbauend werden skalierbare Umsetzungsmodelle entwickelt, die eine serielle Umsetzung einer kooperativen Sanierung von Zinshäusern ermöglichen. Dabei werden die Möglichkeiten des Übergangs von der Einzelverantwortung zur Gemeinschaftsverantwortung herausgearbeitet und zukunftstaugliche Vertragsgestaltungen nach ESG-Kriterien und mit Green Leases, die einen ressourcenschonenden Betrieb und Nutzung vertraglich verankern, etabliert.

*) ist Projektmitarbeiterin bei realitylab

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Lesen Sie Artikel zum selben Thema