Sind nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten? Vom Umgang mit Medien im Zeitalter der Digitalisierung. Drei Fragen an Prof. Dr. Maren Urner

Corona als Katalysator. Plötzlich wird alles digital, Schule, Studium, Arbeit und nun auch Kongresse. Auch Aareon veranstaltet am 17. September 2020 mit „Aareon Live“ ein Branchenevent im digitalen Format. Als Keynote Speakerin hat Aareon Prof. Dr. Maren Urner eingeladen. Sie ist Neurowissenschaftlerin, Bestseller-Autorin und Professorin für Medienpsychologie. In unserem Interview gibt sie uns Tipps, damit wir in der digitalen Informationsflut nicht untergegen.

Damit wir uns selbst ein bisschen besser verstehen: Wie sorgt unser evolutionär auf Flucht getrimmtes Gehirn dafür, dass in der heutigen digitalen Angebotsvielfalt unsere Medienwahrnehmung einen Sinn ergibt – und wir nicht in der Informationsflut untergehen?

Unser „Steinzeithirn“ – wie ich es gern liebevoll nenne – hat eine Vorliebe fürs Negative, die in Zeiten von Säbelzahntigern und Mammuts durchaus sinnvoll ist. Denn eine verpasste Warnung konnte die letzte Sache sein, die unsere Vorfahren wahrgenommen oder eben nicht wahrgenommen haben. In der digitalen Informationswelt steht der Säbelzahntiger nun aber im Minutentakt parat, nicht mehr vor der Höhle, sondern auf dem Smartphone und anderen Geräten, die wir meist täglich nutzen.

Wir können unser Steinzeithirn nicht austauschen oder diese Vorliebe komplett „abschalten“. Wir können uns diesen und andere meist evolutionsbiologische bedingten Mechanismen aber verdeutlichen und dann lernen, in der „neuen“ Umwelt nachhaltig damit umzugehen. Beispielsweise indem wir eine Medienhygiene entwickeln, gekoppelt an Gewohnheiten und Routinen.

Prof. Dr. Maren Urner
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Wir leben in einer Zeit mit vielen negativen Nachrichten. Gibt es Lösungsansätze für eine nachhaltige Berichterstattung, die Orientierung auch in Krisen bietet?

Genau hier setzt der Konstruktive Journalismus an, der nicht bei der Problembeschreibung aufhört, sondern immer auch fragt: Was jetzt? Wie kann es weitergehen? Genau das ist im Grunde auch ein ur-menschliches Bedürfnis, denn wenn wir nicht nach dem „Wie weiter?“ fragen, wird jedes Handeln willkürlich. Der Psychotherapeut hat dieses zukunfts- oder lösungsorientierte Denken, das den Konstruktiven Journalismus ausmacht, mit einer Aussage auf den Punkt gebracht: „Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen.“ Aus zahlreichen psychologischen Studien wissen wir mittlerweile, dass genau dieses Denken nicht nur zu mehr Verständnis führt, sondern auch Hoffnung und damit Handlungsbereitschaft und Kreativität fördert.

Prof. Dr. Maren Urner

Was kann jeder von uns bei der Auswahl und Rezeption von Medien tun, um den Sensationsspiralen eines Mediensystems, das vor allem Aufmerksamkeit erregen möchte, entgegenzuwirken – wie können wir alle unseren eigenen konstruktiven Beitrag leisten?

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