Schimmel ist überall – Wie kommt er an die nötige Feuchtigkeit, Dr. Trautmann?

Im ersten Teil unserer Serie Alle Jahre wieder: „Der Winter ist gekommen, der Schimmel wächst aus“ hat Dr. Christoph Trautmann die „Feuchteschäden durch Kondensationen an Materialoberflächen“ mit den Schwerpunkten „Zusammenhang von Lufttemperatur und der in der Luft maximal aufnehmbaren Wasserdampfmenge“, „Ursachen für erhöhte Feuchtigkeit bzw. Kondensation an Materialoberflächen“ beschrieben.

In dem zweiten Teil erklärt Dr. Christoph Trautmann die Vorteile und Nachteile von Baustoffen mit großem Porengehalt. Er beantwortet die Frage: Wie kommen Schimmelpilze an die für sie lebensnotwendige Feuchtigkeit?  Und hat der fRsi-Temperaturfaktor einen praktischen Nutzen zur Vorhersage von Kondensationsschäden?

Besuchen Sie auch die Online-Vorlesung – Schimmel ist immer und überall in einem Gebäude, aber warum? Dr. Christoph Trautmann hat das Thema von A bis Z betrachtet. Daraus ist eine Online-Vorlesungs-Reihe mit 11 Themenblöcken entstanden.

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1.3 Vorteile von Baustoffen mit großem Porengehalt

Baustoffe mit einem hohen Porengehalt haben eine Vielzahl von Vorteilen und werden daher in der Bauwirtschaft im großen Umfang eingesetzt. Ein hoher Porenanteil im Baustoff verbessert zum Beispiel seinen Dämmwert und verringert sein Gewicht. Ein großes Porenvolumen, dass im Austausch mit der Raumluft steht, ermöglicht eine Pufferung von Feuchtigkeitsspitzen und kann dadurch das Raumklima deutlich verbessern. Hierbei lagert sich Wasserdampf in den Poren des Materials ein und wird dadurch der Raumluft temporär entzogen.

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Ein zu hoher Anstieg der Raumluftfeuchtigkeit kann so eine Zeit lang verhindert werden, so dass auch an kühleren Wandbereichen keine kritischen Feuchtigkeitskonzentrationen erreicht werden. Der Feuchtigkeitsgehalt von Materialien steht in einem dynamischen Austausch mit der Raumluftfeuchtigkeit. Solange die Raumluftfeuchtigkeit höher ist als die Luftfeuchtigkeit in den Materialporen, wird kontinuierlich Luftfeuchtigkeit in das Material eindiffundiert und der Raumluft entzogen. Wenn sich die Verhältnisse umdrehen, und die Feuchtigkeit der Raumluft,

z. B. nach einer Lüftung, stark vermindert wurde (siehe weiter oben) beginnt die Feuchtigkeit aus dem Material wieder zurück in die Raumluft zu diffundieren. 

Ein Problem bei diesem Vorgang besteht darin, dass der Raumnutzer von der Deposition der Luftfeuchtigkeit in das Material und insbesondere von dem Überschreiten eines kritischen Feuchtegehalts im Material in der Regel nichts mitbekommt, weil wir Menschen dafür kein geeignetes Sinnesorgan haben. Ein Maß dafür, wie viel mikrobiell verfügbares Wasser im Material enthalten ist, ist der aw-Wert, der unter länger anhaltenden gleichartigen Bedingungen aus der relativen Feuchtigkeit im Material abgeschätzt werden kann (siehe hierzu auch 1.4).

In der Tabelle 1 ist das Gesamtporenvolumen von wichtigen Baustoffen angegeben. Die angegebenen Werte sind grobe Einstufungen, die in einer konkreten Baustoffprobe leicht abweichen können. Ein wichtiger Unterschied zwischen den verschiedenen Baustoffen ist die Größenverteilung dieser Poren. Kleine Poren sind besonders wichtig bei der Mikrokondensation, weil hier, aufgrund von Adsorptionskräften, eine Mikrokondensation bereits bei Luftfeuchten um 80 % stattfinden kann (siehe 1.4).

Tabelle 1: Häufige Baumaterialien und ihre Porenvolumen

MaterialtypPorenvolumen [Vol %]
Kalksandsteinca. 29
Vollziegelca. 38
Gipsputzeca. 50
Porenbetonca. 72
Fichtenholzca. 71
Calciumsilicatplattenca. 90
Expandiertes Polystyrolca. 98

Zu den Materialien mit den feinsten Kapillaren und den kleinen Poren gehören Tone und Ziegel. Bei stärkeren Kondensationen können auch größere Materialporen mit Wasser volllaufen und dann zu einer mikrobiellen Besiedlung führen. Porenbeton und Gipskarton sind zwei Materialien, bei denen die Porenbildung bei der Herstellung induziert wird.

Die relativ großen Poren vom Porenbeton können bereits mit dem unbewaffneten Auge erkannt werden. In Abbildung 5 sind besiedelte Poren im Porenbeton vergrößert dargestellt. Im Gipskarton existieren eine Vielzahl etwas kleinerer Poren, die mit dem unbewaffneten Auge nur noch begrenzt erkannt werden können (Abbildung 6). 

1.4 Wie kommen Schimmelpilze an die für sie lebensnotwendige Feuchtigkeit

Schimmelpilze sind im Hinblick auf ihren Feuchtebedarf im Vergleich zu vielen anderen Organismen relativ genügsam.

Wenn es zur Auskondensation der Raumluftfeuchtigkeit auf kalten Oberflächen kommt, bilden sich zum Teil feuchte Flecken, so dass ein Schimmelpilzwachstum für jeden nachvollziehbar ist. Weniger nachvollziehbar ist dagegen das Wachstum von Schimmelpilzen bei einer relativen Luftfeuchtigkeit, bei der noch keine Oberflächenkondensation stattfindet.

Die Erklärung liegt in der Materialstruktur poriger Materialien (siehe Abbildung 7a). In diesen Materialien kann eine Mikrokondensation in feinen Kapillaren und kleinen Poren bereits oberhalb des Taupunktes aufgrund von Kapillar- und Adhäsionskräften stattfinden. Materialien, die längere Zeit einer feuchten Atmosphäre ausgesetzt sind, nehmen Feuchtigkeit aus der Luft auf. Bereits bei niedrigen Luftfeuchten diffundieren Wassermoleküle in die Materialien ein (siehe Abbildungen 7b + 7c).

Mit zunehmenden Feuchtegehalt bilden sich dünne Lage von Wassermolekülen auf den inneren Materialoberflächen (siehe Abbildung 7d). Bei einer weiteren Einwanderung von Wassermolekülen kommt es zu ersten Kapillarkondensationen (siehe Abbildung 7e), bei dem die gasförmigen Wassermoleküle zu flüssigem Wasser kondensieren. Im weiteren Verlauf tritt auch in kleinen Poren (siehe Abbildung 7f) und später in größeren Poren flüssiges Wasser auf.

Insgesamt nimmt der Gehalt an Wassermolekülen und damit die Wasseraktivität des Materials (aw-Wert) mit steigender relativer Luftfeuchtigkeit in der Umgebung zu.

Der  aw-Wert wird definiert als das Verhältnis des Wasserdampfdrucks über dem Material (pi) zum Wasserdampfdruck von reinem Wasser (po) bei gleicher Temperatur und Druck:   aw-Wert = pi / po.. Er nimmt somit einen Wert zwischen 0 und 1 an. Porige Materialien, die längere Zeit bei einer 80%igen Luftfeuchtigkeit gelagert wurden, nehmen einen aw-Wert von 0,8 an.

Das im Material enthaltende Wasser können viele Pilze ab einen aw-Wert von ca. 0,8 und einige spezialisierte Pilze bereits bei aw-Werten um 0,7 für ihre Entwicklung nutzen.

Zu diesen spezialisierten Pilzen gehören insbesondere Wallemia sebi, sowie Vertreter des Aspergillus glaucus-Komplex  (siehe Abbildung 8) und des Aspergillus restrictus-Komplex (siehe Abbildung 9).  Die genannten Pilze werden häufig bei Kondensationsschäden festgestellt. Diese Pilze wachsen vergleichsweise langsam, aber bilden eine Vielzahl von Sporen, die in belasteten Wohnungen dann in hohen Konzentrationen in der Raumluft festgestellt werden.

Abb. 8: Aspergillus glaucus, 1000x                               Abb. 9: Aspergillus restrictus, 1000x

Eine Infektion der Bewohner ist durch diese Schimmelpilze nicht zu befürchten. Allerdings kann es durch das Einatmen großer Sporenmengen zu einer Sensibilisierung gegen diese Pilzarten kommen oder es treten bei bereits sensibilisierten Personen allergische Reaktionen auf. Der Leitfaden des Umweltbundesamtes empfiehlt daher bekannte Schimmelschäden in Innenräumen zu sanieren.

2. Hat der fRsi-Temperaturfaktor einen praktischen Nutzen zur Vorhersage von Kondensationsschäden?

Der Temperaturfaktor fRsi ist ein Wert, der Hinweise auf die wärmedämmende Qualität von Außenbauteilen liefert. Er wird aus dem Verhältnis der Temperaturdifferenz zwischen der raumseitigen Oberflächentemperatur (in der Regel im Bereich einer Wärmebrücke) und der Außenlufttemperatur (θsi – θe) zur Temperaturdifferenz zwischen der Innen- und Außenluft (θi – θe) berechnet.

Unter Normbedingungen (bei 20 °C und einer relF von 20 %) liegt die Mindestanforderung bei einem Verhältnis von 0,7 oder höher (fRsi ≥ 0.70), bei dem in der Regel kein Schimmelpilzwachstum auftritt. 

In der Immobilienwirtschaft eignet sich dieser Wert vor allem dazu, die Mindestanforderung der Außenwanddämmung zu berechnen. Da die geforderten Normbedingungen in der Praxis selten über längere Zeit eingehalten werden können, ist dieses Verfahren zur Vorhersage von mikrobiellem Wachstum an Oberflächen nur bedingt geeignet. Viel sinnvoller ist die Verwendung von Datenloggern, die an den entsprechenden Wandbereichen platziert werden und kontinuierlich die Wandtemperatur und die relative Luftfeuchtigkeit erfassen.

Drartige Datenlogger (siehe Abbildung 10) sind relativ klein und können inzwischen mit einer App für sas Mobiltelefon zur „Lüftungsampel“ https://baubiologie.net/wissenswertes/lueftungsampel/  verknüpft werden und bieten so eine Unterstützung für eine kontrollierte Lüftung.  

Abb. 10: Datenlogger der Fa. Ruuvi

Zusammenfassung

Es ist kein Zufall oder gar eine unglückliche Entwicklung, dass die Verbreitungsstrategie vieler Pilze über die Luft erfolgt und Pilze so viele Sporen bilden, dass sichergestellt ist, dass alle Materialoberflächen zwischen dem Nord- und Südpol zumindest mit wenigen Sporen kontaminiert sind und auch immer wieder mit Sporen kontaminiert werden.

Eine sporenfreie Welt wäre nicht wünschenswert, weil durch das Fehlen von Pilzen der Abbau von organischen Materialien stark gebremst wäre und durch die fehlende Remineralisierung auch die Entstehung von neuen Lebensformen gebremst ist, was in letzter Konsequenz die Anpassung von Organismen auf Veränderungen behindern würde.

Wir müssen uns daher damit abfinden, dass „Keimzellen“ für mikrobielles Wachstum immer in Innenräumen vorliegen werden und dass wir eine Schimmelbildung am besten durch die Vermeidung von kritischer Materialfeuchte erreichen können.

Die übermäßige Feuchtigkeitsaufnahme von Materialien erfolgt vor allem in der kalten Jahreszeit im Bereich von Wärmebrücken. Bei Wohn- und Büroimmobilien erwartet man heutzutage eine Mindestwärmedämmung, die mit dem Temperaturfaktor fRsi unter Standardbedingungen überprüft werden kann. 

Um Kondensationsschäden im Innenraum zu vermeiden, muss bereits bei der Erstellung von Immobilien auf die Vermeidung von starken Wärmebrücken geachtet werden. Weiterhin ist es hilfreich, wenn die Nutzer auf Prozesse hingewiesen werden, bei denen besonders viel Feuchtigkeit freigesetzt wird und wie diese Freisetzung verringert werden kann. Außerdem muss der Sinn und die Häufigkeit von notwendigen Lüftungs- und Heizzyklen erklärt werden.

Da Wärmebrücken und das Erreichen kritischer Materialfeuchten für die Nutzer nicht erkennbar sind, hat sich, zumindest bei Gebäuden mit bauphysikalischen Schwachstellen, der Einsatz von Datenloggern bewährt, die zusammen mit dem Mobiltelefon als praktische Lüftungsampel genutzt werden können. 

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Themen und Termine für Online-Vorlesungsreihe

ThemaDatum
ATP-AnalysenApril 29, 2025 @ 17:00 – 18:00
Extremophile und extremotolerante MikroorganismenMai 20, 2025 @ 17:00 – 18:00
Bewertung von MaterialprobenJuni 10, 2025 @ 17:00 – 18:30
Bewertung von LuftprobenJuni 24, 2025 @ 17:00 – 18:30

Lesen Sie auch den ersten Teil der Serie von Dr. Christoph Trautmann Alle Jahre wieder: „Der Winter ist gekommen, der Schimmel wächst aus“.

Forum Leitungswasser erscheint in Kooperation mit der Initiative Schadenprävention und  der AVW Gruppe

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