Eigentum und Gemeinnützigkeit: Wie verträgt sich das?

Martina Haas

Es ist von großer Bedeutung, dass die Politik weiterhin sowohl den Bau von gemeinnützigen Wohnungen unterstützt als auch den Erwerb von Eigentum fördert und Anreize schafft.

In einer Zeit, in der die Wohnungsfrage zu einer großen Herausforderung unserer Gesellschaft geworden ist, ist es notwendig, verschiedene Wohnformen zu betrachten, die eine nachhaltige Lösung für ihre Bewohner bieten können. Die GWS als gemeinnützige Wohnbaugesellschaft in der Steiermark baut neben Mietwohnungen verstärkt auch Wohnungen zur sofortigen oder nachträglichen Eigentumsbegründung, frei nach ihrem Motto: „Und Generationen wohnen sorgenfrei.“

Hier ist zu erwähnen, dass Eigentum in der Steiermark eine wichtige Rolle spielt. Laut Statistik Austria leben 57 Prozent der Steirer in ihrem Haus- und Wohnungseigentum, während nur 34 Prozent eine Mietwohnung bevorzugen. Zum Vergleich: In Wien lag die Quote im Jahr 2021 bei 19 Prozent Eigentums- zu 77 Prozent Mietwohnungen.

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Die Vorteile von Eigentumswohnungen sind hinreichend bekannt. Dazu zählen die langfristige Sicherheit und Gestaltungsfreiheit, der Aufbau von Vermögen, die Altersvorsorge sowie die Weitergabe der Immobilie an die nächsten Generationen durch Schenkung oder Erbschaft. Modelle wie geförderte Mietwohnungen mit Kaufoption sind für junge Menschen eine attraktive Möglichkeit zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

In Anbetracht dieser Aspekte sowie angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation in der Baubranche – nicht nur im steirischen Raum – ist es von großer Bedeutung, dass die Politik weiterhin sowohl den Bau von gemeinnützigen Wohnungen unterstützt als auch den Erwerb von Eigentum fördert und Anreize schafft. Dazu gehört unter anderem die Bereitstellung von ausreichenden Fördermitteln, möglicherweise in Form von Direktdarlehen mit fixen Zinsen.

Wir dürfen nicht vergessen, wozu die Förderung da ist. Es geht um bezahlbaren Wohnraum für alle Einkommensgruppen. Schließlich ist es die Aufgabe einer gemeinnützigen Bauvereinigung, diesen Wohnraum im Sinne des Volkswohnungswesens allen zugänglich zu machen. Dies gilt für Mietwohnungen mit oder ohne Kaufoption genauso wie für geförderte Eigentumswohnungen.

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Martina Haas ist seit 24 Jahren in der Immobilienbranche tätig. Sie ist Geschäftsführerin der GWS Gemeinnützige Alpenländische Gesellschaft für Wohnungsbau- und Siedlungswesen.

Foto: Grüner Klub

Nina Tomaselli

Jede Wohnung, die dem Kreislauf entzogen wird, fehlt als Teil der mächtigen Mietpreisbremse gemeinnütziger Wohnbau.

Die beste Mietpreisbremse ist immer noch der gemeinnützige Wohnbau. Ein geniales Prinzip: Beiträge für den Bau von leistbaren Wohnungen werden solidarisch eingehoben. Der Großteil wird einem Kreislauf zugeführt, um Wohnungen zum garantiert günstigen Preis zu bauen und zu vermieten. Und der Kuchen – sowohl in Form von Mitteln als auch in Wohnungen – wird immer größer.

Doch das Kostendeckungsprinzip sorgt nicht nur für bezahlbare Mieten. Der immer größer werdende Bestand hat auch eine preisdämpfende Wirkung auf den Wohnungsmarkt insgesamt. Nicht zufällig hat Wien als Weltstadt im Vergleich zu Paris oder London noch immer relativ niedrige Mieten. Wenn jedoch Eigentum im gemeinnützigen Wohnbereich begründet wird, stehen diese Wohnungen den Wohnungsnutzern à la longue eben nicht mehr zu den günstigen Konditionen zur Verfügung. Das Kostendeckungsprinzip wird früher oder später Platz machen, und stattdessen zieht die Marktlogik in solcherart verkaufte Wohnungen ein.

Wohnbaupolitik kann man nicht in Perspektiven von politischen Perioden betreiben. Hohe Kreditzinsen, strengere Kreditvergaberichtlinien, astronomische Bodenpreise – ja, die Eigentumsbildung für den Einzelnen ist bedeutend schwerer geworden. Es mag dieser Tage für die Politik verführerisch sein, dass der unerfüllte Eigentumswunsch durch den gemeinnützigen Sektor erfüllt werden soll. Auf lange Sicht ist das jedoch ein wohnpolitischer Boomerang. Ein Blick über die Grenze nach Deutschland zeigt, dass die komplette Aushöhlung des gemeinnützigen Sektors für die Allgemeinheit so teuer wurde, dass sie jetzt wieder eingeführt werden soll.

Eine gemeinnützig erbaute Eigentumswohnung mag für den Einzelnen zwar gut sein, aber in der Gesamtheit schwächt das den preisbremsenden Effekt des gemeinnützigen Sektors, der über ganze Epochen hinweg seine Wirkung entfalten kann. Jede Wohnung, die dem Kreislauf entzogen wird, fehlt als Teil der mächtigen Mietpreisbremse gemeinnütziger Wohnbau – und das nicht nur für ein paar Jahre, sondern ein Gebäudeleben lang.


Nina Tomaselli ist seit 2019 Abgeordnete zum Nationalrat sowie Sprecherin für Finanzen, Kontrolle, Wohnen und Bauen. Zudem ist sie Mitglied des Bundesvorstands und stellvertretende Bundessprecherin der Grünen.

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