Wohnqualität: Das ist mehr als die Bereitstellung von Angeboten innerhalb der Grenzen des Bauplatzes. Die Quartiersentwicklung ist daher ein wesentliches Ziel der IBA Wien und ihrer Projekte.
MAIK NOVOTNY
Neues soziales Wohnen – so lautet das Motto der IBA_Wien 2022. Wohnen, das bedeutete schon im Roten Wien der 1920er Jahre mehr als nur die reine Bereitstellung von Wohnraum. Das Wohnbauprogramm war damals Teil eines großangelegten Versorgungsprogramms mit speziellen Angeboten. Die heutigen Anforderungen der diversifizierten Gesellschaft einerseits und der Leistbarkeit andererseits verlangen mindestens in gleichem Maße nach einer Planung, die das Umfeld mit berücksichtigt und über ein reines Auffüllen von Baufeldern hinausgeht.
Daher ist die Quartiersentwicklung ein elementarer Pfeiler der Internationalen Bauausstellung. „Es braucht Angebote für die Menschen im Quartier“, betont IBA-Koordinator Kurt Hofstetter. „Kurze Wege und Zugänglichkeit sind elementar; so entstehen Synergien und ein Mehrwert fürs Quartier. Es ist sinnvoll, diese Angebote schon im Bauträgerwettbewerb abzustimmen.“
Ein Paradebeispiel für ein neues soziales Quartier entsteht zurzeit auf dem 31.000 Quadratmeter großen Areal der ehemaligen Badner-Bahn-Remise an der Wolfganggasse in Wien-Meidling. Der Fokus bei den circa 850 geförderten Wohnungen liegt auf Angeboten für Alleinerziehende, hinzu kommen Wohngemeinschaften für teilbetreutes Wohnen von Menschen mit Behinderungen sowie Heimplätze, weiters Wohnangebote für Menschen in Not. Insgesamt entstehen fünf Projekte auf vier Bauplätzen, der Bauträgerwettbewerb im Rahmen der Wohnbauoffensive des wohnfonds_wien erfolgte 2018.
Mix an Angeboten
Neben Gesiba, Wigeba und Heimbau sind es vor allem Neues Leben und WBV-GPA auf dem Bauplatz C, die hier unter der Überschrift „Lebenscampus“ einen breiten Mix an Angeboten schaffen. „Der Titel erklärt das Konzept perfekt“, so WBV-GPA-Geschäftsführer Michael Gehbauer. „Es gibt hier Angebote für alle Lebenssituationen.“ Auch da liegt der Fokus auf Alleinerziehenden als Zielgruppe, hier werden neben Wohnclustern in Kooperation mit dem neunerhaus auch Wohnungen für den kurzfristigen dringenden Bedarf bereitgestellt.
Zusätzlich kooperiert man mit der seit langem im Grätzl ansässigen Österreichischen Jung- arbeiterbewegung (ÖJAB), die auf dem Nachbargrundstück selbst als Bauträger fungiert. Auf dem Lebenscampus werden für die ÖJAB ein Lehrlingswohnheim, Werkstätten und Ausbildungsplätze entstehen. „Die Gemeinschaftsräume werden eher klein und dezentral angeordnet“, so Gehbauer, „denn hier ist auch eine Kooperation mit den kulturellen Einrichtungen in der ehemaligen Remise angedacht.“ Diese wird vom Bauträger SoReal zum Grätzelzentrum und kulturellen Hotspot umgebaut, der auch das bestehende Umfeld re-aktiviert.
„Der programmatische Mix in der Wolfganggasse entspricht sehr dem ursprünglichen Gedanken des Roten Wien, weil er direkt beim tatsächlichen Bedarf ansetzt“, betont Kurt Hofstetter. „In diesem Fall ist die Quartiers- entwicklung aber eine Quartierserweiterung, die den Bestand ergänzt. Ein Schlüssel zum Erfolg liegt in der Quartiersentwicklung immer bei der Mobilität. Es macht einen großen Unterschied, wenn der öffentliche Raum AufenthaltsVisualisierung qualität hat und die Angebote fußläufig erreichbar sind.“ Eine Sanierungsoffensive wird die Wohnqualität im Umfeld in den kommenden Jahren zusätzlich steigern.
Betreutes Wohnen
Ebenfalls in der bestehenden Stadt, jedoch unter komplett anderen Vorzeichen, betreibt das Projekt „Apfelbaum – Inklusives Leben und Wohnen in Hernals“ Quartiersentwicklung. Der gleichnamige 2015 gegründete Verein hat sich das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung zum Ziel gesetzt, die Initiatoren fanden zur Umsetzung einen Gründerzeitblock im 17. Gemeindebezirk, in dem einzelne Parzellen kombiniert wurden.
Geplant sind verschiedenartige Wohnangebote vom Betreuten Wohnen über Wohngemeinschaften bis zu Singlewohnungen. Die Betreuten Wohnungen sollen jedoch explizit keinen „Heim“-Charakter haben, stattdessen wird ein „würdevolles Wohnen“ angestrebt, ein inklusiver Cluster, in dem sich niemand zweitrangig fühlen muss. Auch Angebote fürs Quartier – Gemeinschaftsbereiche, Geschäftsflächen und ein Gesundheitszentrum – sind beabsichtigt. Baubeginn ist 2020…