Der Wasserstand der Normenflut

Die Ausstellung „Form folgt Paragraph“ am Architekturzentrum Wien liefert sachliches und vergnügliches Anschauungsmaterial für die zahlreichen Diskussionen zur Übernormierung.

MAIK NOVOTNY

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Fragt man gemeinnützige Bauträger nach der größten Bedrohung des leistbaren Wohnens, kommt seit Jahren neben der Bodenpolitik unweigerlich die „Normenflut“ zur Sprache. Stellplatzregulierungen mit teuren Folgen, Absturzsicherungen, die immer höher werden, Barrierefreiheit ohne Ausnahmen und ein Brandschutz, der in endloser Verschärfungsspirale immer mehr aufwändige Maßnahmen erfordert. Nicht zuletzt scheint die Verrechtlichung des Bauwesens jede Handschlagsqualität eliminiert zu haben. Juristen und Gutachter werden in Stellung gebracht, jeder kleine Mangel droht potenziell ruinöse Folgen zu haben. Vertreter des ASI (Austrian Standards Institute) durften sich bei früheren Wohnbausymposien einiges an scharfer Kritik anhören.

Die seit November und noch bis Anfang April laufende Ausstellung „Form folgt Paragraph“ im Wiener Architekturzentrum AzW trifft genau den Nerv der Gegenwart. Ihr Ziel ist es jedoch keineswegs, alle Gesetzgeber in Bausch und Bogen an den Pranger zu stellen. Vielmehr will sie illustrieren, welchen Einfluss Normen und Gesetze auf die Gestalt des Gebauten haben und welche Freiheiten den Architekten dabei noch bleiben. Die Ausstellungsarchitektur aus Aktenordnern mag fast zu naheliegend wirken, ergibt aber ein einladendes Labyrinth, in dem man auf Entdeckungsreise gehen kann. Diagramme, Texte, Bilder, Objekte und Einladungen zu Selbstversuchen bringen die nötige Abwechslung in die Wissensvermittlung. Das auffälligste Element der Ausstellung ist eine Reihe von Treppen aus verschiedenen Ländern, gebaut im jeweils dort zulässigen Steigungsverhältnis – Handläufe inklusive.

Schutz vor Katastrophen

Auch die Aufarbeitung des historischen Hintergrunds fehlt nicht: Am Anfang steht die Geschichte der Wiener Bauordnung, die seit der Erstauflage im Jahr 1829 von 30 auf 140 Paragraphen angeschwollen ist. War ihre Intention im 19.Jahrhundert vor allem der ästhetisch motivierte Schutz…

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