Das Positive am Sozialmix muss auch gefördert werden

Dass aus städtebaulicher und bevölkerungspolitischer Perspektive ein Sozialmix aus Angehörigen verschiedener sozialer Gruppen und Ethnien vernünftig ist, belegen ausländische Beispiele. Eine Wohnpolitik, die zulässt, dass gewisse Viertel von einer sozialen Gruppe monopolisiert werden, begünstigt eine Dynamik, an deren Ende sich als autonom verstehende Gebiete stehen – mit einer falschen Unabhängigkeit von der staatlichen Verwaltung und der Entwicklung eigener Institutionen wie Ordnungskräfte oder Gerichtsbarkeit.

Allerdings: Abgesehen von Nischenmilieus ist der Sozialmix nicht wirklich populär; das beeinflusst die Marktsituation und schafft eine kontraproduktive gesellschaftliche Spaltung: Finanzkräftige Gruppen meiden Gebäude mit Sozialmix und der „Kulturkampf im Gemeindebau“ ist ein beliebtes Thema der Gratiszeitungen. „Gleich und gleich gesellt sich gern“ – das populäre Sprichwort pocht auf Allgemeingültigkeit. Was die gesellschaftliche Organisation des Wohnens betrifft, meint der Satz, dass eine bestimmte Wohnform gewisse, sozusagen programmierte Konflikte zwischen den aus verschiedenen Milieus stammenden Hausbewohnern reduziert. Menschen der gleichen sozialen Gruppierung, also mit einem ähnlichen zivilisatorischen Hintergrund und ähnlichen Gewohnheiten im Zusammenleben, würden weniger über störende Küchengerüche, unterschiedliche Vorstellungen über die Nutzung der gemeinschaftlichen Räume oder über nächtliche Ruhezeiten streiten.

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Alfred Pfabigan ist Professor für Philosophie an der Universität Wien, Lehrender an diversen Bildungseinrichtungen in den USA, Frankreich und Ukraine sowie Autor zahlreicher Werke in den Bereichen der Ethik und Sozialphilosophie. Seit 2013 leitet Pfabigan die Philosophische Praxis Märzstraße im 15. Wiener Bezirk. Umfassende Studien zu Freud und seine eigene Analyseerfahrung statten Pfabigan mit einem Wissen aus, das sein Denken und Handeln auch als praktischer Philosoph mitbestimmt und Empathie mindestens ebenso viel Bedeutung zumisst wie der „Hebammenkunst“ der sokratischen Gesprächsführung.

Intensive Begleitung notwendig

Das Problem sträubt sich gegen schnelle Lösungen. Die bloße, bürokratisch vorgegebene Planungsrichtlinie ist zu wenig, sie bürdet den künftigen Bewohnern die Lösung der, vor allem in der Anfangsphase, akuten Probleme auf.

Der Planungsaufwand ist ein anderer, sowohl was die Gebäude wie auch die Viertel betrifft – hier muss alles passen. Das erfordert Rücksichtsmaßnahmen, die auch von den Vertretern des Sozialmixes kaum thematisiert werden. Derzeit koexistiert das Bekenntnis mit einer Raumgestaltung, die sich, was Schnitt und Equipment betrifft, weitgehend am Geschmack und den Bedürfnissen der heimischen Tradition ausrichtet. Aber muss der, der den Sozialmix fordert, nicht auch die Frage bedenken, ob verschiedene Milieus verschiedene Wünsche bezüglich Nassräumen und Küchengestaltung haben?

Weitere zu lösende Schwierigkeiten beginnen ja nach dem Bezug des Gebäudes. Der Sozialmix bedarf einer intensiven, moderierenden Begleitung. Das alibihafte Engagement einer Spezialistin für – etwa – interkulturelle Konflikte, die ein großes Feld betreut, gelegentlich bei einem Problembau vorbeischaut und die Bewohner ermahnt, sich zu vertragen, ist wohl zu wenig. Auch täte es gut, das Positive am Sozialmix nicht nur zu verkünden, sondern zu fördern – kurz, die Frage, die derzeit im ideologischen Feld geparkt ist, ins Praktische zu schieben.

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