Wie gelingt eine gute soziale Durchmischung?

Maria Vertesich

„Bauliche Kriterien für die Umsetzung von sozialer Nachhaltigkeit und Durchmischung sind die Bereitstellung eines vielfältigen Wohnungsangebots.“

Maria Vertesich

Eines vorweggeschickt: Die Grundvoraussetzung für eine soziale Durchmischung ist, in der Städte- und Ortsplanung Strukturen zu schaffen, die dies zulassen und unterstützen. Damit kann sozialer Benachteiligung und Ausgrenzung entgegengewirkt werden. Als gemeinnütziger Wohnbauträger mit Sitz in Wien ist Neues Leben seit Jahrzehnten mit der Schwerpunktsetzung auf soziale Nachhaltigkeit im geförderten Wohnbau sehr erfahren. Bauliche Kriterien für die Umsetzung von sozialer Nachhaltigkeit und Durchmischung sind die Bereitstellung eines vielfältigen Wohnungsangebots unter Einbringung unterschiedlicher Wohnformen, wie Heimen, Wohngemeinschaften und gemeinschaftlich nutzbaren Flächen. Wesentlich ist weiters, eine Wohnhausanlage attraktiv für unterschiedliche Altersgruppen zu gestalten. Ein Augenmerk liegt ferner auf Angeboten für Nutzer mit speziellen Bedürfnissen, auch solchen in prekären Lebenssituationen, wo gemeinsam mit sozialen Trägern Menschen die Möglichkeit auf Wohnraum gegeben wird. Um das soziale Zusammenleben der Bewohner der unterschiedlichen Wohnformen zu fördern, ist es zweckmäßig Anreize für die Partizipation am Gemeinschaftsleben zu schaffen.

Dir.in Mag.a Maria Vertesich ist ausgebildete Rechtsanwältin und Obmann-Stellvertreterin der Gemeinnützige Bau-, Wohnund Siedlungsgenossenschaft „Neues Leben“ reg. Gen.m.b.H.

Eines der aktuellsten Projekte, welches Neues Leben gemeinsam mit der WBV-GPA umsetzte, ist der Lebenscampus Wolfganggasse im 12. Wiener Gemeindebezirk. Das Angebot der Wohnungen ist vielfältig von Grundriss sowie Größe und umfasst auch besonders geförderte Smart-Wohnungen. Ebenso stehen vielfältig nutzbare Gemeinschaftsräume sowie großzügige gemeinschaftlich nutzbare Dachterrassen und Gartenflächen zur Verfügung. Vom Zeitpunkt der Besiedelung bzw. bis ein Jahr danach wird das Projekt von einem Besiedlungsmanagement betreut, welche die Partizipation und Mitbestimmung der Nutzer anregen soll. Ein Eröffnungsfest brachte die Bewohner zusammen. Wir sehen in dem Projekt die strukturellen und baulichen Grundlagen erfüllt, um die soziale Durchmischung in dem Grätzl Wolfganggasse umzusetzen.

Foto: Ulreich

Hans Jörg Ulreich

Auf den bestehenden Sozialbauten, auch in den allerbesten Lagen, könnten durch intelligente und sanfte Nachverdichtung in der Stadt noch 130.000 soziale Wohnungen dazugebaut werden.

Hans Jörg Ulreich
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Mag. Hans Jörg Ulreich hat Betriebswirtschaft studiert, ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH und Bauträgersprecher in der WKO.

Die aktuelle Wohnbau- und Sozialpolitik der Wiener Stadtregierung baut in erster Linie unsere lebenswerte, durchaus durchmischte Stadt in eine typische Weltmetropole mit einkommensschwachen Brennpunktsiedlungen am Stadtrand um. Statt sozialen, gemeinnützigen Wohnbau, wie die auf der ganzen Welt berühmten Wiener Gemeinde- und Genossenschaftsbauten, innerstädtisch zu verdichten, statt nur zu sanieren, werden – im Übrigen auf wertvollen landwirtschaftlichen Böden – im Wiener Umland Satellitenstädte im großen Stil hochgezogen. Zu Beginn noch sozial durchmischt besiedelt, werden die Besserverdiener bald wieder in die Stadt oder ins Haus auf dem Land abwandern. Nur jene werden bleiben, die es müssen und die es im Leben schon grundsätzlich nicht leicht haben. Im wahrsten Sinne des Wortes und in jeder Hinsicht durch die öffentliche Hand an den Rand gedrängt.

Die Lösung wäre gerade in Wien so einfach. Auf den bestehenden Sozialbauten auch in den allerbesten Lagen, könnten durch intelligente und sanfte Nachverdichtung in der Stadt noch 130.000 soziale Wohnungen dazugebaut werden. Diese Wohnungen sollten auch nur ausschließlich sozial Bedürftigen zugewiesen werden. Böden im Umland sollten unverbaut bleiben. Soziale Durchmischung fände – wie früher – mitten in der Stadt und ganz selbstverständlich statt. In den Parks, den Kindergärten, den Schulen, den Hundezonen oder Supermärkten. Das aktuelle Konzept hingegen, im Vergleich zu Niedrigstlohnbeziehern auch privilegierten Menschen – in Wien z. B. darf man als Einzelperson monatlich bis zu 3.810 Euro netto verdienen – eine Gemeindewohnung zuzuteilen, um die soziale Durchmischung zu fördern, ist für mich, weil Realität, schlicht ein Witz! Mit fairer, sozialer Wohnungsvergabe im innerstädtischen Sozialbau, intelligenter Nachverdichtung auch am Privatmarkt und spannenden Nachbarschafts- und Sozialprojekten könnten wir das Beste aus der Bestandstadt Wien herausholen. Für jede Einkommensschicht!

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