Ausgezeichnete Architektur

Das junge – oder eigentlich doch schon etablierte – Architektenteam WUP sorgt mit seinen Grundrissen und seinem Plädoyer für mehr Nutzerorientierung für Aufsehen. Mit unkonventionellen Projekten und belohnt mit zahlreichen Auszeichnungen bringt WUP konzeptive Entwürfe auf den Boden der Realität. Flexibilität im Wohnen ist eines der Leitthemen, und bereits auch außerhalb von Österreich gefragt.
GISELA GARY

Ein Foto? „Nur mit unserem Team“, lacht Bernhard Weinberger. Im Hintergrund wird emsig gearbeitet. Das Büro ist eigentlich ein großes Loft in einer ehemaligen Fabrik im 5. Bezirk in Wien. Partner Andreas Gabriel schmunzelt, „WUP sind nicht nur wir beide – uns gibt’s nur als Team.“ Helmut Wimmer, Gründer und Gesellschafter von WUP, spielt ebenso immer noch eine Rolle, nicht mehr operativ, aber sein Fokus auf Konzepte und sein Herzblut für Wohnbau prägen das Büro bis heute.

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Wer ist der Chef im Büro? Wer auf der Baustelle?

Gute Ergebnisse entstehen dann, wenn Architekt, Bauträger und Baufirma an einem Strang ziehen. Und im Büro setzen wir auf flache Hierarchien. Wir arbeiten im Team und muten unseren Mitarbeitern sehr viel zu. Das ist uns sehr wichtig. Auch junge Mitarbeiter erhalten bald schon mal Verantwortung. Einmal pro Woche gibt es ein Bürofrühstück, an dem alle Projekte besprochen werden, damit sind alle am gleichen Wissensstand.

Bernhard Weinberger

In den vergangenen Jahren wurdet Ihr mit Auszeichnungen überhäuft. Seid Ihr schon am Abheben?

WUP architektur 
2014 Gründung wup ZT GmbH durch Helmut Wimmer, Bernhard Weinberger und Andreas Gabriel; seit 2020 Geschäftsführung: A. Gabriel, B. Weinberger Mitarbeiter*innen: 10 
www.wup-architektur.com

Nein, sicher nicht. Die Preise sind ein schönes Feedback für unsere Arbeit. Wir bekommen ja als Architekten generell wenig Feedback. Daher sind Auszeichnungen schon wichtig. Und natürlich steigern diese auch unsere Bekanntheit. Wir werden zu Vorträgen eingeladen und übernehmen Beiratstätigkeiten – auch im Ausland.

Bernhard Weinberger
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Flexibilität und Veränderbarkeit von Wohnräumen sind offensichtlich Eure Leitthemen. Warum?

Weil wir davon überzeugt sind, dass sich Wohnen laufend verändert, da es eben sehr unterschiedliche Lebensphasen gibt. In unserem aktuellen Projekt, „Ohlalaa Kurbadstraße“ von der Gewog, gemeinsam mit g.o.y.a., haben wir all diese Gedanken umgesetzt – gerade weil das Themen sind, die unsere Zukunft prägen werden. Menschen sollen nicht gezwungen sein, bei sich verändernden Lebenssituationen umziehen zu müssen, sondern es soll möglich sein, die Wohnungen an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen. Das geht perfekt mit Schiebewänden und Wohnungen, die nicht mehr in einzelne Zimmer, sondern in Nutzungsbereiche eingeteilt werden. So wird es den Menschen ermöglicht, in ihren Wohnungen ihre Lebensgeschichte zu schreiben und es kann kurz- aber auch langfristig auf Änderungen reagiert werden.

Die Thematik der Flexibilität verfolgen wir bei der Kurbadstraße nicht nur bei den Wohnungsgrundrissen, sondern auch in der äußeren Hülle. Unsere Idee ist dabei das 200-Jahre-Haus: eine Art Gründerzeithaus in Stahlbetonskelettbauweise mit einer schlanken Konstruktion und Ausfachungen mit nachhaltigen Materialien – z. B. mit Stampflehm, da sind wir im Austausch mit den Lehmexpert*innen Martin Rauch und LehmTonErde. Es wird urbane Landwirtschaft geben auf den Dächern und an Fassaden. Also richtige Lebensmittelproduktion, nicht bloß „urban gardening“.

Bernhard Weinberger

Ihr habt gemeinsam mit ARTEC Architekten und raum & kommunikation das serielle Bausystem SMAQ entwickelt und erfolgreich in St. Pölten umgesetzt. Serielle Fertigung und Standardisierung ist allerdings immer noch nicht im Wohnungsbau angekommen?

Dem Konzept von SMAQ liegt die
Idee eines modularen und seriell vorgefertigten
Parkhauses zugrunde, das wir
einfach mit Holzfertigteilwänden für
Wohnraum ausfachen. Und ja, die Umsetzung
von seriellem Bauen im Wohnbau
ist noch mit großen Bedenken und
Unsicherheiten konfrontiert. Dies liegt
vor allem daran, dass es eine neue Art
von Planen und Bauen voraussetzt und
das Altbekannte auf dem Bau geändert
werden würde. In Ulm bauen wir nun einen
Wohnbau mit fertigen Nasszellen.
Die Vorteile beim seriellen Bauen überwiegen:
Kostensicherheit, Ressourcenschonung,
weniger Müll – bessere Arbeitsbedingungen.

Bernhard Weinberger

Könnt Ihr Eure Grundhaltung kurz skizzieren – auf der Website klappt unter „Philosophie“ kein Untermenü auf!

Wichtigste Projekte
Siedlung Am Wienerfeld West; Wohnbau Ohlalaa Kurbadstraße, Gewog; Wohnbau Ulm Dichterviertel: „Export“ Wiener Wohnbautypologien nach Deutschland, in Planung; Wohnbau Berresgasse, ÖSW und Schwarzatal; Gemeindebau Neu Aspern H4, Wigeba; Wohnbau Podhagskygasse: Wohnungskonfigurator, Wahlnachbarschaften, Eisenhof; Wohnbau Smaq St. Pölten, BWSG; Wohnbau Bonsaigasse, BDN; Baugruppenprojekt LiSA, Schwarzatal; Pflegewohnhaus Rudolfsheim, Gesiba

Unsere Website ist gerade in Überarbeitung – aber wir sind tatsächlich weniger interessiert an philosophischem Diskurs – es geht in erster Linie darum, Konzepte zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen. Wir versuchen immer, gesellschaftliche Tendenzen im Blick zu haben und mit unseren Entwürfen auch darauf zu reagieren. Wohnen beginnt ja nicht erst an der Eingangstüre. Es geht um das Haus, mit dem sich die Bewohner* innen identifizieren, der Vorbereich, die Erschließung und der Freiraum sind dabei ganz wichtig. Wir sehen eine Tendenz zum gemeinschaftlichen Wohnen, Menschen wollen Nachbarschaft und gemeinschaftliches Handeln. Bei dem Wohnbau Bonsaigasse, Bauträger war BDN, haben wir das ganze Haus als einen Begegnungsraum konzipiert, die Gänge wurden hier zu Gemeinschaftswohnzimmern erweitert und es gibt sogar eine Minigolfanlage über alle Geschoße.

Bernhard Weinberger
Projekt „Ohlalaa – klimafit in Oberlaa“ von der Gewog: urbane Landwirtschaft, nachhaltige Gebäudestruktur, Bauen mit Lehm und flexibles Wohnen
Rendering: Patricia Bagienski / g.o.y.a./WUP architektur

Hat das Einfamilienhaus noch eine Berechtigung?

Nein. Wir haben noch nie eines gebaut und wir werden auch keines bauen.

Bernhard Weinberger

Welches Konzept ist die beste Antwort auf den Wunsch nach dem Einfamilienhaus?

Q ualitäten plus Gemeinschaften zu schaffen. Das Einfamilienhaus darf keine Zukunft haben! Und irgendwann (nach Trennungen, im Alter etc.) sind die meisten Leute mit ihren Einfamilienhäusern überfordert. Wohnbauten müssen einfach die Qualitäten eines Einfamilienhauses haben. Die Rolle der Architektur wird durch den Klimawandel an Bedeutung gewinnen, die Architekt*innen sind gefragt, Lösungen zu entwickeln. Zugleich muss aber die Politik deutlich aktiver werden, sonst schaffen wir den Klimawandel nicht. Wir brauchen viel engere Klimaziele, kurzfristige Ziele, deren Einhaltung genau überprüft wird.

Bernhard Weinberger

Für Ulm habt Ihr eine Wohnbebauung mit 70 Wohnungen, einen Kindergarten und einen Reha-Verein geplant. Was ist das Besondere an diesem Auftrag?

Das ist unser erster Direktauftrag! Die Bauherren – Ulmer Heimstätte und Projekt „Ohlalaa – klimafit in Oberlaa“ von der Gewog: urbane Landwirtschaft, nachhaltige Gebäudestruktur, Bauen mit Lehm und flexibles Wohnen UWS, wollten dezidiert einen Wohnbau ganz im Sinne des Wiener Wohnbaus. Wir entwarfen „Bassena-Typologien“ mit durchgehenden Erschließungszonen und Platz für Kommunikation, und „Pawlatschen“ mit vier Metern Breite, damit man diese Laubengänge auch wirklich nutzen kann. Die Grundrisse sind mit Schiebewänden flexibel nutzbar. Und wir haben auch „Kabanen“ entwickelt. Das sind freistehende Holzboxen zwischen Küche und Wohnbereich, Abstellräume mit Mehrwert, die eben auch als Homeoffice, als Spielhäuschen usw. genutzt werden können.

Bernhard Weinberger

Wettbewerb oder Direktbeauftragung?

Wir machen viele Wettbewerbe. Und das mit einer sehr guten Erfolgsquote: Von den letzten sechs Wettbewerben haben wir drei gewonnen und zwei Anerkennungen geschafft. Aber klar, Direktaufträge sind natürlich auch gut – weil damit auch Wertschätzung entgegengebracht wird.

Bernhard Weinberger

Baugruppe, Bauträger oder privater Bauherr?

Alles spannend – unterschiedliche Arbeiten. Die Baugruppe hat den Vorteil, dass man mit zukünftigen Nutzer* innen am Tisch sitzt, die Arbeit ist dann auch sehr intensiv. Mit Bauträgern geht das konzeptive Weiterdenken gut, weil man für abstrakte Nutzer* innen plant.

Bernhard Weinberger

Wunschtraumprojekt?

Wir wollen die Qualitäten des Einfamilienhauses in den Wohnbau bringen und gleichzeitig integrativer und nachhaltiger bauen. Spannend fänden wir da z. B., eine alte Fabrik zu sanieren und eine Mischnutzung aus Wohnen, Arbeiten, Leben zu etablieren, oder eine alte Parkgarage umzunutzen, und das möglichst mit Recyclingprodukten und einem hohen Grad an Vorfertigung. Und wenn wir noch neue Gebäude bauen, dann solche, die über einen sehr langen Zeitraum funktionieren – am besten eben 200 Jahre lang.

Bernhard Weinberger

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