Wortbruch bei der Stromsteuer: Vertrauen verspielt, Wohnungsbau vernachlässigt

Im Koalitionsvertrag klang alles noch ambitioniert: CDU, CSU und SPD versprachen die Senkung der Stromsteuer für alle – auf das europäische Mindestmaß. Es sollte eine Sofortmaßnahme werden, um Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu entlasten.

Doch nun hat die Bundesregierung in ihre Haushaltsentwurf beschlossen, diese Entlastung nur auf Industrie und Landwirtschaft zu beschränken. Die Entscheidung entfacht politischen Streit und bringt einen wachsenden Vertrauensverlust mit sich – nicht nur in der Energie-, sondern auch in der Wohnungsbaupolitik.

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Stromsteuer-Senkung bleibt aus – Kritik aus allen Richtungen

„Stromsteuer jetzt senken“ – mit diesem Slogan warb CSU-Chef Markus Söder bereits vor zwei Jahren im Wahlkampf, begleitet von dem Bild einer Glühbirne auf einem Münzstapel. Nun, zwei Jahre später und nach dem Regierungswechsel, zeigt sich: Das Versprechen bleibt für die breite Bevölkerung unerfüllt. Die Ampel-Koalition ist Geschichte, doch auch die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD bricht mit ihren Ankündigungen.

Laut Haushaltsentwurf wird die Stromsteuer lediglich für Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft gesenkt. CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek kritisiert: „Deswegen sollten wir die jetzt auch erfüllen, weil der Markenkern dieser neuen Koalition ist, dass wir das halten, was wir versprechen.“ Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst warnt vor einem „Bruch des Koalitionsvertrags“, der Millionen Familien enttäusche.

Gleichzeitig versucht die Bundesregierung, die Entscheidung zu verteidigen. CDU-Kanzleramtschef Thorsten Frei erklärt: „Tatsächlich ist es so, dass man nicht alles, was man gerne machen würde, auch tatsächlich realisieren kann.“ CDU-Sozialflügel-Chef Dennis Radtke bringt eine andere Maßnahme ins Spiel: „Eine Entlastung für alle ist besser als eine Mütterrente für wenige.“

Hubert Aiwanger, bayerischer Energieminister und Chef der Freien Wähler, wird noch deutlicher: „Natürlich ist es Wortbruch. Das schadet auch der Stimmung in der Wirtschaft.“ Der Vertrauensverlust, so der Tenor mehrerer Verbände, gefährdet die Glaubwürdigkeit der gesamten Energiewende.

Energiekosten: Bürger geraten in die Kostenfalle

Besonders betroffen sind private Haushalte. Nach Angaben von Haus & Grund Deutschland sind die Strompreise zwischen 2020 und 2024 um fast 30 Prozent gestiegen. „Die Energiewende schreitet weiter voran, doch wenn die Stromkosten so hoch bleiben, werden die Bürger in eine Kostenfalle getrieben“, warnt Präsident Kai Warnecke.

Auch der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) sieht die geplante Abkehr von der Stromsteuer-Senkung kritisch. Dr. Martin Sabel betont: „Verbraucher haben investiert – im Vertrauen auf sinkende Strompreise. Dieses Vertrauen wird nun untergraben.“

Wohnungsbau: Verlorene Jahre und verpasste Chancen

Während über Energiepreise gestritten wird, steckt der Wohnungsbau in einer tiefen Krise. Der Spitzenverband GdW prognostiziert für 2025 einen dramatischen Rückgang der Neubauinvestitionen um fast 20 Prozent. Schon jetzt fließen immer weniger Mittel in neue Projekte – trotz politischer Versprechungen eines „Bau-Turbos“.

GdW-Präsident Axel Gedaschko warnt: „Wer jetzt zusätzlich Regulierung für Wohnungen plant, die gerade noch wirtschaftlich darstellbar sind, treibt die Branche vollends in die Knie.“ Die geplante Ausweitung der Mietpreisbremse auf Neubauten bis Baujahr 2019 sei ein „Neubau-Killer“.

Trotzdem bleiben die Mieten bei den GdW-Unternehmen vergleichsweise stabil – mit durchschnittlich 6,62 Euro pro Quadratmeter. Der eigentliche Kostentreiber sind die Betriebskosten, vor allem durch gestiegene Energiepreise. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich das Wohnen durch Energie allein um bis zu 438 Euro pro Jahr verteuert.

Lösungsansätze: Förderung statt Bürokratie

Als Gegenmaßnahme fordert der GdW eine Wiederaufnahme der EH-55-Förderung. Damit könnten kurzfristig bis zu 51.000 neue Wohnungen entstehen – wenn Planungssicherheit und Förderkulissen stimmen. Auch die Forderung nach beschleunigten Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau, analog zur EU-Notfallverordnung für Windkraft, steht im Raum.

Eine gezielte Förderstrategie sei nötig – weg von ineffizienter Sanierung, hin zu CO₂-effizienten Maßnahmen mit klaren sozialen Komponenten. „Wohnen darf kein Luxusgut werden“, mahnt Gedaschko. „Wir brauchen eine neue Balance aus Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit.“

Haushaltsverfahren könnte Korrektur bringen

Der Streit um die Stromsteuer ist damit nicht beendet. Der Haushaltsentwurf ist noch nicht beschlossen – das parlamentarische Verfahren steht bevor. Auch innerhalb der Koalition regt sich Widerstand gegen die einseitige Senkung. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese erklärte: „Das Thema ist noch lange nicht durch.“ Auch CDU-Politiker Steffen Bilger kündigte im ARD-Interview an, im Bundestag eine Korrektur anzustreben.

Nach Informationen der dpa soll sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema befassen. Es wird geprüft, welche Ausgaben sich streichen lassen, um finanzielle Spielräume für eine Stromsteuersenkung auch für Privathaushalte zu schaffen. Damit bleibt Hoffnung – nicht nur für die Stromkunden, sondern auch für eine Politik, die verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will.

Vertrauen verspielt, kann es der Bundestag noch richten?

Die Bundesregierung riskiert durch gebrochene Versprechen nicht nur politischen Schaden, sondern auch wirtschaftliche Rückschritte. Die Energiewende braucht bezahlbaren Strom – und bezahlbares Wohnen. Beides steht derzeit auf der Kippe. Nur mit glaubwürdiger Politik und pragmatischen Lösungen kann verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden.

Gerd Warda

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