In jedem zweiten Wohnquartier hat sich die Lage in Bezug auf das Zusammenleben in den letzten fünf Jahren verschlechtert. Von den insgesamt 234 beschriebenen Wohnquartieren mit mehr als 885.000 Wohnungen gab es nur ein einziges, welches keine Herausforderung angegeben hat. Das ist das Ergebnis der Studie „Herausforderung: Zusammenleben im Quartier“ des Forschungsinstituts „Minor Wissenschaft und Gesellschaft mbH“ im Auftrag des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW.
Die Untersuchung ermöglicht erstmals einen differenzierten Blick auf Quartiere, die mit steigenden Problemen des Zusammenlebens zu kämpfen haben. Sie liefert Handlungsempfehlungen auf Quartiers-, kommunaler, Landes- und Bundesebene. Neben diesem Maß der wahrgenommenen Belastung wurde ein Maß der wahrgenommenen Segregation aus der Perspektive der Wohnungsunternehmen auf die von ihnen beschriebenen Quartiere berechnet. Für immerhin 45,8 Prozent wurde eine überdurchschnittliche Segregation der Wohnquartiere festgestellt.
Gesellschaftliche Herausforderungen werden im Quartier konkret und gehen deshalb weit über die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen hinaus. Es bedarf jeweils eines ganzheitlichen lokalen Entwicklungsansatzes, der alle relevanten Akteure auf bundes-, landes- und kommunaler Ebene sowie Wohlfahrtsverbände, Religionsgemeinschaften und zivilgesellschaftliche Akteure für die Weiterentwicklung des Quartiers auf den Plan ruft.
Die Bearbeitung von Strukturdefiziten in den untersuchten Quartieren sind mit erheblichen Investitionen verbunden, die weit über die derzeitigen punktuellen Lösungen der Probleme hinausgehen. Aus Sicht der Wohnungsunternehmen muss an vielen verschiedenen Stellschrauben gedreht werden, um das Zusammenleben im Quartier zu verbessern.
Mit dem tiefgreifenden Wandel in der Arbeitswelt, in der die Zahl von Arbeitsplätzen mit zu geringer Einkommenssicherheit zunimmt, sind in bestimmten Quartieren immer mehr Menschen von Armut bedroht. Dadurch entsteht ein hohes Konfliktpotenzial, welches zu überforderten Nachbarschaften führt. Einerseits muss mit qualitativ besseren Angeboten in Bildung, Ausbildung und Sozialarbeit reagiert werden, um den höheren Anforderungen gerecht zu werden.
Andererseits geht es weit darüber hinaus. „Wir brauchen eine verantwortungsbewusste politische Haltung, sich in den Städten eindeutig gegen Segregationstendenzen zu stellen“, erklärte Dr. Christian Pfeffer-Hoffmann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Minor, anlässlich der Vorstellung der Studie in Berlin. Dafür werden erhebliche Investitionen benötigt, die mit einer besseren räumlichen Verteilung preiswerten Wohnraums in allen Stadtteilen zusammenhängen.
Kein Flächenbrand – aber Anstieg von Gewalt in Quartieren ist besorgniserregend
Auch wenn sich im Ergebnis der Studie kein „Flächenbrand“ durch Konflikte und Herausforderungen zeigt, stehen besonders die Wohnungsunternehmen in belasteten Quartieren vor Problemen wie Kinderarmut, geringem Bildungsstand, Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit, interkulturellen Konflikten, Perspektivlosigkeit, Gewalt in Familien sowie Alkoholismus…