Wärmepumpen – Fakten, Chancen, Risiken

Wärmepumpe: „Nun gilt es, konstruktiv nach vorn zu schauen“

Die Transformation in ein Zeitalter nachhaltiger Bau- und Wohnkonzepte ist in vollem Gange. Das Heizen (und Kühlen) der Zukunft spielt für die angestrebten Klimaziele, nämlich einen CO2-freien Gebäudesektor bis 2045, eine entscheidende Rolle. Wärmepumpen sind in den Fokus geraten, weil sie einen wichtigen Teil der Lösung darstellen sollen. Paul Waning, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Wärmepumpe, beantwortet an dieser Stelle einige wichtige Fragen, die nicht nur Akteuren der Wohnungswirtschaft, sondern auch Mietern und Hausbesitzern auf der Seele brennen

Interview mit Paul Waning

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Um die Klimaziele zu erreichen, wird die Wärmepumpe unbestritten eine zentrale Rolle spielen. Viele Verantwortliche in der Wohnungswirtschaft beklagen das Durcheinander von kommunaler Wärmeplanung und den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes. Über das Gebäudeenergiegesetz soll demnächst der Bundestag entscheiden. Sehen Sie noch Nachbesserungsbedarf? Und wie zufrieden ist die Branche mit den politischen Rahmenbedingungen?

Grundsätzlich begrüßen wir das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Jedoch brauchen Hausbesitzer, Handwerk und die Industrie im Allgemeinen, angesichts des von der Bundesregierung ausgerufenen Zieles, bis 2045 treibhausgasneutral zu sein, dringend Klarheit. Die Wärmepumpen-Hersteller verlassen sich darauf, dass die 65-Prozent-Regelung nun wirklich kommt, und planen entsprechend ihre Kapazitäten ein. Auch sehen wir die unter dem Stichwort „Technologieoffenheit“ spekulative Nutzung von noch nicht existentem Wasserstoff als Heizmittel skeptisch. Am meisten wünschen sich jedoch Hausbesitzer, Handwerker, Industrie und der BWP e.V. eines: Eine dauerhafte Senkung des Strompreises.

Es wäre prinzipiell einfacher gewesen, wenn wir mit der nachhaltigen Dekarbonisierung des Gebäudesektors schon vor 10 oder 20 Jahren begonnen hätten. Viele der Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen, wären dann nicht annähernd so problematisch und hätten mit mehr Besonnenheit umgesetzt werden können. Aber nun gilt es, konstruktiv nach vorn zu schauen.

Die Wärmepumpe führte jahrzehntelang ein Nischendasein in Deutschland. Jetzt forciert die Politik den Ausbau massiv. 2022 wurden im ersten Quartal noch 49.000 Geräte abgesetzt, in diesem Jahr sind es im gleichen Zeitraum bereits 108.000. Mit welchen Absatzzahlen rechnen Sie in den kommenden Jahren?

Bereits im ersten Quartal 2023 gab es einen Anstieg der Zahlen um 122 Prozent, wenn man die reinen Warmwasser-Wärmepumpen einbezieht. Hinsichtlich der Heizungswärmepumpen lag der Anstieg bei 111 Prozent. Momentan ist aufgrund der – auch medial geschürten Unsicherheit – ein temporärer Absatzrückgang zu verzeichnen. Wie sich der Absatz in der 2. Jahreshälfte entwickeln wird, hängt am Gebäudeenergiegesetz, am neuen Förderregime und an der Energiepreisentwicklung. Wie schon erwähnt ist es nun Aufgabe der Politik transparent zu machen, dass ab 2045 Schluss ist mit der Verbrennung fossiler Energieträger im Gebäudesektor und es deshalb eine bessere Idee ist, sich schon jetzt für eine klimaschonende Lösung zum Heizen und Kühlen zu entscheiden.

Vor einigen Monaten sorgte eine Meldung des Wohnungskonzerns Vonovia für Schlagzeilen. 70 Wärmepumpen könnten nicht in Betrieb genommen werden, weil das Stromnetz zu schwach sei. Wie viele Wärmepumpen verkraftet das Stromnetz? Und welche Bremsklötze – Stichwort Fachkräftemangel – gilt es noch zu lösen für einen erfolgreichen Markthochlauf der Wärmepumpe?

Die Stromversorgung ist grundsätzlich gesichert und ist in dem genannten Fall wohl auf individuelle Probleme im lokalen Netz zurückzuführen. Der zusätzliche Netzausbaubedarf ergibt sich aus dem gleichzeitigen Hochlauf von Wärmepumpen, Elektrofahrzeugen und PV-Anlagen. In Deutschland gibt es über 800 Verteilnetzbetreiber, also auch über 800 verschiedene Netzzustände. Daher ist auch der Ausbaubedarf regional sehr unterschiedlich beziehungsweise kann sich sogar in einzelnen Strängen unterscheiden, je nachdem welche Anschlüsse dahinter liegen und welcher Bedarf sich aus der Bebauungsstruktur ergibt. Besonders beim Energieträgerwechsel in Mehrfamilienhäusern kann es wie in diesem Fall unter Umständen zu Verzögerungen beim Netzanschluss kommen, je nachdem, ob und welche Maßnahmen am Verteilnetz ergriffen werden müssen. In vielen Fällen reicht es bereits, den Trafo auszutauschen. Die Aufgabe der Verteilnetzbetreiber ist es, ihre Netze so auszulegen und auszustatten, dass der Hochlauf von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und PV-Anlagen gelingt.

Auf den Fachkräftemangel weisen wir und unsere Partner stets hin. Es sind vielschichtige Probleme, die gelöst werden können: Aus- und Weiterbildungsangebote werden angepasst, die Bundesförderung Aufbauprogramm Wärmepumpe fördert gezielt die Teilnahme an Wärmepumpen- Schulungen. An die Politik haben wir die Forderung, jungen Menschen vermehrt das Handwerk als berufliche Alternative attraktiv zu machen, auf die guten Verdienstmöglichkeiten hinzuweisen und auch die Notwendigkeit herauszustellen, dass gerade junge, klimabewusste Menschen durch Tätigkeit im Handwerk aktiv am Klimaschutz mitwirken können. Es entstehen zurzeit einige neue Konzepte auch zur Teilqualifizierung für Quereinsteiger, Zugewanderte und eventuell auch Studienabbrecher.

Nun gab es zuletzt auch Kritik an der Wärmepumpe: Die in den Wärmepumpen verwendeten Kältemittel enthalten sogenannte PFAS-Gase. Sie gelten als „Jahrhundertgifte“, die, wenn sie einmal in die Umwelt geraten sind, dort vermutlich nie wieder verschwinden. Die EU möchte PFAS deshalb verbieten. Was bedeutet das für die Wärmepumpe? Wie sieht es mit natürlichen Kältemitteln wie Propan aus?

Nach seinem Studium der Elektrotechnik an der Gesamthochschule Duisburg arbeitete Paul Waning zunächst als Diplom Ingenieur beim Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk in Wesel. Bei der RWE Plus war er Leiter der Vertriebsniederlassungen Essen und Bochum. Danach war er Vorstandsmitglied der Lechwerke AG in Augsburg, zuständig für das Ressort Erzeugung, Netzservice sowie Marketing und Vertrieb. Paul Waning  ist Ehrenvorstand der Forschungsgemeinschaft Energie (FfE). Er ist Hochschulrat der Hochschule in Augsburg.  Von 2005 bis 2015 war er zudem Mitglied im Vorstand der HEA (Fachgemeinschaft für effiziente 
Energieanwendung e.V.) im BDEW. Waning hat als selbstständiger Berater Bildungsaktivitäten wie Hochschultage für 
Energieversorgungsunternehmen durchgeführt. Seit 2004 ist er Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Wärmepumpe (BWP) e.V.. 

Wir sehen die Medienberichterstattung dazu kritisch und zum Teil irreführend. Tatsächlich enthält Kältemittel PFAS-Gase, diese sind jedoch auch in vielen Gegenständen des täglichen Gebrauchs, wie beispielsweise Kühlschränken oder Backpapier enthalten. In der Wärmepumpe zirkulieren diese Kältemittel in einem geschlossenen System – Leckagen sind sehr selten und im Vergleich unwahrscheinlich und unbedenklich. Dennoch sind alle Hersteller dabei, Ihre Produkte auf natürliche Kältemittel umzustellen – im Ein- und kleinem Mehrfamilienhausbereich steht Propan hier im Mittelpunkt. Sowohl hinsichtlich der F-Gase-Verordnung als auch hinsichtlich der PFAS-Debatte ist es der Branche wichtig, dass hier realistische Übergangsfristen vereinbart werden, damit der geplante Wärmepumpenhochlauf, der für die Erreichung der Klimaziele entscheidend ist, nicht gefährdet wird.

Beim Umbau der Heizsysteme in Mehrfamilienhäusern, teilweise mit Wohnungsheizsystemen, steht die Wohnungswirtschaft vor besonderen Herausforderungen. Welche Rolle kann die Wärmepumpe hier spielen?

Die Entwicklung und Umsetzung kreativer Ideen für die Defossilisierung von Bestandsquartieren, schlecht gedämmten, energetisch mangelhaft ausgestatteten Wohnanlagen mit dezentraler Wärmeversorgung ist in den vergangenen Jahren – also bereits vor der aktuellen ordnungsrechtlichen Debatte – gewachsen – das heißt, es gibt Ideen und Möglichkeiten – häufig auch mit Wärmepumpe. Von kombinierten Nahwärmenetzen mit verschiedenen Wärmequellen über kaskadierte Wärmepumpenanlagen auf den Dächern von Mehrfamilienhausanlagen oder Multisplit Luft-Luft-Wärmepumpen als Ersatz für Gasetagenheizungen bis hin zur Dekarbonisierung der Fernwärme mittels Geothermie oder Großwärmepumpenanlagen gibt es zunehmend spannende Lösungen, die Strahlungseffekte haben.

Wichtig ist hier ein kontinuierlicher, konstruktiver Austausch aller Akteure, eine gehörige Portion guter Wille und Mut bei Investoren und allen involvierten Parteien sowie eine zielführende Kommunikation über alle Kanäle und nicht zuletzt eine wegweisende Förderung innovativer Ansätze in der wohnungswirtschaftlichen Wärmeplanung durch die Politik.

NACHHALTIG WOHNEN UND BAUEN

Ein Themenheft von Wohnungswirtschaft heute in Kooperation mit RENN.nord. 192 Seiten, 18,90 €

Nachhaltig Wohnen und Bauen Teil 1 von 3

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