Vertikale Dörfer

Die Meinungen über das Wohnen im Hochhaus sind gespalten. Oben mit Aussicht wohnen die Wohlhabenden, unten die weniger Privilegierten. Muss das so sein? Es liegt jedenfalls in der Hand der Entwickler und Planer, wie sehr ein Hochhaus zu einem gelungenen Zusammenleben beitragen kann.
FRANZISKA LEEB

Das sei das „schönste Haus von Wien“ hat ein Taxifahrer – ohne zu wissen, wen er im Wagen sitzen hat – zum Chef der WBV-GPA, Michael Gehbauer, gesagt. Warum? Weil sich an der Fassade so viel tut und man sieht, wie verschieden die Leute sind. Der 20-stöckige Wohnturm K6 am Anfang der Kundratstraße ist ein Landmark an der Triester Straße, an einem Ort, den man ad hoc nicht als bevorzugte Wohngegend auf dem Radar hat.

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In Angriff genommen wurde das Hochhaus 2003 zum 50-Jahrjubiliäum der Wohnbauvereinigung unter Gehbauers Vorgänger Günter Bischof, „der davon überzeugt war, dass man hier wohnen kann, wenn die Fenster ausreichend dicht sind“, erinnert sich der jetzige WBV-Geschäftsführer.

Vier Jahre später war das Haus bezugsfertig. Erika Helscher ist Bewohnerin der ersten Stunde: „Als der Bau im 13. Stock war, stand ich ganz oben und fand das irre!“ Aufgewachsen in Favoriten hat sie in ihrem Heimatbezirk eine Wohnung gefunden „wo ich alt werden kann“. Im ersten Stock ist eine Seniorenwohngemeinschaft der Wiener Sozialdienste untergebracht.

„Da kann ich, wenn es soweit ist, im Haus bleiben.“ Die ehemalige Betriebs- und Bezirksrätin erweckt nicht den Eindruck, dass dies so bald sein wird. Sie ist eine, die sich kümmert. Von Anfang an organisierte sie Vorträge und Feste im Gemeinschaftsraum. Etliche Jahre, bis dann die Hausbetreuungsfirma „Kompetenz“ der WBV im Haus Quartier bezogen hat, verwaltete sie sogar den Schlüssel für den Raum.

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„Gemeinschaftsräume sind sehr wichtig“, ist sie überzeugt. Es braucht Menschen, die sich engagieren und Anstöße geben, dann wird es ein Selbstläufer. Zu Jahresende veranstalten etliche Bewohner einen vertikalen Silvesterpfad. „Sensationell schön“ sei es, aus den verschiedenen Stockwerken das Feuerwerk über der Stadt zu genießen. Einen Tipp für künftige Wohnhochhochhaus-Architekten hat sie: „Daran denken, dass man die Loggienverglasungen selbst putzen kann!“

Artec Architekten mit Neumann und Partner zeichnen für die Architektur verantwortlich. Den elliptischen Baukörper auf quadratischem Sockel gab die Flächenwidmung vor. Um gerundete, teure Bauteile zu vermeiden, wurde die Hülle ausschließlich mit orthogonalen Elementen gestaltet…

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