Supergrätzl als Blaupause für die urbane Transformation?

Städte sind der Kristallisationspunkt, an dem die gesteckten Klimaziele gesellschaftlich wie baulich verhandelt und umgesetzt werden müssen. Entscheidungsträger stehen in der Pflicht, die Folgewirkungen eines Projekts faktisch zu untersuchen, den öffentlichen Diskurs zu suchen und gezielt Fragen zu stellen, um negative Effekte im Vorfeld zu reduzieren. Wie wirkt sich das Projekt auf das lokale Klima aus? Wird neuer Verkehr erzeugt? Wie wird der öffentliche Raum verteilt?
STEFAN SEER, NIKOLAS NEUBERT

Die Stadtplanungskonzepte der letzten Jahre organisieren den städtischen Raum und die Mobilität auf menschlicher Ebene radikal neu. Sie erobern den öffentlichen Raum zurück und schaffen gleichzeitig innovative Flächennutzungsmaßnahmen zur Klimawandelanpassung. Trotz einer Vielzahl von nachhaltigen Ansätzen mit nachweisbarem Potenzial, wie beispielsweise der Schwammstadt, bleibt deren Umsetzung meist vereinzelt oder wird von wirtschaftlichen oder politischen Interessen zerfahren. Wird sich das Konzept des Supergrätzls dort einreihen?

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Transformative Flächenpotenziale

Das Konzept ist „in“, ob Superblock (Barcelona), Superbüttel (Hamburg) oder Kiezblock (Berlin). Auf den ersten Blick unterscheidet das Konzept nicht viel von Verkehrsberuhigungsagenden der 1980er. Doch die Ausgangslage heute ist weitaus herausfordernder – der Pkw-Verkehr hat zugenommen, Onlineshopping schlägt sich in Lieferverkehren wieder und zugleich werden öffentliche Räume für den sozialen Zusammenhalt und ein verbessertes Stadtklima gefordert. Betrachtet man die Umsetzungen der Supergrätzl, wird deutlich, ein einheitliches Konzept oder eine Definition gibt es nicht.

Der Deal ist bestechend wie einfach: Man tausche Verkehrsflächen für den motorisierten Individualverkehr gegen öffentlichen Raum mit mehr Lebensqualität im direkten Wohnumfeld. Dabei werden Verkehrsflächen zwischen mehreren Wohnblöcken in Aufenthalts- und Langsamverkehrsflächen umgewandelt und der Durchgang des motorisierten Individualverkehrs unterbunden.

Um die Anwendbarkeit der Supergrätzl in Europa zu beschleunigen, erforscht das AIT Austrian Institute of Technology (AIT), wie das Konzept als politische und planerische Strategie für eine transformative städtische Anpassung validiert, internationalisiert und erweitert werden kann. So hat man am Beispiel der Stadt Wien geeignete Quartiere für ein Supergrätzl identifiziert.

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Es wurde aufgezeigt, welche Reduktion des Energieverbrauchs und der mobilitätsbezogenen Treibhausgasemissionen zu erwarten sind und welche transformativen Flächenpotenziale zur Umgestaltung des öffentlichen Straßenraums zur Steigerung der Lebensqualität zur Verfügung stehen. Daran arbeiten beim AIT multidisziplinäre Teams aus Stadt- und Mobilitätsexperten, Freiraum- und Klimaplaner sowie Verhaltensforscher und Moderatoren.

Gebauter Klimaschutz

Konsequent umgesetzt sind Superblocks gebauter Klimaschutz. Für solche komplexen Transformationsprozesse braucht es politischen Mut und multidisziplinäre Expertise. Viele der Ziele bedeuten neben wahrgenommenen Verbesserungen auch konkrete Verhaltensänderungen und damit Konflikte…

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