In Zeiten, in denen sich Geräte mit Lithium-Ionen-Akkus in praktisch jedem Haushalt wiederfinden, stellt sich immer mehr die Frage nach dem Umgang der Versicherer mit den Schäden, die aus einem unsachgemäßen Umgang oder unkontrollierten Ladevorgängen dieser Akkus resultieren. Welche Anforderungen sind in diesem Zusammenhang zu stellen? Sollen sich diese für private und gewerbliche Anwender unterscheiden?
Mit diesen Fragen hatte sich zuletzt das Kammergericht Berlin auseinanderzusetzen. Es hatte in einem Berufungsverfahren über die Frage zu entscheiden, ob ein Versicherer seine Leistung für einen Brandschaden aus einer Sach-Inhaltsversicherung in Höhe von fast 75.000 Euro von dem gewerblichen Mieter der Versicherungsnehmerin regressieren kann. Dieser hatte sechs 18-Volt-Lithium-Ionen-Akkus fortlaufend auf einem Holzregal mittels herstellerfremder Ladegeräte durch seine Beschäftigten aufladen lassen. Dabei kam es zu einer Explosion eines Akkus und infolgedessen zu einem Gebäudebrand.
Das Kammergericht (Hinweisbeschluss vom 11.01.2024, Aktenzeichen: 8 U 24/22, NJW-RR 2024, 764 und RuS 2024, 522) hat die vollumfängliche Verurteilung des Mieters in erster Instanz durch das LG Berlin bestätigt.
Hintergrund
In der Gebäudeversicherung gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein konkludenter Regressverzicht des Versicherers im Fall leicht fahrlässiger Schädigung durch den Mieter. Das Kammergericht stellt klar, dass dieser Aspekt nicht auf die vorliegende Geschäftsinhaltsversicherung des Vermieters zutreffe; die Rechtsprechung zur Wohngebäudeversicherung sei nicht auf andere Versicherungsarten übertragbar.
Bereits 2006 hatte der Bundesgerichtshof dies explizit für die Hausratversicherung eines Versicherungsnehmers entschieden, der mit dem Mieter in einem Objekt wohnte.
Verantwortung und Zumutbarkeit bei der Gefahrenvermeidung
Auch bei gewerblichen Verwendern seien zunächst die allgemein geltenden Grundsätze zur Gefahrenschaffung und den entsprechenden notwendigen Sicherheitsvorkehrungen heranzuziehen. Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schaffe, sei grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.
Es seien diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimme sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadenfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit Sicherheitsvorkehrungen einhergeht.
Pflicht zur Gefahrenvermeidung beim Laden von Lithium-Ionen-Akkus
Nach Ansicht des Gerichts könne der Argumentation des Mieters nicht darin gefolgt werden, dass Vorsichtsmaßnahmen nicht geboten seien, weil eine Brandentstehung beim Ladevorgang sehr selten sei. Letzteres möge zutreffen, ändere aber nichts daran, dass von Lithium-Ionen-Akkus ein bekanntes erhöhtes Brandrisiko insbesondere beim Laden ausgehe, dass dies zu erheblichen Schäden für Menschen, Gebäude und sonstige Sachen führen könne und dem (zumal gewerblich handelnden) Betreiber der akkubetriebenen Geräte daher zumutbare Schadenabwendungsmaßnahmen abzuverlangen seien.
Das Gericht erkennt eine Pflichtverletzung des Mieters bereits in der Missachtung der Herstellerangaben des Ladegeräts, wonach nur bestimmte Akkus verwendet werden dürfen, da andere Akkutypen platzen und Verletzungen oder Sachschäden verursachen können. Allerdings war die Schadenkausalität dieser Pflichtverletzung nicht aufklärbar.
Stattdessen hebt der Senat maßgeblich auf das Laden der Akkus in brennbarer Umgebung ab, was Ursache für die Brandentstehung gewesen sei. Bei diesen gewerblichen Ladevorgängen hätte auf einen nicht brennbaren Untergrund und genügend Abstand zu brennbaren Gegenständen geachtet, zudem Löschmittel bereitgestellt und die Mitarbeiter instruiert werden müssen. Auch der Hinweis des Mieters auf die Sozialüblichkeit des Ladens von Tablets und Mobiltelefonen ohne besondere Vorkehrungen verfing nicht, da die verwendeten 18-Volt-Akkus nicht mit solchen von Tablets und Mobiltelefonen vergleichbar seien, und zudem ein gewerbliches Laden an sechs Ladeplätzen deutlich über private Ladevorgänge mit kleinen Akkus hinausgehe.
Einordnung
Das Urteil wird in ersten Reaktionen in der Fachpresse kontrovers diskutiert. Attestieren manche Autoren dem Gericht eine überzeugende Argumentation, könne der Entscheidung nach anderen Stimmen weder von der Begründung noch vom Ergebnis gefolgt werden.
Die beiden zuvor in diesem Kontext veröffentlichten Oberlandesgerichtsurteile (OLG Naumburg 4 U 51/14 und OLG Bamberg 1 U 34/19) betrafen Brandereignisse aus dem Aufladen von Akkus bei ferngesteuerten Modell-Helikoptern (zum Teil gebraucht gekauft mit unklarer Historie), bei denen Abstürze und die Gefahr von Vorschäden in der Natur der Sache lagen – und damit Sonderkonstellationen. Trotz Abstellens des Kammergerichts im vorliegenden Fall auf die Gewerbsmäßigkeit der Aufladung und die Größe der Akkus wirft das Urteil Abgrenzungsfragen zum täglich millionenfach durchgeführten Aufladen von Lithium-Ionen-Akkus privater oder geschäftlicher Mobiltelefone und Tablets auf.
Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung hierzu noch keine Schadenersatzpflichten von Nutzern wegen Verletzung von Sicherheitsvorkehrungen ausgeurteilt. Die alltäglichen privaten Ladevorgänge der genannten Geräte auch auf brennbarer Unterlage dürften in der Regel nur ein leicht fahrlässiges Handeln begründen.
Im gewerblichen Bereich mit wiederkehrenden Ladevorgängen an einer Mehrzahl von Ladeplätzen größerer Akkus kann die Wertung anders ausfallen, wie der vorliegende Fall zeigt. Vermieter von Gewerbemietraum, bei dem eine solche Nutzung vorgesehen ist, könnten erwägen, dem Mieter – letztlich auch in dessen Interesse – die Gefahren der Ladevorgänge vor Augen zu führen und die Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen mietvertraglich zu verankern.
Lutz Rellstab
Prokurist, Bereichsleiter Recht und Compliance bei der AVW Gruppe