Qualität als Schlüssel

Der Freiraum ist das Aushängeschild des urbanen Wohnbaus. Trotzdem ist das Ergebnis oft trostlos, weil zu viel oder am falschen Ende gespart wird. Landschaftsarchitekten bringen Qualität ins Projekt, als Schlüssel zum Erfolg.
MAIK NOVOTNY

Man kennt das Bild: Neues Stadtentwicklungsgebiet, mehrgeschoßiger Wohnbau. Das Erdgeschoß wurde mit dem erforderlichen Zubehör angefüllt: Zugang, Kinderwagen- und Fahrradabstellplätze, Müllraum, vielleicht ein Gemeinschaftsraum. Bleibt aber immer noch sehr viel Erdgeschoß zum Wohnen übrig, warum auch nicht, so kann ebenerdiger privater Freiraum angeboten werden. Doch gerade in der zunehmenden Bebauungsdichte und bei immer „städtischeren“ Quartieren kollidiert der Wohnbau mit der Stadt, und die Stelle, an der beide kollidieren, ist die Problemzone Erdgeschoß.

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Aspern, Sonnwendviertel, Haberlandtgasse: Hier rückt der öffentliche dem privaten Freiraum so auf die Nase, dass dieser sich nur mit Abwehrmaßnahmen aus Baumarkt und Gartencenter zur Wehr setzen kann, um die winzigen Terrassen gegen fremde Blicke zu schützen: Schiefe Bastpalisaden und halbvertrocknete Thujenwälle. Weder die Freiraum- noch die Wohnqualität profitieren davon.

Dies ist nicht die einzige Druckstelle in dieser Problemzone. Überall gibt es diese Qualitätseinbrüche im Detail, was den Freiraum betrifft. Billige oder schlampig verlegte Beläge, ein groteskes Übermaß an Zäunen, verdorrte Pflanzen, trostlose Sandkisten neben Abluftschächten der Tiefgarage. Der Freiraum ist das Aushängeschild von Wohnanlage und Quartier, er wird täglich intensiv genützt, und doch wird gerade er oft am nachlässigsten behandelt.

Am Freiraum entzündet sich auch zuerst die Kritik der Öffentlichkeit („Betonwüste“), hier können Qualitätseinbußen oder Missverständnisse den Ruf gleich zu Beginn beschädigen. Wenn der anfangs geplante Baumbestand radikal eingespart wurde, bekommt man recht schnell die Quittung.

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Ungeliebtes Kind

Die Frage, warum der Außenraum immer noch oft wie ein ungeliebtes Kind behandelt wird, und mit welchen Maßnahmen man das verbessern kann, ist Inhalt der Studie „Freiraumqualitäten und Kosteneffizienz“, die von der Wiener Landschaftsarchitektin Karin Standler gemeinsam mit Katja Simma und Liz Zimmermann für die Stadt Wien erstellt und im Herbst 2020 im Rahmen der IBA_ Wien präsentiert wurde.

Sie ist das Ergebnis einer Analyse gebauter Freiräume aus den Jahren 2008 bis 2018, die anhand von insgesamt 52 Beurteilungskriterien auf Qualitäten und Kosten geprüft wurden – von der räumlichen bis zur ökologischen Qualität, von Ausstattung über Bepflanzung bis zu Spielflächen. Ergänzt wurde die Analyse durch Fallbeispiele und Expertengespräche. Das Ergebnis: Eine sehr breite Streuung von Qualitäten und Kosten. Auffällig auch, dass die besseren Projekte fast alle eine hohe Anzahl an Wohnungen aufweisen, da diese Größenordnung – so die These – effizientere Freiräume ermöglicht.

Noch deutlicher als alle Zahlen vermitteln jedoch die zahlreichen Fotos in der Studie die Höhen und Tiefen des Freiraums im geförderten Wohnbau. Billige und nachlässig verlegte Bodenbeläge hier, gedeihende Bepflanzung und gute Zonierung von Privat und Öffentlich dort. Denn positive Beispiele gibt es ebenfalls…

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