Ob beim E-Banking, bei WhatsApp oder beim Speichern von Dateien in der Cloud: Damit unsere Daten vor fremden Blicken geschützt sind, werden sie verschlüsselt. Prof. Dr. Esther Hänggi und ihr Team vom Applied Cyber Security Research Lab der Hochschule Luzern erforschen, wie die Quantenphysik uns dabei helfen kann. Die Fragen stellte Andreas Bättig.
Esther Hänggi, in den Medien liest man immer wieder, dass Quantencomputer in Zukunft heutige Verschlüsselungstechniken sofort knacken können. Stimmt das?
Esther Hänggi: Ja, Quantencomputer werden in der Lage sein, einen Grossteil heute verwendeter Kryptografie zu brechen. Wenn also Informationen über Jahrzehnte geheim bleiben sollen – etwa Staatsgeheimnisse oder sensible Firmendaten – müssen wir bereits jetzt Verschlüsselungsverfahren entwickeln und einsetzen, die auch gegen zukünftige Technologien sicher sind.
Eine Lösung dazu liefert die Quantenphysik. Wie kann sie uns unterstützen, die digitale Kommunikation sicherer zu machen?
Esther Hänggi: Ein wichtiger Ansatz ist unter anderem die sogenannte Quantenschlüsselverteilung. Diese Methode nutzt die Prinzipien der Quantenmechanik, um kryptografische Schlüssel zwischen Kommunikationspartnern auszutauschen.
Was heisst das genau?
Esther Hänggi: Bei klassischen Verschlüsselungsverfahren – zum Beispiel beim E-Banking – einigen sich zwei Parteien auf einen geheimen Schlüssel. Die Sicherheit beruht darauf, dass es für einen Angreifer, der die Kommunikation abhören möchte, zu lange dauern würde, den Schlüssel herauszufinden. Bei der Quantenschlüsselverteilung werden Lichtteilchen – sogenannte Photonen – verwendet, um den Schlüssel zu erzeugen. Wenn ein Angreifer versucht, diese Lichtteilchen abzuhören, verändert er in diesem Moment deren Zustand. Dadurch wird der Abhörversuch erkannt und der Schlüssel verworfen.


Quantenkryptographie einfach erklärt finden sie auf dem YouTube-Video der Hochschule Luzern. https://youtu.be/nEGHC24Lajs
Wo findet diese Technologie schon Anwendung?
Esther Hänggi: Quantenschlüsselverteilung erfordert erstens eine spezielle Hardware, um Lichtteilchen zu schicken und zu messen und zweitens eine direkte Glasfaserverbindung. Für die Quantenschlüsselverteilung ist aber kein Quantencomputer nötig. Diese Geräte kann man bereits heute kaufen und einsetzen. Auch an der HSLU haben wir ein Quanten-Schlüsselverteilgerät. Weil Quantenschlüsselverteilung eine ständige Glasfaserverbindung braucht, ist sie etwa für Verbindungen zwischen Rechenzentren, in Energienetzwerken oder für das Kernnetzwerk der Telekommunikation prädestiniert. Viele Länder bauen zurzeit ganze Quantenschlüsselverteil-Netzwerke: zum Beispiel Singapur, Südkorea, China, Grossbritannien und die meisten EU-Länder. In der EU sollen die einzelnen Netzwerke zusätzlich mithilfe von Satelliten zu einem grossen Netz zusammengeschlossen werden.
Auch Sie forschen am Applied Cyber Security Research Lab, wie die Quantenkryptografie in der Praxis eingesetzt werden kann. Was sind aktuell spannende Themen, an denen Sie dran sind?
Esther Hänggi: Wir forschen sowohl an sehr anwendungsbezogenen Fragen als auch an innovativen Ideen für die Zukunft. Wir arbeiten dafür auch eng mit Unternehmen zusammen, um zu untersuchen, wie Quantenschlüsselverteilgeräte oder Quantenzufallszahlengeneratoren in ihre IT-Systeme integriert werden können. Dabei ist es besonders nützlich, dass wir diese Geräte an der HSLU haben und für unsere Versuche einsetzen können. Außerdem entwickeln wir Software, die Quantenschlüsselverteilung noch schneller und damit benutzerfreundlicher macht. Schließlich fragen wir uns auch, welche zukünftigen Einsatzmöglichkeiten es für Quantentechnologien gibt.
Sie nehmen am diesjährigen Engineers’ Day teil. Am Bahnhof Luzern werden Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit haben, eine Zahl zu erraten, die von einem Quanten-Zufallszahlengenerator erzeugt wird. Welche Rolle spielen Zufallszahlen in der Cybersicherheit?
Esther Hänggi: Der Quanten-Zufallszahlengenerator erzeugt echte Zufallszahlen. Ein Computer kann keine echten Zufallszahlen erzeugen und benötigt daher eine physische Quelle. Echte Zufallszahlen sind in der Cybersicherheit zentral, da jeder Schlüssel zufällig sein muss. Ein Passwort, das einfach erratbar ist, ist kein gutes Passwort.
Können Sie weitere Anwendungsbeispiele nennen, wo Quantenzufallszahlen eingesetzt werden?
Esther Hänggi: Bei Diensten für elektronische Zertifikate oder elektronische Online-Unterschriften, oder bei Online-Gewinnspielen und Lottoziehungen. Samsung hat sogar ein Smartphone entwickelt und auf den Markt gebracht, in dem ein Quanten-Zufallszahlengenerator-Chip eingebaut ist.
Welche Rolle spielt eigentlich Künstliche Intelligenz in der Quantenkryptografie?
Esther Hänggi: Keine! Die Sicherheit beruht auf den Gesetzen der Quantenphysik. Dabei spielt es keine Rolle, ob KI eingesetzt wird oder nicht.


Danke, Esther Hänggi, für den spannenden Einblick in die Welt der Quantenphysik und den damit verbundenen Chancen. Bild: Franca Pedrazzetti
2025 – Das UN-Quantenjahr
Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2025 zum Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft und -technologie (IYQ) erklärt. Das 100-jährige Jubiläum der Quantenmechanik soll zum Anlass genommen werden, das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung und den Einfluss der Quantenwissenschaft und -anwendungen auf alle Aspekte des Lebens zu schärfen. Weitere Informationen gibt es unter quantum2025.org.
Quelle: HSLU Hochschule Luzern, https://news.hslu.ch/