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Wir tüfteln permanent

Laufen Austria AG: Wir tüfteln permanent
Laufen Austria AG: Wir tüfteln permanent

Warum es sich lohnt, in Forschung, Innovation und Kunstprojekte zu investieren, erfahren wir von Christian Schäfer, Vorstand der Laufen Austria AG.
— FRANZISKA LEEB

Ursprünglich liebäugelte Christian Schäfer damit, in die Diplomatie zu gehen. Nachdem er im Masterstudium aber von Politik auf Wirtschaft schwenkte, wurde es doch eine Karriere in der Industrie. Die begann zunächst im Flugzeugbau und führte bald zu Laufen. Er begann als Produktmanager im Schweizer Stammsitz des Sanitärkeramikproduzenten, führte die Geschäfte bei der Laufen-Tochter in Norwegen und ist seit 2017 in Österreich für die Firma tätig. 2020 übernahm er die Geschäftsführung der Laufen Austria AG.

Das Interview findet an einem heißen Sommernachmittag im Laufen space, dem von Snøhetta gestalteten Wiener Schauraum am Salzgries, der sich innerhalb weniger Jahre zu einem wichtigen Diskursort für die Architektur- und Designszene entwickelt hat, statt. Herr Schäfer ist tiefenentspannt, nicht nur, weil es im Raum kühl und ruhig ist, sondern auch, weil der von ihm verantwortete Bereich gut dasteht.

Herr Schäfer, welche Rolle spielt Laufen Austria innerhalb des Konzerns?

Die österreichischen Werke wurden zwar erst ab 1967 von den Schweizern übernommen, haben aber eine lange Tradition. Jenes in Wilhelmsburg bestand bereits vor der 1892 gegründeten Fabrik in Laufen. Das Werk Gmunden feiert heuer sein 100-jähriges Jubiläum. Wir haben Mitarbeiter, die schon in vierter Generation in unserer Produktion arbeiten. So wurde auch das Wissen rund um die herausfordernde Herstellung von Keramik stets weitergegeben und weiterentwickelt.

Heute ist unser Produktionsstandort in Gmunden das Innovationszentrum der Laufen Gruppe. Wir erzeugen dort Keramik, die kein anderer produzieren kann. Waschtische aus der sehr feinen Saphirkeramik kommen fast ausschließlich aus Gmunden. Laufen ohne Gmunden wäre nicht das Laufen, das wir heute kennen. Generell wissen in Österreich fast alle, was Laufen macht. Die Herren ein bisschen besser als die Damen. Das liegt an den Urinalen, wo das Laufen-Logo immer präsent ist, wenn Mann davorsteht.

Ohne Tradition gäbe es nicht den Innovationsgeist?

Ich glaube, wenn die Tradition nicht bestünde, kombiniert mit diesem speziellen Schlag der Oberösterreicher, die mir wahnsinnig ans Herz gewachsen sind und die sehr zielstrebig und engagiert sind und diese hohe Fertigkeit haben, gäbe es – denn es macht kaum Sinn in Österreich zu produzieren – weder das Werk noch das Innovationszentrum und auch nicht die Saphirkeramik. Denn Saphirkeramik gilt nach wie vor als unproduzierbar. Es gäbe auch nicht den ersten und einzigen Elektrotunnelofen der CO₂-frei Sanitärkeramik brennt.

Der Brennofen ist offensichtlich das Herzstück der Nachhaltigkeitsstrategie?

Er ist der größte Meilenstein. Die Bau- und Bauzulieferindustrie sind der größte CO₂-Verursacher. Wir haben erkannt, dass wir den CO₂-Ausstoß reduzieren und Produkte liefern müssen, die nachhaltig im Sinne der Circular Economy sind. Wir haben jährliche Umweltziele, die Werke sind mit Kläranlagen ausgestattet, wir haben eine Zero- Waste-Strategie und versuchen, keinen, wirklich keinen, Abfall oder Ausschuss zu produzieren. Der neue Ofen war die logische Konsequenz.

Die CO₂- Abgaben der Europäischen Union waren für uns die Initialzündung, darüber nachzudenken, ob wir nicht CO₂-frei produzieren können. Daher hat unser mittlerweile pensionierter Werks- und Innovationsleiter Alfred Mittermair vor fünf Jahren begonnen, Konzepte zu erstellen. Er hat über die letzten 50 Jahre maßgeblichen Anteil an unserem Erfolg.

Welche Rolle spielt der Wohnbau für Ihr Unternehmen? Den großvolumigen und geförderten meine ich, nicht das Luxussegment.

Wir haben in Österreich insgesamt einen Marktanteil von 70 Prozent. Daran hat der Wohnbau einen sehr hohen Anteil. Bis vor 30 Jahren war Laufen noch keine super Designbrand, der Wohnbau war unser Brot- und Buttergeschäft. Bis vor Kurzem haben wir dieses Segment auch in Österreich produziert, sind dabei die letzten Jahre aber stark unter Druck gekommen. Die Arbeitsstunde in Österreich kostet nun einmal mehr als in Tschechien oder Polen, wo wir die Kapazität stark ausgebaut haben. Von unserem Logistik-Hub in Znaim erreicht man manche Wiener Bezirke schneller als von Wilhelmsburg.

Die Urin-Trenntoilette save! ist zwar keine Standardware, kommt aber bald in einem geförderten Wiener Wohnbau, dem Stadtregal im „Village im Dritten“ versuchsweise zum Einsatz.

Es handelt sich um ein ausgereiftes Produkt, das seinen Ausgangspunkt in einem Projekt des Designstudios EOOS und des Wasserforschungsinstituts Eawag der ETH Zürich für die Bill & Melinda Gates Stiftung hat. Es sieht wie ein normales WC aus, mittels der integrierten Urinfalle wird der Urin zu einem eigenen Ausgang geleitet und von Feststoffen, Klopapier und Spülwasser separiert. Es braucht also eine zweite Abwasserleitung. Wir haben damit ein Produkt, mit dem man endlich sehr wirkungsvoll Urin am Entstehungsort trennen kann und einen Beitrag zu einem nachhaltigen Abwassermanagement leisten kann. Aber wir sehen, dass es noch viele Schritte – sowohl Forschung als auch politischen Willen – benötigt.

Das eine ist die Toilette, das andere die Verrohrung und das dritte, was man mit dem separierten Urin macht. Beim Stadtregal gibt es eine Innovationsförderung, die es der ARWAG als Bauträger mit den Architekten Heri & Salli und Gerner Gerner plus erlaubt, einen Piloten zu starten.

Welche Innovationen verfolgen Sie noch?

Wir tüfteln permanent. Zum Beispiel daran, die Saphirkeramik günstiger herzustellen – damit wäre sie dann vielleicht auch für den sozialen Wohnbau zugänglich, was sehr zu begrüßen wäre. Denn oft müssen in diesem Segment die Kompromisse dort gemacht werden, wo es sich auf das Wohlfühlklima auswirkt.

Manches erscheint vordergründig nicht ganz so innovativ. Zum Beispiel das Thema Farben. Der Farbforscher Roberto Sironi aus Mailand hat mit uns im Rahmen des Forschungsprojekts „Colour Archeology“ eine Farbkollektion entwickelt. Dabei wurden Farben untersucht, die in unterschiedlichen Kulturkreisen eine lange Tradition haben und die Frage gestellt, warum sie auch nach Hunderten Jahren auf uns moderne Menschen noch attraktiv wirken. Egal, wie man die zwölf Farben kombiniert, ist es schön anzusehen.

Wir arbeiten nicht so strategisch wie zum Beispiel die Pharmaindustrie. Wir haben da eher eine Garagenmentalität.

Schauraum und Treffpunkt der Design- und Architekturszene: der Laufen space in Wien

Eine sehr große Garage.

Ja, aber das ist interessant. Oft arbeiten wir mit Künstler:innen zusammen. Der Mehrwert ist nicht immer gleich erkennbar.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Für das Architekturbüro Love haben wir vor ein paar Jahren ein Raumobjekt für die Biennale in Venedig hergestellt, dass aus 186 ganz dünnen Rohren aus Saphirkeramik besteht. Weil in Venedig alles per Boot angeliefert werden muss, haben wir lange an Verbindungsstücken gearbeitet, damit man das Ganze modular auf- und abbauen kann. Anfangs dachten wir, es ist nur ein Aufwand. Aber wir haben sehr viel Wissen daraus gezogen. Wir haben nun zum Beispiel ein WC, das sich vom Installateur mit einem Griff von der Wand lösen lässt.

Rentiert sich auch der Laufen space, in dem wir uns gerade befinden?

Ja, der Raum zahlt sich sehr aus. Zum einen als Brand Statement im ersten Bezirk, wir nutzen ihn sehr intensiv für die Architektur- und Design-Community und machen hier auch viele interne Veranstaltungen.

Wien hat zwei Millionen Einwohner, ein Großteil der Baubranche ist hier, wir haben sehr kurze Wege. Faszinierend ist für mich, wie gut die Architekturschaffenden einander kennen. Das ist in der Schweiz ganz anders, da geht man sich eher aus dem Weg. Hunderte Architekt:innen an einem Spot – das würde dort nicht funktionieren. In Deutschland ist es schon aufgrund der Distanzen nicht möglich. Das sind alles Faktoren, die uns hier in Österreich entgegenkommen und wir können wirklich von dieser Community lernen und auch gemeinsam etwas bewegen. Wir haben ideale Voraussetzungen und wir nutzen sie.

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Innovative Zukunft

Das europäische Forschungsprojekt PRELUDE erzielt massive Energieeinsparungen – das Hightech-Forschungsgebäude „Energetikum“ in Pinkafeld dient mit mehr als 10.000 physikalischen und virtuellen Datenpunkten als Testgebäude zur Entwicklung und Implementierung aller im Projekt integrierten Technologielösungen.
Das europäische Forschungsprojekt PRELUDE erzielt massive Energieeinsparungen – das Hightech-Forschungsgebäude „Energetikum“ in Pinkafeld dient mit mehr als 10.000 physikalischen und virtuellen Datenpunkten als Testgebäude zur Entwicklung und Implementierung aller im Projekt integrierten Technologielösungen.

Das europäische Forschungsprojekt PRELUDE (Prescient Building Operation Utilizing Real Time Data for Energy Dynamic Optimization) der FH Burgenland setzt neue Maßstäbe für die Energieeffizienz und Flexibilität von Bestandsgebäuden und Neubauten.
— MAGDALENA RINGHOFER*

Seit Dezember 2020 arbeiten die 21 Projektpartner aus Europa im Rahmen des Forschungsprojekts PRELUDE an ambitionierten Zielen. Durch den Einsatz innovativer, smarter und kostengünstiger Lösungen sowie eines proaktiven Optimierungsservices werden die Anforderungen von Eigentümer:innen, Betreiber:innen, Nutzer:innen und Energieversorgern adressiert. PRELUDE zielt auf erhebliche Energieeinsparungen von über 35 Prozent und eine Reduktion der Wartungs- und Reparaturkosten von über 39 Prozent ab. Die entwickelte Lösung verbessert die Energieeffizienz, maximiert den Eigenverbrauch erneuerbarer Energien und trägt zur Netzstabilität bei. Zudem wird die Lebensqualität der Nutzer: innen durch optimierte Raumluftqualität und thermische Behaglichkeit gesteigert.

Insgesamt acht reale Demonstrationsobjekte (Wohnbauten, Einfamilienhäuser, Bürogebäude und ein Fernwärmenetz) stehen in der Schweiz, Italien, Polen, Dänemark und Griechenland zur Verfügung, um die entwickelten Technologien zu testen und messbare Einsparungen zu erzielen.

Passive Kühlung

Eine Vielzahl technologischer Innovationen wird entwickelt. Free Running Modelle und die Umsetzung von passiver Kühlung und Lüftung werden erprobt. Eine datengetriebene, prädiktive Regelung ermöglicht vorausschauende Gebäudeoptimierung und Effizienzsteigerungen. Anstelle von reaktiven Maßnahmen erkennt eine prädiktive Wartungs- und Instandhaltungsstrategie den Wartungsbedarf bereits frühzeitig und verlängert damit die Lebensdauer der Systeme.

Faseroptische Sensoren überwachen kontinuierlich die Gebäudebedingungen, und intelligente Ansätze für die Bewertung und Renovierung von Gebäuden werden angewandt. Ein zentrales Element des Projekts ist die FusiX Middleware, ein modulares Multisimulationssystem, das Echtzeitdaten sammelt und analysiert, um optimale Betriebsstrategien zu entwickeln. Diese ermöglicht Gebäudebetreibern, den Energieverbrauch flexibel an aktuelle Bedingungen anzupassen und so erhebliche Kosteneinsparungen zu erzielen.

Das Living Lab „Energetikum“ der Forschung Burgenland in Pinkafeld diente als Testgebäude zur Entwicklung und Implementierung aller im Projekt integrierten Technologielösungen. Hierbei handelt es sich um ein Hightech-Forschungsgebäude mit über 10.000 physikalischen und virtuellen Datenpunkten, das sowohl während der Entwicklungs- als auch in der Umsetzungsphase als reales Bürogebäude genutzt wurde. Nach Evaluierung im Testgebäude wurden die Lösungen in Demonstrationsobjekten integriert.

Die Forschung Burgenland entwickelte im Rahmen des PRELUDEProjekts eine neue Energiemanagementlösung zur Erhöhung derEnergieeffizienz und Energieflexibilität von Bestandsgebäuden und Neubauten. Kernelement ist ein datengetriebener, prädiktiver Regler, der die Stellgrößen für thermoaktive Bauteilsysteme, Verschattung, hydraulische Stellventile und reversible Wärmepumpen ganzheitlich optimieren kann.

24 Stunden Vorhersage

Der innovative Gebäuderegler bildet das Gesamtgebäude in mehreren thermischen Zonen ab und verarbeitet sowohl Echtzeitbetriebsdaten wie Raum- und Speichertemperaturen, die hydraulische Wärmeleistung oder die Stellung der Verschattungselemente als auch Vorhersagedaten wie Außentemperaturen, solare Einstrahlung, Photovoltaik-Ertrag oder stündlich variable Strompreise.

Betriebskosten-Minimierung

Die thermischen Komfortanforderungen können individuell je Raum als Temperaturband vorgegeben werden und definieren dadurch das Lastverschiebungspotenzial der thermischträgen Gebäudemasse. Ziel der Regelstrategie ist eine Minimierung der Betriebskosten bei gleichzeitiger Einhaltung der definierten Temperaturbänder.

Der elektrische Energieaufwand der Wärmepumpe für die Beheizung und Kühlung des Gebäudes wird durch eine intelligente Nutzung der Verschattungselemente stark reduziert. Die verbleibende Laufzeit der Wärmepumpe verschiebt sich in Zeiten mit hoher solarer Eigenproduktion oder in diejenigen Stunden mit den günstigsten Bezugstarifen für elektrische Energie.

Für einen Vorhersagehorizont von 24 Stunden bestimmt die Regelung dabei stündlich einen aktualisierten Betriebsplan für die Wärme- und Kältezufuhr in die thermisch aktivierten Bauteile, die Höhe und den Winkel der Verschattungsele- Foto/Grafik: FH Burgenland Übersicht über alle implementierten Energieeffizienzlösungen im Energetikum mente sowie die Speicherbeladung der hydraulischen Wärme- und Kältespeicher durch die Wärmepumpe.

Reduktion der CO2-Emissionen

Ein einjähriger Langzeittest im Rahmen des PRELUDE-Projekts zeigte signifikante Energie- und Kosteneinsparungen für den Heiz- und Kühlbetrieb sowie eine deutliche Reduktion der betriebsbedingten CO₂-Emissionen. Die substanzielle Senkung der Betriebskosten und die zeitliche Verschiebung der Lasten führten zu keiner Verringerung des thermischen Komforts im Gebäude.

Übersicht über alle implementierten Energieeffizienzlösungen im Energetikum

Im Gegenteil: Die langsam ansprechende Kühlung durch die Betondecke wird durch die prädiktive Einstellung der Verschattungselemente optimal ergänzt und verhindert effektiv die sommerliche Überhitzung von Räumen mit hohem Fassadenanteil. Der im Bürogebäude Energetikum demonstrierte, datengetriebene Ansatz ermöglicht eine hohe Skalierbarkeit der entwickelten Technologie und zeigt großes Potenzial für zukünftige Entwicklungen im Bereich der Gebäudeoptimierung.

Weitere Informationen und detaillierte Ergebnisse: prelude-project.eu

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Gemeinnütziger Wohnbau in Berlin – Wie geht das?

Das Tuntenhaus in der Kastanienallee 86, ebenfalls im Stadtteil Prenzlauer Berg, ist einer der letzten Neuzugänge der Selbstbau e.G. Das Haus konnte mithilfe eines bezirklichen Vorkaufsrechts vor dem Privatverkauf und der dann erwartbaren Mietpreissteigerung geschützt werden.
Fotos: Tuntenhaus, SelbstBau e.G.

Die Berliner Genossenschaft Selbstbau e.G. rettet alte Häuser und transformiert Leerstand. Eine Frage der guten Ideen, von viel Eigenleistung und dem starken Willen, Veränderungen mitzugestalten sowie den horrenden Mietpreisen eine Alternative gegenüberzustellen.
— ROBERT TEMEL

Die Selbstbau e.G. ist eine Genossenschaft mittlerer Größe in Berlin, sie entstand kurz nach dem Fall der Berliner Mauer. Ihr Ursprung liegt in einem Haus in der Rykestraße im Stadtteil Prenzlauer Berg, der damals von Verfall und kreativer Selbstorganisation durch Besetzungen bestimmt war und heute von der Gentrifizierung geprägt ist. 1988 startete hier in der Spätzeit der DDR ein Assanierungsprojekt, die Gründerzeithäuser sollten abgerissen und ersetzt werden. Die Bewohner:innen formierten sich zu einer Bürgerinitiative, entwickelten eine Gegenplanung durch Sanierung und konnten sich schließlich durchsetzen – die Freude war groß.

Doch 1989 war es vorbei mit dem erfolgreichen Blockkonzept, nun gab es neue bzw. unbekannte Eigentümer:innen, an eine gesamtheitliche Entwicklung war nicht mehr zu denken. Deshalb gründeten die Bewohner:innen des Hauses die Selbstbau e.G., und mithilfe von viel Eigenleistung, großzügigen Förderungen und ein wenig Eigenkapital konnten sie es sanieren.

Mietergenossenschaft Selbstbau e.G 
- 32 Objekte, ca. 600 Wohnungen, ca. 50 Gewerbeeinheiten, ca. 700 Mitglieder
- Gründung am 14. Mai 1990
- Vorstand: 3 Personen; Aufsichtsrat: 32 Personen
- Die Genossenschaft besitzt Häuser in Berlin (Friedrichshain, Kreuzberg, Lichtenberg, Mitte, Neukölln, Pankow, Prenzlauer Berg, Reinickendorf, Spandau) sowie im Berliner Umland in Brandenburg.

Die Selbstbau e.G. ist fast ausschließlich in der Bestandserhaltung tätig. „Anlass für unsere Projekte ist meist, dass ein Haus gerettet werden muss“, beschreibt Pit Weber, seit 28 Jahren Genossenschafts-Vorstand. Gruppen von Bewohner:innen, die Verkauf und Mieterhöhung in ihrem Haus befürchten, wenden sich deshalb an die Genossenschaft. Diese erwirbt mit Unterstützung von außen dann das Haus, saniert es, und die Bewohner: innen können als Genossenschafter: innen dauerhaft zur Kostenmiete wohnen bleiben. Seit einigen Jahren gibt es einen weiteren Projekttypus, nämlich den Erwerb von ungenutzten Schulen und Werkstätten im Berliner Umland, die für Gruppen auf Wohnraumsuche umgebaut werden. Dafür sind jedoch hohe Eigenmittel nötig, das heißt diese Projekte sind nicht für alle zugänglich.

Jedes Projekt der Selbstbau e.G. wird getrennt finanziert. Erst seit Kurzem, nachdem die ersten Häuser aus den 1990er-Jahren refinanziert waren, besteht ein Fonds, der nachhaltige Sanierungen, altersgerechte Umbauten und Unterstützung für soziale Härtefälle finanziert. Die Entscheidung über neue Projekte trifft der dreiköpfige Vorstand auf Basis einer Empfehlung des Aufsichtsrats, in dem für jedes Haus eine Person sitzt.

Kreative Finanzierungen

Die Finanzierungen der Projekte können heute nicht mehr, wie 1990, aus großzügigen Förderungen des Landes Berlin abgedeckt werden, weil es diese nicht mehr gibt. Die wichtigsten Quellen sind nun ein Förderprogramm des Landes Berlin für Bestandserwerb durch Genossenschaften, die finanzielle Hilfe durch die gemeinnützigen Stiftungen trias und Edith Maryon und Bankdarlehen von gemeinwohlkompatiblen Banken wie der GLS und der Umweltbank.

Hier entstand die Selbstbau e.G.: Das Haus in der Rykestraße 14 am Prenzlauer Berg (links) wurde von den Bewohner:innen ab 1990 zu einem guten Teil selbst saniert, obwohl die Eigentümerschaft noch ungeklärt war.

Dazu kommen in geringerem Ausmaß Eigenmittel der Genossenschaft als Zwischenfinanzierung, kleinere Förderungen für energetische Sanierung und Eigenmittel der Bewohner: innen. Wohnbauförderungsprogramme für Sanierungen, wie wir sie in Österreich kennen, gibt es nicht. Die beiden Stiftungen haben sich zu großen Unterstützer:innen für diese Art von Projekten entwickelt. Dabei erwirbt gewöhnlich die Stiftung das Grundstück und vergibt ein langfristiges oder unbegrenztes Erbbaurecht an die Selbstbau e.G., die das Gebäude erwirbt, saniert und an ihre (neuen oder bestehenden) Mitglieder vermietet.

Bis vor Kurzem konnten derartige „Hausrettungsprojekte“ öfters durch ein bezirkliches Vorkaufsrecht unterstützt werden. „Seit 2021 das Bundesverwaltungsgericht dem einen Riegel vorschob und die Anwendungsmöglichkeiten für ein öffentliches Vorkaufsrecht erheblich eingeschränkt hat, konnte ein solches in Berlin erst zweimal angewendet werden“, so Weber.

Rettung des Tuntenhauses

2024 gelang das beim sogenannten Tuntenhaus in der Kastanienallee 86, einem besetzten Haus und Zentrum des queeren Berlin seit den 1990er-Jahren. Auch in diesem Fall drohte der Verkauf und war die Gentrifizierung absehbar. Weber erzählt, was dann geschah: „Die Tunten kämpften um ihr Haus, unter anderem demonstrierten sie jede Woche vor dem Abgeordnetenhaus und reisten sogar zu einer Demo in das bayrische Dorf Wörth, wo der potenzielle Käufer lebte. Die Polizei fürchtete dort zunächst negative Auswirkungen auf die Kinder im Dorf, doch am Schluss aß man gemeinsam Eis.“

Parallel sprachen sie mit der Selbstbau e.G., und der Bezirk konnte aufgrund des mit 2,5 Millionen Euro bemessenen Sanierungsrückstaus, dessen Finanzierung der Käufer hätte garantieren müssen, schließlich doch ein Vorkaufsrecht ausüben. Die Selbstbau e.G. kaufte die Wohnungen, finanziert durch eine anonyme Spenderin. Die Stiftung Edith Maryon kaufte die Gewerbeflächen, und in 30 Jahren geht das Haus dann vollständig an die Genossenschaft und das Grundstück an die Stiftung, die ein Erbbaurecht an die Genossenschaft vergibt.

Der Demonstrationszug der mit einem Reisebus angereisten Tunten aus Berlin mit bayrischen Unterstützer:innen im Wörth an der Isar, dem Wohnort des Käufers. Ziel war es, dass dieser das Vorkaufsrecht des Bezirks Pankow akzeptiert.

Offensichtlich braucht es eine reiche Stiftung aus der Schweiz, um derartige Projekte in Berlin zu finanzieren. Immerhin besitzt die Stadt eine kleine, feine Genossenschaftsszene, die sich zur Gima Berlin-Brandenburg zusammengeschlossen hat – die Gima ist eine gemeinwohlorientierte Immobilienagentur für ihre Mitglieder. Das Biotop aus kleinen, innovativen Genossenschaften, Stiftungen und den vielen Berliner:innen, die durch ihre Kreativität und Innovationskraft für leistbares und nachhaltiges Wohnen kämpfen, ist beispielhaft – durchaus auch für Österreich, wo ähnliche Ansätze gegen die Gentrifizierung in den Städten auch hilfreich wären.

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Klima, Kunst und Kletterwand

Fotos: G. Anetzhuber/Wien-Süd Poetisch und raumbildend: die Figuren des Künstlers Tobias Hermeling
Fotos: G. Anetzhuber/Wien-Süd Poetisch und raumbildend: die Figuren des Künstlers Tobias Hermeling

PV-Zellen als Gestaltungsmittel, Kunst als Gesprächsthema und jede Menge Angebote zur physischen Betätigung: In der neuen Wohnanlage der Wien-Süd in Wien-Donaustadt findet sich für alle etwas.
— FRANZISKA LEEB

PV-Module als Balkonbrüstungen und ein begrünter Lichthof zur Tiefgarage verbinden das Nützliche mit dem Schönen.

Wohin mit der Photovoltaik, wenn das Dach zum Schwimmen und Garteln genutzt wird? An die Balkonbrüstungen! Eine pragmatische Lösung kann sehr attraktiv sein, beweist die neue Wohnanlage der Wien-Süd in der Berresgasse in Wien-Donaustadt. Seien wir ehrlich: Die Balkone sind oft die Achillesferse der Architektur. Selbst dann, wenn Architektinnen und Architekten alles daransetzen, eine gute Balance zwischen Durchlässigkeit und Sichtschutz zu finden und viel Aufwand bei der Gestaltung treiben, kommen bald aus dem nächstbesten Baumarkt die Bastmatten und Kunststoffbahnen geflogen. Im Wohnbau muss die Architektur dies aushalten, sagen die einen, scheußlich, finden es die anderen.

Die Energiewende als Gestalterin

Die Wien-Süd und Architekt Bresich lösten das Dilemma, indem die Photovoltaik in die Balkon- und Loggien integriert wurde, das PV-Paneel also zugleich Brüstungsplatte ist. Das setzt dezente Akzente auf den schlichten weißen Baukörpern, bereichert den umfangreichen Katalog möglicher Balkonausbildungen und deckt den Strombedarf der Anlage. So schön kann erneuerbare Energie sein.

Tiefgaragenentlüftungen, die Hindernisse im Freiraum bilden, sucht man vergeblich. Stattdessen wurde im Hof ein großer Licht- und Luftschacht geschaffen, welcher der Tiefgarage den Bunkercharakter nimmt. Mit einer ordentlichen Substratschicht ausgestattet wachsen in diesem abgesenkten Garten nicht nur Stauden und Gräser, sondern auch eine Platane, die wie ein grüner Finger emporragt und zur Verbesserung des Mikroklimas beiträgt.

Selbstverständlich Kunst

Wohnhausanlage Berresgasse 7, 1220 Wien 
- Architektur: Architekt Bresich ZT GmbH
- Landschaftsarchitektur: DnD Landschaftsarchitektur
- 165 geförderte 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen, ca. 45 m2 bis ca. 94 m2, davon 55 Smart-Wohnungen
- Fertigstellung: Frühjahr 2024

Kunst im Wohnbau hat mittlerweile Tradition bei der Wien-Süd. In der Berresgasse lässt der Künstler Tobias Hermeling ein Grüppchen übermannsgroßer Personen über die Wiese flanieren: ein Ehepaar, das einem Magazin der 1950er- Jahre entsprungen zu sein scheint, ein fotografierender Mann in den besten Jahren, der die Gegenwart dokumentiert, und eine sportlich gekleidete, barfüßige junge Frau als Vertreterin der nächsten Generation. Was haben sie miteinander zu tun? Was haben sie sich zu sagen? Auf gläserne Stelen aufgebracht spannen sie einen kleineren, intimen Raum im großen Freiraum, und werden ganz bestimmt viele Geschichten in den Köpfen der Bewohnerinnen und Bewohner entstehen lassen und Anlass zu dem einen oder anderen Gespräch geben.

Auch bei der Abkühlung im Pool, beim Schwitzen in Fitnessraum oder Sauna und nicht zuletzt beim gemeinsamen Gärtnern werden auf unkomplizierte Art nachbarschaftliche Begegnungen stattfinden. Ob Kunst, Garten oder Freizeitangebot – diese Einrichtungen nehmen nur einen verschwindend geringen Anteil am Baubudget ein – für das Entstehen einer Hausgemeinschaft und die Bindung an das neue Zuhause sind sie Goldes wert.

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Motor für Österreichs Regionen

Mineralische Baustoffe sind ein Motor für Österreichs Regionen

Mineralische Baustoffe sind ein Motor für Österreichs Regionen. Eine aktuelle Studie bestätigt nun die positiven Effekte für deren Wirtschaftskraft.

Der Fachverband Steine Keramik wollte es genau wissen: Welchen Effekt haben mineralische Baustoffe für die Wirtschaft? Eine aktuelle Studie von STUDIA im Auftrag des Fachverbands bestätigt nun die wesentliche Bedeutung der Massivbauhersteller für Österreichs Arbeitsmarkt und Wirtschaft: Zement, Ziegel, Beton und Putze bewirken eine Wertschöpfung von 7,5 Milliarden Euro und sichern die wirtschaftliche Existenz von rund 190.000 Menschen – insbesondere im ländlichen Raum.

Die Branche bildet damit eine Stütze der Gesellschaft. Um diesen Stellenwert auch langfristig zu sichern, braucht es eine gute Infrastruktur sowie Impulse für den Wohnbau – auch abseits der Ballungsräume. Das Baupaket der Bundesregierung gibt dazu neue Chancen.

Regionale Erfolgsgeschichte
Die Eckdaten zu den vielfältigen positiven Effekte des Bauens mit mineralischen Baustoffen auf einen Blick:
baumassiv.at/publikationen/regionale-erfolgsgeschichten

Die regionale Versorgung der Bauwirtschaft ist gerade in Zeiten von Lieferengpässen und Klimawandel von enormer Bedeutung. „Mineralische Baustoffe kommen aus der Nähe und werden in der Nähe verarbeitet, der durchschnittliche Transportradius beträgt 50 Kilometer. Damit werden Transportwege und CO₂-Emissionen reduziert – und gleichzeitig Versorgungssicherheit für die Bauwirtschaft garantiert“, so Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik. Die Studie, eine Kombination vorhandener Daten und einer eigens durchgeführten Befragung in der Branche, zeichnet ein genaues Bild von den vielfältigen positiven Effekten dieses Industriezweigs.

Ein wesentlicher Vorteil der mineralischen Bauweise ist die Langlebigkeit – „im Lebenszyklus jedes Gebäudes, bestehend aus Planung, Bau und Betrieb, ist ein Stein rund 400 Jahre in Verwendung“, so Pfeiler. Mineralische Baustoffe haben die moderne Architektur nachhaltig geprägt, erläutert Pfeiler: „Ergebnisse der Studie spiegeln wider, dass diese von den Österreicher: innen als sehr wertvoll betrachtet werden.“

Beschäftigung und Wertschöpfung

Im Jahr 2021 stehen massive Baustoffe für mehr als 48.000 Beschäftigungen in der Produktion. In ihrer weiteren Verwertung sorgen massive Baustoffe für knapp 90.000 Beschäftigte im Bauwesen. Den vor- und nachgelagerten Bereich eingerechnet, etwa bei Mauerund Betonarbeiten, sichert die Massivbaustoffindustrie die wirtschaftliche Existenz von rund 190.000 Menschen in Österreich, und ein Arbeitgeber sichert die Existenz von 20 Personen. Zu rund 55 Prozent entfaltet sich dieser Effekt im ländlichen Raum. Die Massivbaustoffherstellung bewirkt im vor- und nachgelagerten Bereich in Österreich rund 21,6 Milliarden Euro an Bruttoproduktion, davon rund 15 Milliarden Euro im nachgelagerten Bereich der Bauwirtschaft wie etwa Mauer- und Betonarbeiten, rund 3,6 Milliarden Euro im vorgelagerten Bereich, weitgehend durch Investitionen in Güter. Insgesamt wird eine Wertschöpfung von rund 7,5 Milliarden Euro erzielt. Ein Euro Wertschöpfung, der im Massivbau inklusive vorund nachgelagertem Bereich eingesetzt wird, zieht zehn Euro Wertschöpfung in anderen Branchen nach.

Eine Branche trägt ganze Regionen

Die Herstellung massiver Baustoffe prägt regionale Strukturen. In diesem Wirtschaftszweig dominieren mittelständische Betriebe. Aus früheren Studien wissen wir: Die Produzenten massiver Baustoffe beschäftigen überwiegend Menschen aus der näheren Umgebung, mehr als die Hälfte aus den jeweiligen Standortbezirken. Darunter befinden sich auch überdurchschnittlich viele ältere Arbeitnehmer – 2014 waren rund 30 Prozent über 50.

Rekordhalter bei kurzen Transportwegen: 65 Kilometer vom Werk bis zu den Kund:innen. Nicht nur die Arbeitsplätze, auch die Produkte bleiben regional: Der Transportweg von der Produktion bis zu den Kund:innen beträgt durchschnittlich 65 Kilometer.

Rund die Hälfte der bei der Erzeugung eingesetzten Rohstoffe werden weniger als 30 Kilometer transportiert. Insgesamt 115 Kilometer, berechnet STUDIA den Transportweg, der zwischen Rohstoffgewinnung, Produktion und Endabnehmern zusammenkommt. Freilich ein abstrakter Wert, aber durchaus plausibel: Produzenten massiver Baustoffe siedeln traditionell dort, wo die Ausgangsstoffe abgebaut werden. Von der Rohstoffgewinnung zum Hausbau 115 Kilometer, dieser Wert illustriert sowohl die regionale, wie die nachhaltige Wirkung massiver Baustoffe.

„Mineralische Baustoffe kommen aus der Nähe und werden in der Nähe verarbeitet, der durchschnittliche Transportradius beträgt 50 Kilometer.“
Andreas Pfeiler

Regionalität benötigt solide Strukturen

Regionale Produkte schonen die Umwelt durch kurze Wege, die Gesellschaft insgesamt profitiert von den lokalen Strukturen. De facto können auch die österreichischen Massivbauhersteller diese Qualitäten für sich beanspruchen. Ihre Produktion entspricht den hohen heimischen Umweltstandards. Gebäude in Massivbauweise sind durch ihre lange Lebensdauer sowohl wirtschaftlich wie ökologisch nachhaltig.

Große Infrastrukturprojekte beschäftigen Politik und Öffentlichkeit. Dagegen findet das regionale und kommunale Verkehrsnetz vergleichsweise wenig Beachtung. Diese Transportwege werden zunehmend vernachlässigt, ein Problem für die regionalen Produktionen und ihre dezentralen Standorte. Sie sind auf solide lokale Infrastruktur angewiesen. Noch leben gut zwei Drittel der Bevölkerung im ländlichen Raum, jedoch ist die Tendenz zur Abwanderung in und um die Städte stark. Die Regionen abseits der Ballungsräume lassen sich stärken und die Landflucht bremsen, wenn es eine gute Infrastruktur und Impulse für den Wohnbau gibt. Das aktuelle Baupaket der Bundesregierung eröffnet darüber hinaus neue Chancen.

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40 Jahre Motor des sozialen Wohnbaus

Bester Wohnbau 2024: „Wald, wir kommen!“, Bauträger EBG, erhielt den Wiener Wohnbaupreis 2024 als Bester Wohnbau
Bester Wohnbau 2024: „Wald, wir kommen!“, Bauträger EBG, erhielt den Wiener Wohnbaupreis 2024 als Bester Wohnbau

Leistbares, klimafittes Wohnen in lebendigen, vielfältigen Stadtteilen: das ermöglicht und forciert der wohnfonds_wien seit 40 Jahren. Im heurigen Jubiläumsjahr stellt das Management die Weichen für die Zukunft.

Im Jahr 1984 als Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds gegründet, lag der Fokus des wohnfonds wien zunächst ausschließlich auf der Bodenbevorratung für den geförderten Wohnungsneubau sowie auf der Begleitung von geförderten Sanierungen. Was zunächst klein begonnen hat, ist heute ein weltweit beachtetes und mehrfach ausgezeichnetes Stadterweiterungs- und Stadterneuerungsprogramm. Seine Leistungen für Wien erbringt der wohnfonds_wien nach wie vor in den beiden Geschäftsbereichen Sanierung und Neubau.

Die „Sanfte Stadterneuerung“ gilt als eine Wiener Erfindung. Das Ziel der Stadt Wien war und ist es, Wohnhäuser mit Fördermitteln möglichst umfassend zu sanieren, dabei aber das prägende Stadtbild zu erhalten und die Bewohner:innen möglichst nicht aus ihrem Wohnumfeld zu verdrängen. Der wohnfonds_wien unterstützt im Geschäftsbereich Sanierung daher die Hauseigentümer:innen und Hausverwaltungen beim Prozess der Antragstellung mit detaillierter Auskunft zu Förderschienen, bei der Abwicklung von Förderansuchen und der Begleitung des Baufortschritts sowie der Kontrolle der Verwendung von Fördermitteln. Seit der Gründung konnten so rund 7.500 geförderte Sanierungsprojekte mit insgesamt 340.000 Wohneinheiten begleitet werden.

Mit der Blocksanierung (heute „WieNeu“) kam bereits 1989 eine neue Aufgabe hinzu: In Abstimmung mit dem jeweiligen Bezirk und den Dienststellen der Stadt entwickelt der wohnfonds_ wien nachhaltige Konzepte für die Aufwertung ganzer Häuserblöcke, aber auch städtebauliche Strukturverbesserungen an einzelnen Liegenschaften. Hier konnten mittlerweile 100 Gebiete mit rund 7.200 Liegenschaften bearbeitet werden.

Stellv. Geschäftsführer Dieter Groschopf und Geschäftsführer DI Gregor Puscher

Seit 2020 betreibt der wohnfonds_ wien die „Hauskunft“, die kostenlose Beratungsstelle rund um Sanierung und Dekarbonisierung in Wien. Die Expert:innen der Hauskunft beraten Haus- und Wohnungseigentümer: innen, Hausverwaltungen und Planer:innen individuell, praxisnah und firmenunabhängig. Sie geben umfassend Auskunft zu sinnvollen Sanierungs- und Dekarbonisierungsmaßnahmen sowie zu passenden Förderungen.

Leistbarer, qualitätvoller Wohnungsneubau

Auch beim Wohnungsneubau spielt der wohnfonds_wien eine zentrale Rolle in der Stadt. Seit Anbeginn werden Grundstücke für den geförderten Wohnbau angekauft, bis zur Baureife entwickelt und an gemeinnützige und gewerbliche Bauträger vergeben. Über drei Millionen Quadratmeter Boden kann der wohnfonds_wien heute für gefördertes Wohnen und städtische Infrastruktur zur Verfügung stellen – das entspricht der Fläche der Wiener Bezirke Mariahilf und Neubau zusammen.

Wiener Wohnbaupreis 2024 
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 40-jährigen Jubiläum des wohnfonds_wien wurde im Juni 2024 der 4. Wiener Wohnbaupreis im Wiener Rathaus in drei Kategorien verliehen:
- Bester Wohnbau: „Wald, wir kommen!“, 8., Pötzleinsdorfer Höhe 2A; Bauträger: EBG
- Bester Gemeindebau Neu: „Karlheinz-Hora-Hof“, 2., Handelskai 214A; Bauträger: Wigeba
- Bestes Quartier: „Breitensee“, 14., Leyserstraße 4+4a, Spallartgasse 17–29; Bauträger: Sozialbau, WBVGPA, Eisenhof, Volksbau, ÖSW

1995 wurden zwei Instrumente eingeführt, welche die Qualität und Leistbarkeit im geförderten Wohnungsneubau nachhaltig sicherstellen: der Grundstücksbeirat und der Bauträgerwettbewerb. Mit diesen qualitätssichernden Verfahren werden durch mehrstufige Prozesse und durch eine Jury aus Expert:innen geplante Wohnbauprojekte nach dem bekannten „4-Säulen-Modell“ (Ökonomie, Soziale Nachhaltigkeit, Architektur und Ökologie) bewertet. Seit 1995 wurde über diese beiden Instrumente Wohnraum für 300.000 Menschen geschaffen. Das entspricht der Bevölkerung von Graz. Alle fünf Jahre werden die besonders innovativen geförderten Wohnbauprojekte in Wien mit dem Wiener Wohnbau-Preis ausgezeichnet (siehe Infokasten).

Die neuen Bereichsleiter:innen im wohnfonds_wien: für Sanierung DIin Nicole Büchl

Seit 2021 gibt es darüber hinaus auch eine Qualitätssicherung für ganze Quartiere – den Qualitätsbeirat. In diesem Verfahren vernetzt der wohnfonds_wien die Akteur:innen der einzelnen Wohnbauvorhaben (sowohl gefördert als auch frei finanziert) und unterstützt Bauplatz-übergreifendes Denken, Planen und Umsetzen. Somit sorgt der Qualitätsbeirat dafür, dass die von der Wiener Stadtplanung vordefinierten Ziele in den neuen Stadtquartieren realisiert werden.

Bei der 40-Jahre-Jubiläumsfeier im Wiener Rathaus wurden vor allem auch die großen Themen der nächsten Jahre präsentiert, wie der Energieträgerwechsel in der Bestandsstadt, die zukünftigen großen Stadtquartiere Heidjöchl oder Rothneusiedl und die Wiener Wohnbau-Offensive 2024+.

für Neubau: DIin Silvia Hofer

Neues Team für die Zukunft

Zudem stellte der wohnfonds_wien im Wiener Rathaus seine neuen Top-Führungskräfte vor. Den Geschäftsbereich Neubau mit den Themen Qualitätssicherung, Liegenschaftsmanagement und Projektentwicklung übernimmt DIin Silvia Hofer. Die Themen der geförderten Wohnhaussanierung, Hauskunft und WieNeu – Blocksanierung, im Geschäftsbereich Sanierung, leitet künftig DIin Nicole Büchl und Leiter des neu geschaffenen Geschäftsbereichs Unternehmensservice ist DI Joachim Vallant.

für Unternehmensservice: DI Joachim Vallant.

„Mit unserem neuen Team sind wir interdisziplinär aufgestellt. Wir setzen weiterhin auf Kooperation, Dialog und Zusammenarbeit mit unseren Stakeholder: innen. Denn die Herausforderungen der Zukunft können wir nur gemeinsam meistern“, betonen Gregor Puscher und Dieter Groschopf, Geschäftsführung des wohnfonds_wien.

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75 Jahre Vision und Verantwortung

Stolze 75 Jahre wurden gebührend gefeiert.
Stolze 75 Jahre wurden gebührend gefeiert.

Seit 1949 setzt das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW) auf hochwertigen, modernen und leistbaren Wohnraum in ganz Österreich. Durch kontinuierliche Forschung und Entwicklung entstehen regelmäßig visionäre Wohnkonzepte, die Nachhaltigkeit, Funktionalität und Komfort für die Bewohner:innen in den Mittelpunkt stellen. Dieses Jahr feierte der Konzern einen ganz besonderen Meilenstein: sein 75-jähriges Firmenjubiläum.

Hochwertigen, modernen und leistbaren Wohnraum mit innovativen Lösungen zu schaffen – das ist Anspruch, Motivation und verbindendes Motto für den gesamten ÖSW Konzern. Damals wie heute soll Wohnraum realisiert werden, der nicht nur höchsten Komfort bietet, sondern darüber hinaus mit Nachhaltigkeit und Flexibilität besticht. In der nun 75-jährigen Konzerngeschichte kann das ÖSW auf einen kontinuierlichen Wachstumskurs zurückblicken. Seit seiner Gründung in der Nachkriegszeit hat sich das ÖSW laufend weiterentwickelt. Heute begleitet der ÖSW Konzern als Komplettanbieter den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie.

Das vielseitige Wohnangebot, das sowohl im geförderten als auch im frei finanzierten Bereich verfügbar ist, steht dabei im Mittelpunkt. Weitere Schlüsselbereiche umfassen die Immobilienverwaltung und -verwertung, ganzheitliche Services rund um Wohngebäude sowie deren Sanierung und Instandhaltung und Angebote für Kurzzeit- und studentisches Wohnen.

Viele Ehrengäste schauten bei dem Fest im Gartenpalais Liechtenstein vorbei.

Nachhaltig und innovativ

Bei der Umsetzung von zukunftsorientierten Wohnprojekten setzt das ÖSW ganz bewusst auf gelebte Nachhaltigkeit. Grüne Baustoffe, energieeffiziente Technologien, die Integration erneuerbarer Energiequellen und pro- gressive Raumkonzepte werden als integraler Bestandteil ganzheitlicher Projektentwicklung betrachtet. Der ÖSW Konzern ist so maßgeblich an Innovationen in der Bauwirtschaft beteiligt und hat in vielen Bereichen neue Standards gesetzt.

Optimierte Kreislaufwirtschaft, der konsequente Einsatz von nachhaltigen Energiekonzepten und die Umsetzung von visionären Pilotprojekten wie dem eigenen Photovoltaik- Kraftwerk in der Wiener Firmenzentrale sind nur einige Beispiele. Der starke Fokus auf Nachhaltigkeit ist dabei auch eine strategische Maßnahme, um Wohnprojekte mit effizienten Bauverfahren und der Nutzung moderner Technologien fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen.

Der Mensch im Mittelpunkt

Als gemeinnütziger Wohnbaukonzern lebt das ÖSW bei allen Projekten aber vor allem seine soziale Verantwortung und orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen. Die Schaffung leistbaren Wohnraums wird konzernweit nicht nur als bedeutender gesellschaftlicher Beitrag verstanden, sondern auch als wesentlicher Baustein für soziale Gerechtigkeit und die Förderung lebendiger, vielfältiger Gemeinschaften.

Wolfgang Wahlmüller und Markus Fichta freuten sich über die zahlreichen Gratulanten.

Im Fokus stehen deshalb die Entwicklung, Planung und Realisierung bedürfnisorientierter Wohnprojekte – mit unterschiedlichen Nutzungskonzepten für jede Lebensphase.

ÖSW Facts
Der ÖSW Konzern, an dessen Spitze die Österreichisches Siedlungswerk Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft (ÖSW AG) steht, realisiert visionäre Wohnprojekte und gemeinnützigen Wohnraum in ganz Österreich. Mit einer Konzernbilanzsumme von über drei Milliarden Euro ist er einer der größten, unabhängigen, gemeinnützigen Wohnbaukonzerne Österreichs. Der ÖSW Konzern verfügt über 30 Beteiligungen, die Expertise und Erfahrung in unterschiedlichen Geschäftsbereichen vereinen.
- 30 Tochtergesellschaften
- 75 Jahre Erfahrung
- 7 Geschäftsfelder
- 454 Beschäftigte
ösw-konzern.at

Jubiläumsfeier als Meilenstein

Die große Jubiläumsfeier im Gartenpalais Liechtenstein bot Anlass, sich gemeinsam an 75 Jahre ÖSW zu erinnern und gleichzeitig einen Blick in die Zukunft zu werfen. Generaldirektor Wolfgang Wahlmüller und Stellvertreter Markus Fichta nutzten die Gelegenheit, um allen Eigentümer:innen und Aufsichtsrät:innen für die gute Zusammenarbeit zu danken und auf die gemeinsame erfolgreiche Weiterentwicklung des Konzerns anzustoßen.

Mit frischem Schwung und progressiven Ideen möchte das ÖSW auch zukünftig neuen Projekten und Herausforderungen begegnen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Transformations- und Modernisierungsprozessen, die den ÖSW Konzern in den Bereichen Klimaeffizienz, Nachhaltigkeit und Innovation weiter stärken sollen. „Unser Ziel ist es, den Konzern umfassend zu modernisieren und gleichzeitig neue Wege zu beschreiten. Historische Erfolge zu feiern ist wichtig – doch ebenso wichtig ist es, den Blick nach vorne zu richten und sich den Aufgaben der Zukunft zu stellen“, betont Wolfgang Wahlmüller.

Mit 75 Jahren Erfahrung, innovativen Ansätzen und einer proaktiven, zukunftsorientierten Strategie will der ÖSW Konzern weiterhin einzigartigen Wohn- und Lebensraum schaffen, der sich an verändernde Bedürfnisse anpasst und auch zukunftsweisend für das Wohnen von morgen ist.

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Neuer Leitfaden: „Build Back Better“ – Versicherer schaffen Voraussetzungen für eine klimaresilientere Wiederherstellung von Gebäuden

Neuer Leitfaden „Build Back Better“: für klimaresilientere Gebäude
Klima-Resilienz soll beim Wiederaufbau und bei der Reparatur beschädigter Häuser künftig eine größere Bedeutung bekommen. Titel: iStock by gettyimages, in4mal

Das Thema Klima-Resilienz soll beim Wiederaufbau und bei der Reparatur beschädigter Häuser künftig eine größere Bedeutung bekommen. „Build Back Better“ lautet das Motto. Passend dazu hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) einen Leitfaden erstellt, der Versicherern als Hilfestellung und Orientierung im Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit dienen soll. Wohnungswirtschaft heute. hat den Versicherungs-Experten Alexander Haag gefragt, warum der neue Leitfaden wichtig ist und welche Auswirkungen er auf die Versicherungswirtschaft haben wird?

Haag ist bei AVW, dem führenden Versicherungsmakler der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, tätig. AVW liegt dieses Thema auch am Herzen. Das Unternehmen trägt durch klimafreundliche Geschäftsprozesse, nachhaltige Versicherungskonzepte und Schadenpräventionsberatung zum Klimaschutz und zu einer nachhaltigen Zukunft bei. Dabei verfolgt AVW eine ganzheitliche Strategie, die Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung umfasst.

Der neue GDV-Leitfaden orientiert sich am „Build Back Better“-Prinzip. Was hat es damit auf sich?

Alexander Haag: „Build Back Better“ ist ein schadenminderndes, zukunftsgerichtetes Konzept für die Reparatur und den Wiederaufbau von Wohngebäuden. Es beantwortet die Frage, was wir tun können, um Gebäude so zu reparieren und wiederaufzubauen, dass sie in Zukunft möglichst wenig oder sogar gar keine Schäden mehr davontragen. Das Konzept greift hauptsächlich als Reaktion auf Schäden durch Extremwetterereignisse bis hin zu Naturkatastrophen.

Was beinhaltet der neue GDV-Leitfaden genau?

Alexander Haag: Mit dem Leitfaden „Build Back Better“ liefert der GDV den Versicherern konkrete Maßnahmen und Strategien für eine klimaangepasste Zukunft. Er ist eine unverbindliche Orientierungshilfe, die zeigt, wie in der Wohngebäudeversicherung mit dem „Build Back Better“-Prinzip umgegangen werden kann und gibt Hinweise auf Zusatzmaßnahmen, die über das Neuwertversprechen hinaus gehen.

Und zwar individuell für die einzelnen Naturgefahren, von Blitz über Hagel bis Schneedruck. Kurzum: Die Versicherer ebnen mit diesem Leitfaden den Weg für eine klimaresilientere Wiederherstellung von Gebäuden.

Warum ist so ein Leitfaden wichtig?

Alexander Haag: Prävention ist und bleibt der wichtigste Hebel, um Klimawandelrisiken zu managen. Der Klimawandel ist in vollem Gange – wir alle können die Auswirkungen bereits deutlich spüren und er hat auch einen großen Einfluss darauf, wie sich die Versicherungswirtschaft entwickeln wird. Damit wir den Folgen des Klimawandels auch in Zukunft angemessen begegnen können, brauchen wir konkrete Maßnahmen für die Wohngebäudeversicherung, die einen (Wieder-)Aufbau von Gebäuden ermöglichen, die resilienter gegen Naturgefahren sind.

Etwa durch den Einsatz widerstandsfähigerer Baustoffe und Bauteile oder durch bauliche Veränderungen wie Aufkantungen an Treppenabgängen. Dadurch wird der Schadeneintritt im besten Fall ganz verhindert – wenigstens aber kann das Schadenausmaß deutlich verringert werden.

Entscheidend dafür ist vor allem, dass das Angebot an nachhaltigen Versicherungsprodukten ausgebaut wird, zum Beispiel durch innovative Versicherungsbedingungen und Wirtschaftskonzepte.

Welche Versicherungsmöglichkeiten könnten sich dadurch ergeben?

Alexander Haag: Denkbar wäre, dass der klimaresilientere Wiederaufbau fest in Wohngebäude-Policen vereinbart wird. Auch die Widerstandsfähigkeit von Gebäuden könnte stärker in die Versicherungstarife einfließen. Häuser, die besser geschützt sind, sollen zudem von der Schadenfreiheit profitieren, die wiederum durch Prämiengestaltung honoriert werden könnte.

Die AVW beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und unterstützt die Wohnungsunternehmen, nachhaltiger zu werden. Was wird bereits umgesetzt?

Alexander Haag: Viele unserer Kunden haben bereits die Möglichkeit, Mehrkosten abzusichern, wenn sie ökologische Materialien verwenden oder bestimmte Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung nach einem Schaden ergreifen. Wir haben mehrere besondere Versicherungsbausteine im Portfolio, die hierzu vereinbart werden können. Mit ihnen können etwa die Reparaturen und der Wiederaufbau von Sachwerten nach einem Schaden unter Berücksichtigung dieser Aspekte durchgeführt werden.

Dazu gehören auch Modernisierungsmaßnahmen nach einem versicherten Schaden, die über behördliche Vorschriften hinausgehen. Damit leistet die AVW einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zur Resilienz von Gebäuden gegenüber zukünftigen Extremwetterereignissen.

Was können Unternehmen noch tun?

Alexander Haag: Wir alle wissen nicht, wie sich die Intensität, die Frequenz und die räumliche Verteilung von Naturgefahren in den kommenden Jahren noch entwickeln werden und wie sich das auf Schäden in der Wohngebäudeversicherung auswirken wird. Gleichzeitig schreitet die Technisierung der Haushalte und der Gebäude sowie die Weiterentwicklung von Baumaterialien und -techniken voran. Unternehmen tun daher gut daran, ein kontinuierliches Monitoring einzuführen, mit dem sie zum Beispiel den technischen Fortschritt von Baumaterialien und deren Verarbeitung im Blick behalten, denn daraus kann dann zum Beispiel schnell abgeleitet werden, welche schadenpräventiven Eigenschaften sich mit angrenzenden Baustoffen ergeben können.

Vielen Dank für das Interview, Herr Haag.

Lesen Sie auch den Leitfaden als PDF per KLICK

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Wirtschaftsaufschwung durch Klimawende und Lockerung der Schuldenbremse rechnen sich

Gerd Warda, Foto: krimiwa

Liebe Leserinnen, liebe Leser.

Wenn es um das Erreichen der Klimaziele geht, sind die Herausforderungen im Gebäudebereich besonders groß und nehmen Jahr für Jahr noch weiter zu. Es geht hier insbesondere darum: Was ist wie zu tun? Wie und wann muss es umgesetzt sein? Wie finanziert es sich? Wollen wir diese Fragen beantworten, benötigen wir einen Plan. Besser noch suchen wir Beispiele, bei denen die CO2-Klimaziele bezahlbar umgesetzt werden.

Beispiel 1

Im letzten Monat hat die dena die Studie „Fit für 2045 (Teil 2) veröffentlicht. Hier stehen die Gebäude der öffentlichen Hand im Mittelpunkt. Auch sie sind CO2-Verursacher, auch sie müssen alle bis 2045 klimaneutral sein. Die dena spricht hier allein von 120 Milliarden Euro Kosten um den Energieverbrauch entsprechend zu senken, was sich ja auf die CO2-Bilanz auswirkt. Bei der Vorstellung der Studie forderte dena-Chefin Corinna Enders auch gleich: Die öffentliche Hand sollte hier Vorreiter sein. Aufgabe der Politik ist es dabei, die nötigen Rahmenbedingungen für skalierbare Geschäftsmodelle zur Sanierung öffentlicher Gebäude zu schaffen.

Übrigens: Dies schließt auch ein Neudenken der Schuldenbremse mit ein. Lesen Sie mehr im Beitrag:  Öffentliche Hand soll bei Klimaschutz und Gebäudesanierung vorangehen.

Beispiel 2

Ende letzten Monats hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) den Leitfaden „Build Back Better“ vorgestellt. Was hat die Versicherungswirtschaft mit CO2-Blianz und Klimaschutz zu tun? Die Antwort ist ganz simpel. Unsere Gebäude sind alle gegen auftretende Schäden versichert. Und wie der gute hanseatische Kaufmann auch, muss die Versicherung das Risiko kennen, das sie versichert. Kurz: Sie lässt forschen. Zum Thema Brandschutz, Hochwasser, Material, wie wird gebaut, auch wie und warum Schäden erstehen und vieles mehr. 

Aber zurück zum GDV-Leitfaden. Wir haben den AVW-Versicherungs-Experten Alexander Haag gebeten den Bogen vom Leitfaden zur Immobilienwirtschaft bzw. Wohnungswirtschaft zu schlagen. Seine Antwort: „Build Back Better“ ist ein schadenminderndes, zukunftsgerichtetes Konzept für die Reparatur und den Wiederaufbau von Wohngebäuden. Es beantwortet die Frage, was wir tun können, um Gebäude so zu reparieren und wiederaufzubauen, dass sie in Zukunft möglichst wenig oder sogar gar keine Schäden mehr davontragen. Das Konzept greift hauptsächlich als Reaktion auf Schäden durch Extremwetterereignisse bis hin zu Naturkatastrophen.

Im Beitrag Neuer Leitfaden: „Build Back Better“ – Versicherer schaffen Voraussetzungen für eine klimaresilientere Wiederherstellung von Gebäuden finden Sie das ganze Gespräch und auch den Leitfaden zum Download als PDF.

Beispiel 3

Die Unternehmen der bestandshaltenden Wohnungswirtschaft sind wie Container-Riesen, die ungebremst über die Ozeane ziehen. Sie müssen langfristig planen, damit auch ihre Mieter langfristig, bezahlbar und sicher wohnen können. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen bei der Umsetzung zum Erreichen der Klimaziele hat der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) eine neue Mietenstrategie bis 2029 verabschiedet.

„Wir haben spitz gerechnet und begrenzen mögliche Mietsteigerungen durch Kappungsgrenzen auf das absolute Minimum. Die neue Mietenstrategie unterstreicht die Rolle der Nassauischen Heimstätte als Hessens größtes Wohnungsunternehmen und Garant für bezahlbaren Wohnraum“, so NHW- Aufsichtsratsvorsitzender Kaweh Mansoori. Er ist auch Hessens Wohnungsbauminister.

Alles über die Mietenstrategie finden Sie im Beitrag: Neue Mietenstrategie bis 2029 verabschiedet: NHW und Land Hessen stärken bezahlbares Wohnen.

Oktober 2024. Wohnungswirtschaft heute. Ausgabe 193 ist für Sie bereit.

Eine neue Ausgabe, mit neuen Inhalten, klicken Sie mal rein.

Bleiben Sie zuversichtlich und nachhaltig

Ihr Gerd Warda

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Neue Mietenstrategie bis 2029 verabschiedet: NHW und Land Hessen stärken bezahlbares Wohnen

Das Ergebnis von 15 Jahren Arbeit: Die NHW hat in ihrem Fuldaer Quartier Ziehers-Nord 280 Wohnungen für mehr als 19 Millionen Euro modernisiert. Die Mieterhöhungen nach Abschluss der Arbeiten fallen moderat aus und bewegen sich in einem sozial verträglichen Rahmen. Selbstverständlich wurde bei der Berechnung nur der mietwirksame Kostenanteil umgelegt. Darüber hinaus gab es Gutschriften von einer Monatsmiete sowie eine Reinigungspauschale für alle Mieterinnen und Mieter. Eine Besonderheit wurde in der Bonhoeffer-Straße 12 realisiert. Die sonst schmucklose Giebelseite des Gebäudes wurde mit dem Profil und einem Zitat des im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiven Theologen Dietrich Bonhoeffer versehen. Die Worte „Dankbarkeit macht das Leben erst reich“ sollen zum Nachdenken anregen. Ziel der Aufwertung ist es, über das Fassadengemälde eine Verbundenheit zu schaffen, die auf anderen Wegen sonst nur schwer zu erreichen ist. Foto: NHW / Andreas Fischer

Die Prognose des Instituts Wohnen und Umwelt zeigt es deutlich: In einigen Regionen Hessens fehlen Wohnungen. Vor allem in Südhessen und im Rhein-Main-Gebiet, aber auch in den Landkreisen Gießen und Marburg-Biedenkopf sowie der Stadt Kassel sind die Wohnungsmärkte angespannt. Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) ist sich dieser Situation und ihrer sozialen Verantwortung bewusst und hat eine neue Mietenstrategie aufgelegt.

„Wir haben spitz gerechnet und begrenzen mögliche Mietsteigerungen durch Kappungsgrenzen auf das absolute Minimum. Die neue Mietenstrategie unterstreicht die Rolle der Nassauischen Heimstätte als Hessens größtes Wohnungsunternehmen und Garant für bezahlbaren Wohnraum“, betonte Wohnungsbauminister Kaweh Mansoori bei der Verabschiedung der neuen Mietenstrategie in Frankfurt.

„Die Mieten für die Wohnungen der Nassauischen Heimstätte zählen weiterhin zu den günstigsten in Hessen. Die neue Mietenstrategie ist eine gute Nachricht vor allem für einkommensschwache Haushalte, die in besonderem Maße auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Und sie unterstreicht die besondere Verantwortung der Nassauischen Heimstätte als soziales Wohnungsbauunternehmen.“

Bei 57 Prozent der rund 60.000 NHW-Wohnungen liegen die Mieten unter sieben Euro/m2. Stand 30. Juni 2024 liegt die durchschnittliche Netto-Kaltmiete bei 6,77 Euro/m². Rund 18.000 Wohnungen unterliegen einer Belegungs-, rund 16.000 Wohnungen einer Mietpreisbindung, erklärte der Minister weiter, der als Aufsichtsratsvorsitzender der NHW fungiert. Bereits mit ihrer ersten Mietenstrategie (2019 bis 2023) hat die NHW auf Wohnraumknappheit, angespannte Märkte und steigende Preise reagiert und eine starke sowie sozial gerechte Mietenbegrenzung für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen eingeführt.

Neue Rahmenbedingungen erfordern neue Eckpfeiler

Ende 2023 war die frühere Mietenstrategie der NHW ausgelaufen. Um die Mieter finanziell dennoch zu entlasten, kehrte die NHW ab Anfang 2024 zunächst zur sogenannten NHW-Mietenpolitik zurück. Im März 2024 bat Kaweh Mansoori, Wirtschaftsminister und Aufsichtsratsvorsitzender der Nassauischen Heimstätte, darum, eine neue Mietenstrategie zu erarbeiten. Die NHW setzte daraufhin alle von Juni bis Dezember 2024 geplanten Mieterhöhungen aus.

In der Folge haben sich NHW-Geschäftsführung und Minister Mansoori auf eine neue Mietenstrategie verständigt, die ab dem 1. Januar 2025 bis Ende 2029 gilt. Der Aufsichtsrat hat die neue Strategie am 20. September verabschiedet. Diese wird im Dezember den Gesellschafterversammlungen von Nassauischer Heimstätte und Wohnstadt zur Beschlussfassung vorgelegt.

Kappungsgrenze für Mieterhöhungen

Mit der neuen Mietenstrategie wird eine pauschale und eine prozentuale Kappungsgrenze für Mieterhöhungen eingeführt. Für Mietende mit geringem Einkommen liegt die maximal mögliche Mieterhöhung bei 55 € je Monat in Südhessen und bei 39 € je Monat für Mietende in Nord- und Mittelhessen. Für alle anderen Mietenden beträgt die maximale Mieterhöhung wie bisher 69 € je Monat (Südhessen) bzw. 49 € je Monat (Nord- und Mittelhessen).

Zusätzlich wird die NHW ab 1. Januar 2025 die Mieten innerhalb von drei Jahren um maximal zehn Prozent erhöhen. Die NHW bleibt damit deutlich unterhalb der gesetzlichen Kappungsgrenze. Die Stadt Frankfurt als Gesellschafterin hat im Aufsichtsrat angekündigt, für ihr Stadtgebiet die rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten einer weitergehenden Mietpreisbegrenzung der NHW-Wohnungen zu prüfen.

Nach Modernisierungen wird die NHW weiterhin statt der gesetzlich möglichen acht Prozent höchstens sechs Prozent auf ihre Mieter umlegen. Außerdem werden alle Belegungsbindungen im Rahmen des Landesprogramms „Richtlinie des Landes Hessen zum Erwerb von Belegungsrechten“, die zwischen dem 1. Januar 2024 und dem 31. Dezember 2026 auslaufen, verlängert – vorausgesetzt, das zum 31. Dezember 2024 auslaufende Landesprogramm wird verlängert.

NHW-Geschäftsführung und Staatsminister Mansoori loben Vereinbarung V.l.n.r.: Dr. Thomas Hain, Leitender Geschäftsführer NHW; Kaweh Mansoori, Hessischer Staatsminister für Wohnungsbau; Monika Fontaine-Kretschmer, Geschäftsführerin NHW; Dr. Constantin Westphal, Geschäftsführer NHW. Foto: NHW

Gutes Fundament für die Zukunft

„Bezahlbares Wohnen als eine Frage der sozialen Gerechtigkeit ist für die Hessische Landesregierung von allerhöchster Priorität“, sagte Staatsminister und Aufsichtsratsvorsitzender Kaweh Mansoori. „Ziel ist es, dass alle Hessinnen und Hessen bezahlbaren Wohnraum in angemessener Qualität finden.

Aufgabe der NHW als Teil der sozial orientierten Wohnungswirtschaft in Hessen ist die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums für breite Schichten der Bevölkerung – besonders die Wohnsituation von einkommensschwachen Haushalten liegt im Interesse der Landesregierung. Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau investieren. Diese Entwicklung wollen wir weiter stärken – gemeinsam mit der NHW, die für das Land ein entscheidender Partner ist.

Mit der neuen Mietenstrategie haben wir ein sehr gutes Fundament geschaffen, um diesen Weg gemeinsam weitergehen zu können.“

Investieren, ohne unsere Mieter zu überfordern

„Die NHW steht immer schon für eine soziale Mietenstrategie, und das wird auch in Zukunft so bleiben“, betonte Dr. Thomas Hain, Leitender Geschäftsführer. „Gleichzeitig müssen wir investieren – in die klimaneutrale Entwicklung unseres Wohnungsbestandes sowie in den dringend benötigten Neubau in den Ballungsräumen.

Die neue Mietenstrategie ermöglicht es uns, diese Herausforderungen zu meistern: Wir können Einnahmen aus dem Bestand in Neubau, Modernisierung und Klimaschutz investieren, ohne Haushalte mit geringerem Einkommen bei Mieterhöhungen zu überfordern. Selbstverständlich wird die NHW auch weiterhin den Anteil an sozial gebundenem Wohnungsbau in Quartieren erhöhen, die in dieser Hinsicht Nachholbedarf haben.“

Vorreiter in Sachen soziale Verantwortung – nicht nur beim Wohnen

„Die neue Mietenstrategie ist ein wichtiges Element für den Sozialbeitrag der NHW“, ergänzte Dr. Constantin Westphal, Geschäftsführer für Projektentwicklung und Immobilienwirtschaft.

„Die NHW ist Vorreiter beim Thema soziale Verantwortung, insbesondere als Garant niedriger Mietpreise und bei der langfristigen Bereitstellung von sozial gefördertem Wohnraum. Neben diesem Kerngeschäft erbringen wir nicht nur eine Reihe von sozialen Leistungen für unsere Mieter, sondern auch für die Gesellschaft. Zu diesem sogenannten Sozialbeitrag gehören beispielsweise die Angebote unseres Sozialmanagements und die Mietschuldnerberatung. Aber auch ökologisches Handeln wie die Forcierung nachhaltiger Bauprojekte oder nachhaltige Finanzierungsinstrumente zahlen auf dieses Konto ein.“

 CO2-Reduktion als wichtiger Faktor für sozial verträgliche Mieten

„Die Transformation unserer Wohnungsbestände hin zur Klimaneutralität ist die größte finanzielle Einzelherausforderung unserer 100-jährigen Geschichte“, führte die Technische Geschäftsführerin Monika Fontaine-Kretschmer aus. „Die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges hat deutlich gemacht, dass wir die Wärmeversorgung der Gebäude von fossilen auf regenerative Energieträger umstellen müssen.

In den nächsten Jahren wird es daher darum gehen, unser Budget so effektiv wie möglich für die CO2-Reduktion einzusetzen – schon alleine, um die steigende CO2-Abgabenlast zu senken. Auch das ist ein wichtiger Beitrag, um die Belastung für die Mietenden sozial verträglich zu halten und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens sicherzustellen.“

Jens Duffner


Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) mit Sitz in Frankfurt am Main und Kassel bietet seit über 100 Jahren umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Bauen und Entwickeln. Sie beschäftigt rund 890 Mitarbeitende. Mit über 60.000 Mietwohnungen an 112 Standorten in Hessen gehört sie zu den führenden deutschen Wohnungsunternehmen. Unter der NHW-Marke ProjektStadt führt sie nachhaltige Stadtentwicklungsaufgaben durch. Sie ist Gründungsmitglied der Initiative Wohnen.2050, um dem Klimaschutz in der Wohnungswirtschaft mehr Schlagkraft zu verleihen. Mit hubitation verfügt die NHW zudem über ein Startup- und Ideennetzwerk rund um innovatives Wohnen. www.nhw.de/

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