Je schneller wir aus der Denkschiene der Raketentechnologien rauskommen, meint ÖGUT-Projektmanagerin Franziska Trebut, desto eher können wir innovative Konzepte zum State-of-the-Art machen.
WOJCIECH CZAJA
Das vorliegende Heft steht unter dem Titel „Grün ist eine soziale Farbe“. Können Sie diesem Motto etwas abgewinnen?
Ja, natürlich! Ohne jeden Zweifel sind die sozial und wirtschaftlich Schwächeren von den Folgen des Klimawandels am stärksten betroffen. Insofern sind Gebäude, die grüne Technologien einsetzen, vor allem für diese Zielgruppe gut und wichtig.
Inwiefern wirkt sich grünes, ökologisches, klimabewusstes Bauen denn konkret auf die Wohn- und Lebenskosten aus?
Im Winter denke ich vor allem an die Energieabhängigkeit von Russland und an die zum Teil massiven Preisschwankungen bei den Heizkosten. Aber auch der Sommer macht mir zunehmend Sorgen. Das zeigt allein schon ein Blick auf den letzten Juli und August. Aktive Kühlung und Wohnraumtemperierung werden immer wichtiger – nicht nur im Neubau, sondern auch im Bereich Sanierung.
Klimabewusster Wohnbau, hört man oft, sei je nach Bauweise und Haustechnik meist um zehn bis 20 Prozent teurer als ein herkömmlich errichtetes Wohngebäude. Wie findet man da die richtige, sozialverträgliche Balance zwischen Baukosten, Mietbelastung und laufenden Betriebskosten?
Ich würde eher von fünf bis zehn Prozent Mehrkosten sprechen. Je mehr wir diese neuen Technologien nicht mehr als Raketentechnologien behandeln, sondern als State-of-the-Art, desto eher können wir das Delta auf null senken. Und gerade für den gemeinnützigen Wohnbau können auch Förderungen die Differenz abpuffern. Der Sanierungsbonus des Bundes tut dies beispielsweise mit einem höheren Fördersatz für die gbv.
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57 Prozent aller zertifizierten klimaaktiven Geschoßwohnbauten wurden bislang von der gbv errichtet. Wie lässt sich das statistisch in die österreichische Gesamtwohnbauleistung einordnen?
Die Zahl ist schon sehr gut! Die Vorreiter sind Wien, Tirol und Kärnten. Manche Bauträger:innen und Projektquartiere wie etwa die Alpenländische, die Neue Heimat Tirol (NHT) und die Seestadt Aspern machen bereits standardmäßig TQB oder klimaaktiv- Standard – und vermarkten das auch entsprechend in der Unternehmenskommunikation.
Und wer sind die Schlusslichter?
Oberösterreich. Und auch das Burgenland, was aber auch mit dem geringen Anteil an Geschoßwohnbau zu tun hat.
Welche Bauweisen, Energieträger und Gebäudetechnologien haben in der Gemeinnützigkeit die Nase vorn? Was hat sich bewährt? Haben Sie da einen Überblick?
Da sprechen wir vor allem von Wärmepumpen, Wärmerückgewinnung, Photovoltaik, 3-Scheiben-Isolierfenstern, Wärmebrückenfreiheit, kompakten Bauformen, gut gedämmten Hüllen sowie von kontrollierter Wohnraumlüftung. Bei einigen Gemeinnützigen sind immer öfter auch moderate Kühlungen im Einsatz. Was ich leider komplett vermisse, sind umfassende Ansätze für Rückbau und Kreislauffähigkeit. In den Fachgremien ist das schon ein Thema, aber in der Realität wirft das noch viele, viele Fragezeichen auf.
Der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) sieht vor, dass Österreich seine klimaschädlichen Emissionen bis 2030 um 48 Prozent senken muss. Das sind noch sechs Jahre. Wird sich das ausgehen?
Die 48 Prozent Senkung betrifft den Querschnitt über alle Sektoren. Während wir bei der Raumwärme schon gute Fortschritte gemacht haben und den Anteil der erneuerbaren Energieträger auf 35,5 Prozent ausbauen konnten, sind die Verkehrsemissionen so hoch wie noch nie. Also nein, das wird sich definitiv nicht ausgehen.
Vom geplanten Erneuerbare-Wärme- Gesetz (EWG) blieb nur wenig erhalten, was den schrittweisen, gesetzlich vorgeschriebenen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen betrifft. Ist das für die Transformation des gebauten Bestands nicht ein K.O.-Kriterium?
Doch, leider. Österreich hat sich vorgenommen, bis 2040 klimaneutral zu werden, was ohnehin schon sehr ambitioniert war. Mit dem Scheitern des EWG ist dieses Ziel nun reine Utopie. Aber: Mit dem Fit-for-55-Paket der EU, darunter die neue Gebäuderichtlinie (EPBD 2024) und die Energieeffizienzrichtlinie (EEDIII), die in den nächsten zwei Jahren auch auf nationaler Ebene verpflichtend umgesetzt werden müssen, könnte die Sanierungs- und Dekarbonisierungspflicht des Bestands als eine Art EWG 2.0 durch die EU-Hintertür wieder zurückkommen.
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Franziska Trebut
Franziska Trebut ist wissenschaftliche Projektmanagerin in der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) und leitet da die Bereiche Energie, innovatives Bauen und Sustainable Finance. Unter anderem arbeitet sie im Programmmanagement von klimaaktiv Gebäude.