Nachhaltiges Management von Wasser, Böden und Energie muss gelingen

In Deutschland als wasserreichem Land trieben die Fragen des Umgangs mit Niederschlägen oder generell der Wasserverfügbarkeit lange Zeit kaum jemandem die Sorgenfalten auf die Stirn. 24 Stunden, 365 Tage sauberes Trinkwasser und eine adäquate Abwasseraufbereitung sind für uns bis heute eine Selbstverständlichkeit. Doch mit dem fortschreitenden Klimawandel und der damit verbundenen Erwärmung verschieben sich Witterungslagen, Extremwetterereignisse nehmen in Häufigkeit und Intensität zu, und das gilt längst auch für Deutschland.

Von Gunda Röstel

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Im Jahr 2021 verwüsteten dramatische Überflutungen an Ahr und Erft in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ganze Landstriche mit einer geschätzten Schadenssumme von über 40,5 Milliarden Euro. Über 180 Menschen verloren ihr Leben. Doch auch das andere Extrem – lang anhaltende Trockenzeiten – gibt Grund zur Sorge. In den vergangenen fünf Jahren, den wärmsten seit der Temperaturmessung, sanken Grundwasserspiegel, Flüsse trockneten ebenso aus wie unsere Böden mit verheerenden Auswirkungen. Unsere Wälder, die als natürlicher Speicher nicht nur CO2, sondern auch Wasser halten, litten unter der anhaltenden Trockenheit. Schädlingsbefall und großflächiges Abholzen bundesweit waren und sind die Folge. Gravierende Nebeneffekte waren auch in der Landwirtschaft und bei der industriellen Wassernutzung sowie auch ganz direkt in den urbanen Zentren als spürbare Hitzestaus zu verzeichnen.

Die Notwendigkeit zum Handeln zugunsten von Klimaschutz und Klimawandelanpassungen duldet keinen weiteren Aufschub

Die gute Nachricht vorweg: Es gibt global, europäisch und national endlich ein politisches Verständnis dafür, dass Klima, Biodiversität sowie der Umgang mit unseren Ressourcen und der Wasserhaushalt untrennbar zusammenhängen. Nicht nur die Agenda 2030 mit den 17 Sustainable Development Goals und die Pariser Klimaschutzvereinbarungen unterstreichen dies. Neu hinzugekommen sind auch das UN-Biodiversitätsabkommen und daran anknüpfend das Schutzabkommen für die Hochsee sowie mit über 700 konkreten Bekenntnissen verschiedener Nationen weltweit, die „Water Action Agenda“, die im Rahmen der UN-Wasserkonferenz in New York im März diesen Jahres beschlossen wurde.

Auch wenn noch sehr viel zu tun ist: Die systemische Steuerung der großen Herausforderungen und Transformationen einer nachhaltigen Entwicklung mit endlich auch konkreten Handlungsoptionen sind bedeutsame Signale, die zum Handeln aufrufen und gleichermaßen Hoffnung machen.

Höchste Zeit! Denn es ist vor allem die Zeit, die uns im Nacken sitzt. Weil wir mit dem Klima eben nicht verhandeln können, sondern reine Physik, resultierend aus unserem Verhalten, die dynamischen Veränderungen immer weiter bestimmt, müssen wir alles daransetzen, den Klimawandel einzudämmen, Kipppunkte zu vermeiden und uns selbst und unsere Art und Weise zu leben und zu produzieren an die Klimawandelfolgen anzupassen.

Die Ziele sind gesetzt, die Realität hinkt leider noch hinterher. Zwischen unserem Wollen und unserem realen Handeln klafft eine erhebliche Lücke, und das, obwohl wir prinzipiell wissen, was zu tun ist. Unser Verhalten verharrt noch zu oft in gewohnten Bahnen bei Mobilität und Reisen, Kaufen und Nutzung der Produkte, Ernährung und Wohnen. Das muss sich ändern, das kann sich auch ändern, wenn wir es wirklich wollen, möglichst viele auf diesem Weg mitnehmen und zeigen, dass Nachhaltigkeit kein Verlust an Lebensqualität bedeutet. Und nicht zuletzt eröffnet es auch neue Chancen, gerade für ein Hochtechnologieland wie unseres.

Klimaschutz wird zur obersten Handlungsmaxime in Deutschland

Die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele heruntergebrochen über Europa und das Nationale Klimaschutzgesetz bedeuten eine immense Kraftanstrengung für alle. Kern dieser Kraftanstrengung sind höchstmögliche Effizienzen im Energieverbrauch und der Wechsel hin zu klimafreundlichen Erneuerbaren Energien.

Dieser Wandel betrifft alle Sektoren, die bislang noch für Emissionen verantwortlich sind. Private Haushalte verursachten 2020 rund 123 Millionen Tonnen direkte Treibhausgas-Emissionen, rund 85 Prozent davon entfallen auf Raumwärme. Der Gebäudesektor ist damit für rund 17 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes Deutschlands verantwortlich. Dass sich hier ähnlich wie im Verkehrssektor noch viel verändern muss, liegt auf der Hand und wurde auch im neuen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes adressiert. Doch die Wärmewende ist sozial wie wirtschaftlich eine besonders schwierige Herausforderung. Allein schon die Umstellung des Wärmemarktes auf CO2-freie Technologien ist technisch, finanziell, personell, administrativ, wirtschaftlich und sozial eines der größten Projekte, die die Bundesrepublik je gestemmt hat.

Es geht um deutlich mehr als die Hälfte unseres gesamten Endenergieverbrauchs von ca. 2.400 Terawattstunden. Solche Hausnummern zu bewältigen, geht nicht konfliktfrei.

Rund 50 Prozent der Heizungen in den Wohnzimmern ist direkt gasbasiert, weitere 9 Prozent werden über Fernwärme, gas- oder kohlebasiert versorgt. Hinzu kommt, dass bundesweit 1,8 Millionen Unternehmen ebenfalls mitten aus dem Gasverteilnetz versorgt werden. Die Sorge bei HauseigentümerInnen, viel mehr aber noch bei Mieterinnen und Mietern, welche Kosten auf sie zukommen, ist mehr als nachvollziehbar.

Umso mehr muss es unter sozialen wie wirtschaftlichen Aspekten deshalb darum gehen, die lokal und regional passfähigsten und auch sozial verträglichsten Lösungen zu finden. Technologisch bringt es die sogenannte Bottom-Up-Studie des Nationalen Wasserstoffrates auf den Punkt: „Um eine klimaneutrale Energieversorgung bis 2045 zu erreichen, werden alle potenziell klimaneutralen Energieträger Strom, Fernwärme, Erneuerbare Energien (Photovoltaik, Windkraft, Solarthermie, Geothermie und Biomasse) und Wasserstoff in der Wärmeversorgung benötigt.“

Einerseits brauchen wir auch hierfür so schnell, so viel und so kostengünstig wie möglich Erneuerbare Energie und da gerade in unseren Breiten die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht, brauchen wir auch verlässliche Speichertechnologien. Neben Batteriespeichern werden dies v. a. Wasserstoff und seine Derivate sein, welche auch künftig Versorgungssicherheit garantieren. Zentrale Grundlage für die Wärmewende vor Ort ist eine dezidierte kommunale Wärmeplanung unter Einbezug der lokalen, realen Gegebenheiten und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.
Zu klären sind nicht nur Kostenfragen, sondern auch der Umgang mit Engpässen bei Material- und Fachkräfteverfügbarkeit. Im Schatten der öffentlichen Beachtung und Diskussion stehen bislang auch die notwendigen Infrastrukturen und deren Ausbau strom- wie gasseitig. Netze sind das A und O, wenn die Bedarfe für E-Mobile, Wärmepumpen, Heizungsanlagen oder Kraftwerke über Erneuerbare Energien inkl. Wasserstoff gedeckt werden sollen. Eine integrierte und robuste Netzplanung ist deshalb für eine gelungene Transformation essenziell.

Eine große Anzahl politischer Rahmen sind gesetzt oder zumindest in Angriff genommen werden, um die Klimaschutzziele in den beschlossenen Etappen zu erreichen. Nicht alles ist dabei schon praxistauglich und so miteinander verknüpft, dass es einen passfähigen und nahtlosen Umsetzungsplan darstellt. Bei einer Transformation diesen Ausmaßes ist es aber letztendlich nicht verwunderlich, wenn auch über heftige Diskussionen um Realitätstauglichkeit, Bezahlbarkeit und Schnelligkeit gerungen wird.

Klimawandelanpassung wirksam in den Blick nehmen

Weil Emissionssenkungen allein nicht reichen, um die laufenden Veränderungen zu bewältigen, braucht es parallel auch deutliche Anpassungen, damit klimawandelbedingte Schäden vermieden, verringert oder zumindest besser steuerbar werden.
Bereits 2008 verabschiedete die Bundesregierung die deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Für 13 zentrale Handlungsfelder, darunter auch das Bauwesen, wurden Handlungserfordernisse skizziert, die im Aktionsplan Anpassung mit mehr als 180 Maßnahmen in allen Sektoren, flankiert von staatlichen Förderungsoptionen, untersetzt wurden.
Mit der Nationalen Wasserstrategie, die die Bundesregierung im März diesen Jahres verabschiedete, wurden für den Umgang mit Wasserressourcen in Deutschland wichtige und auch richtige Weichen gestellt. Neben der Erreichung der Klimaschutzziele, die auch für den Wassersektor in Deutschland gelten, steht insbesondere das Engagement für Klimawandelanpassungen im Vordergrund. Für die Trink- und Abwasserwirtschaft bedeutet dies vor allem eine klimaresiliente Anpassung ihrer Infrastrukturen, die sowohl den Umgang mit Starkregenereignissen als auch mit länger anhaltenden Trockenzeiten verbessern helfen. Dies soll sich in eine gesamthafte wassersensible Regional- und vor allem Stadtentwicklung einordnen, die sich an dem Konzept der sogenannten Schwammstadt orientiert. Im Kern geht es hierbei darum, die Versickerungsfähigkeit von Böden wiederherzustellen und anfallendes Wasser in der Fläche zu speichern. Gewinner wären sich positiv entwickelnde Grundwasserstände, das Stadtklima im Hitzefall und gute Ableitungs- bzw. Speichermöglichkeiten, wenn Hochwasser droht.

Wichtige Voraussetzung hierfür ist jedoch ein nachhaltiger Umgang mit Flächen und Böden. Auch wenn bis 2018 endlich ein rückläufiger Trend des Flächenverbrauchs erfolgte, stagnieren wir inzwischen mit im Durchschnitt 55 Hektar Neuinanspruchnahme pro Tag. Kaum vorstellbar, dass bei begrenzter Fläche täglich rund 78 Fußballfelder neu für Wohnhäuser, Industrie- oder Verwaltungsgebäude, Schulen, Straßen, Parkplätze etc. in Anspruch genommen werden. Die Folgen liegen auf der Hand. Jeder Eingriff in die Natur ist auch ein Eingriff in den Wasserhaushalt. Überbaute Flächen brauchen im Niederschlagsfall künstliche Ableitungen über Misch- oder Regenwassernetze. Das kostet Geld. Viel wichtiger ist jedoch, dass dies die Neubildung von Grundwasser verhindert und Niederschläge über Verdunstung anderswo auf die Erde zurückkommen oder über die Ableitung in Flüsse der jeweiligen Region ebenfalls verloren gehen. Die Schaffung von Ausgleichsflächen mildert die Folgen zumindest ab. Hinzu kommt, dass uns die Sünden der Vergangenheit auch durch die Inanspruchnahmen von Auenflächen entlang der Flüsse heute zusätzlich einholen. Auch wenn wir uns richtigerweise inzwischen um den Schutz und die Rückgewinnung von Flussauen bemühen, stehen rund zwei Drittel dieser natürlichen Retentionsräume im Fall von Hochwasserereignissen schlicht nicht mehr zur Verfügung. Für diesen extrem wichtigen Teil der Klimawandelanpassungen müssen fachübergreifend nicht nur Umwelt- und Bauämter, sondern auch die für wirtschaftliche Ansiedelung zuständigen Behörden, die Bauunternehmen, ArchitektInnen und die Unternehmen der Wasserwirtschaft eng zusammenarbeiten.

Im Knappheitsfall adressiert die Wasserstrategie zudem richtigerweise eine bundesweite Leitlinie zur Wassernutzung. „Trinkwasser first“ genießt dabei zu Recht die höchste Priorität. Ein bundesweites Monitoring und eine sichere, digitale Datenbasis sowie gegebenenfalls auch regionalübergreifende neu zu errichtende Versorgungskonzepte, um im Knappheitsfall drastische Nutzungskonkurrenzen zumindest zu mindern, sind noch ausstehende Hausaufgaben.
Die von Trink- und Abwasserunternehmen bundesweit begrüßte Nationale Wasserstrategie setzt die richtigen Weichen und muss nun in konkretes Handeln übersetzt werden.

Kommunen sind die Macher des Wandels

Die eigentlichen Entscheidungen in Richtung Klimaschutz und Klimawandelanpassungen kommen nicht in der UN, auch nicht in der Europäischen Kommission oder in der Bundesregierung zustande, sondern vor Ort in den Kommunen, wo die Menschen leben und arbeiten. Hier entscheiden sie sich jeden Tag aufs Neue, welches Verkehrsmittel sie nutzen, ob sie mit dem Auto, dem ÖPNV oder dem Fahrrad unterwegs sind, was sie einkaufen und was sie essen. In den Ämtern, Unternehmen oder auch für das eigene Haus und Grundstück entscheiden Menschen, wie sie mit Flächen umgehen, ob ein neuer Parkplatz gebaut oder ob Frei- und Grünflächen entstehen und nicht zuletzt, wie Gebäude im Sinne des Klimaschutzes beheizt werden.

Dass diese Entscheidungen, gerade solche, die sich auf das Leben vieler Menschen mit unterschiedlichsten Prioritäten und Voraussetzungen auswirken, nicht leicht zu treffen sind, liegt dabei auf der Hand. Die Kommunen sind der Schmelztiegel, in denen diese Zielkonflikte diskutiert und im besten Fall einvernehmlich ausbalanciert werden.

Gunda Röstel ist kaufmännische Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden GmbH und Prokuristin der Gelsenwasser AG. Zuvor war sie Mitglied im sächsischen Landesvorstand und im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen. Gunda Röstel ist Mitglied im Bundesvorstand des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), Vorstandsvorsitzende des German Water Partnership e. V. und seit 2020 Mitglied im Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE), seit Februar 2023 als stellvertretende Vorsitzende.

Diese Balance und damit sicht- und messbare Veränderungen werden nur dann erreicht, wenn möglichst viele Menschen in möglichst vielen Bereichen ihres Lebens mitmachen wollen und mitmachen können. Das heißt konkret, Möglichkeiten für mehr regenerative Energien vor Ort zu nutzen, dabei Bürgerbeteiligung direkt oder auch über Konzepte wie Energiegenossenschaften oder Bürgerkraftwerke zuzulassen und das Gesamtsystem einer sicheren und für alle bezahlbaren sowie für Unternehmen wettbewerbsfähigen Energieversorgung im Blick zu behalten.

Diejenigen, die Immobilien besitzen, können auf ihrem Grundstück für eine bestmögliche Wasserspeicherung sorgen, indem sie Regenwasser von Dächern in Zisternen zur Bewässerung auffangen oder direkt durch so wenig wie möglich versiegelte Flächen in den Böden versickern. Dies wird auch von den meisten Abwasserdienstleistern durch die Niederschlagswassergebühr belohnt, die niedriger ausfällt, je mehr Niederschlagswasser nicht in Kanälen abgleitet werden muss.

Am Ende zählt jeder noch so kleine Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung. Wir zahlen alle auf ein gemeinsames Konto ein. Dieses Konto gehört vor allem den zukünftigen Generationen. Das beste Erbe, das wir hinterlassen können, sind nicht unsere Häuser, schon gar nicht unsere Autos und auch nicht das Geld. Das beste Erbe ist eine lebens- und liebenswerte Zukunft. Dafür tragen wir alle die Verantwortung. Heute!

NACHHALTIG WOHNEN UND BAUEN

Ein Themenheft von Wohnungswirtschaft heute in Kooperation mit RENN.nord. 192 Seiten, 18,90 €

Nachhaltig Wohnen und Bauen Teil 1 von 3

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