Mieterinnen und Mieter dürfen beim Heizungstausch nicht benachteiligt werden

Die schleswig-holsteinischen Wohnungsbaugenossenschaften haben die Bundes- und die Kieler Landesregierung aufgefordert, rasch ein verlässliches und ausreichend finanziertes Fördersystem für den geplanten Heizungstausch vorzulegen. Zudem braucht es mehr Geschwindigkeit bei der Wärmeplanung der Kommunen und eine zentrale Steuerung.

Entlastung für Haushalt mit geringem und niedrigem Einkommen nicht ausreichend

„Ausgerechnet die Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen werden bei der bislang geplanten Förderung für den Heizungstausch nicht ausreichend entlastet“, erklärt Sven Auen, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsbaugenossenschaften in Schleswig-Holstein (WBGSH) und Vorstandsvorsitzender der WOGE Wohnungs-Genossenschaft Kiel eG (WOGE), mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetzes (GEG), das am 8. September im Bundestag in Berlin beschlossen wurde.

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Rund 1.000 Euro mehr

Damit der gesetzlich vorgesehene Heizungstausch finanziert werden könne, müsste beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus mit 15 Wohneinheiten die monatliche Miete um 1,14 Euro pro Quadratmeter steigen. Bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung würde das zu einer jährlichen Mehrbelastung von rund 1.000 Euro führen, sagt Sven Auen. „Einerseits verweist die Bundesregierung immer wieder darauf, dass Mieten bezahlbar bleiben müssten. Andererseits dreht sie selbst an der Kostenschraube.“

Klimaschutz hat immer auch eine soziale Dimension

Der Vorstandsvorsitzende der WOGE  verweist darauf, dass mehr als jeder zweite Haushalt in Schleswig-Holstein – rund 53 Prozent – zur Miete wohnt. „Zudem leben in einer Mietwohnung oftmals Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen. Wenn höhere Klimaschutzanforderungen die Menschen finanziell überfordern, wird deren Unterstützung dafür sinken. Klimaschutz hat eine sozialpolitische Seite. Jenen, die wenig haben, zu sagen, sie müssten des Klimas wegen Verzicht üben, ist zynisch.“

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Die Wohnungsbaugenossenschaften unterstützten ohne Wenn und Aber die klimapolitischen Ziele der Bundes- und der Landesregierung. „Die Politikerinnen und Politikern können sich auf uns verlassen. Allerdings vertreten wir auch die Interessen unserer Mitglieder, und die dürfen nicht durch eine praxisuntaugliche und sozial ungerechte Förderpolitik zu den Verlierern der Energiewende werden.“

Die Bundesregierung müsse den für Eigenheimbesitzer vorgesehenen Sozialbonus auch Menschen gewähren, die in Wohnungen mit einer Miete von unter sieben Euro pro Quadratmeter lebten, sagt Sven Auen. Zudem sollte auch für Mieterinnen und Mieter der Klima-Geschwindigkeitsbonus in Frage kommen. Das würde den Austausch fossil betriebener Heizungen beschleunigen.

Staatliche Förderung muss sich an realen Kosten des Heizungstauschs orientieren

„Die Förderung muss ferner die realen Kosten des Heizungstauschs abbilden“, sagt Sven Auen. „Oftmals ist in einem Mehrfamilienhaus nicht nur der Einbau einer Wärmepumpe, sondern zugleich die Zentralisierung von Heizungen sinnvoll und nachhaltig. Das kostet aber deutlich mehr Geld. Diese Kosten dürfen nicht auf die Genossenschaften und ihre Mitglieder abgewälzt werden.“

Sven Auen kritisiert die geplante Beschränkung von Mieterhöhungen nach einem Heizungstausch auf eine Höhe von 50 Cent pro Quadratmeter. „Das wird aufgrund gestiegener Baukosten nicht ausreichen.“

Wohnungsbaugenossenschaften gebe es in Norddeutschland seit mehr als 120 Jahren. „Sie haben schwierigste Zeiten überlebt. Das lag auch daran, dass sie immer gut gewirtschaftet haben. Die jetzt geplante Kappungsgrenze würde viele unserer Mitgliedsunternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage bringen.“

Land muss Verantwortung für kommunale Wärmeplanung übernehmen

Die kommunale Wärmeplanung bekomme durch das GEG zwar ein größeres Gewicht, erklärt Sven Auen. Allerdings hätten große Kommunen bis zum Jahr 2026 Zeit, die Planung abzuschließen – kleinere Gemeinden bis zum Jahr 2028. „Die kommunale Wärmeplanung ist für die Investitionsentscheidungen von Genossenschaften die entscheidende Grundlage. Sie brauchen Planungssicherheit. Ich fürchte aufgrund der Fristen Verzögerungen beim Heizungstausch.“

Es wäre zudem im Sinne von Nachhaltigkeit und Effizienz, würde es landesweit geltende „Leitplanken“ geben

Sven Auen

Es wäre zudem im Sinne von Nachhaltigkeit und Effizienz, würde es landesweit geltende „Leitplanken“ geben, sagt Sven Auen. „Natürlich ist jede Kommune und Gemeinde letzten Endes für seine Wärmeplanung verantwortlich. Aber einige zentrale Vorgaben wären sinnvoll, damit am Ende nicht ein großes Durcheinander herauskommt. Um zentralen Vorgaben sollte sich die Landesregierung kümmern.“

Bei kommunaler Wärmeplanung Genossenschaften von Anfang an mit einbeziehen

In diesem Zusammenhang fordert Sven Auen, dass die Genossenschaften von Anfang an bei der kommunalen Wärmeplanung einbezogen werden. Was für Stadtwerke gut ist, muss nicht unbedingt für die Mieterinnen und Mieter gut sein. Ein klimaneutraler Gebäudebestand im Jahr 2045 ist möglich. Dabei aber muss das Wohnen für alle bezahlbar bleiben.“

Oliver Schirg

Der Verein der Wohnungsbaugenossenschaften in Schleswig-Holstein (WBGSH) bündelt die Aktivitäten von 18 Genossenschaften. Die Unternehmen bieten insgesamt rund 68.000 Wohnungen – das sind rund 15 Prozent aller Mietwohnungen im Land – zu bezahlbaren Nutzungsgebühren an und geben so rund 104.000 Mitgliedern sowie ihren Familien ein sicheres Zuhause. Gut ein Fünftel aller Genossenschaftswohnungen ist öffentlich gefördert und damit ein gewichtiger Faktor beim bezahlbaren Wohnen.

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