Komplexes Grün

Der Begrünungsmarkt boomt und das Halbwissen ist groß. Planer, Bauträger oder Hausverwalter sind auf der einen Seite angehalten und auch bereit, klimasensibel zu agieren. Andererseits ist die Gefahr groß, der Verlockung einfacher Rezepte zu erliegen, was in einer vielschichtigen Materie auch zu Kollateralschäden führen kann.
FRANZISKA LEEB

Balkontröge und Hochbeete sind aus den Ausstattungsprogrammen des (geförderten) Wohnbaus nicht mehr wegzudenken und oft reicht das Angebot noch viel weiter. Wie zum Beispiel in der Siedlung „Erlaaer Flur“ am Helene- Thimig-Weg in Wien Liesing, wo neben einem großen Gemeinschaftsgarten in jeder der fünf Wohnanlagen reichlich Möglichkeit zur gärtnerischen Betätigung besteht. „Urban Gardening zählt ob des hohen gemeinschaftlichen Charakters zu jenen Angeboten, die sehr gut von der Bewohnerschaft angenommen werden“, weiß Lukas Oberhuemer von wohnbund:consult, der dort der Hausgemeinschaft der wabe23 (Bauträger BWSG, Arch.

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Treberspurg & Partner, Landschaft: Green4Cities, Plansinn) u.a. Starthilfe beim gemeinsamen Gärtnern leistete. Die Freizeitgestaltung inklusive Nachbarschaftspflege sei eher ein Motiv zum Garteln als die Selbstversorgung oder die Weltverbesserung. „Wenn sich Zeit genommen wird, Strukturen langsam aufzubauen, hat das gärtnerische Engagement länger Bestand und dann ist es auch möglich, der Bewohnerschaft Verantwortung für das gemeinsame Grün zu übertragen.“

Viel hänge auch am Konzept und dem Herzblut, das darin steckt, wie sehr die Bauträger über das Angebot informieren und wie attraktiv der Freiraum im Allgemeinen sei. Oftmals werde auf den letzten paar Metern an Sitzgelegenheiten und Aufenthaltsplätzen gespart, Details, die für das tägliche Wohnen einen enormen Unterschied machen.

Vorbildhaft ist die Wohnhausanlage MGG22 am Mühlgrundweg (Bauträger Neues Leben und M2plus, Architekten Charamza, Sophie und Peter Thalbauer, Thaler Thaler, Freiraum: Rajek Barosch), wo sich das Thema „Essbare Stadt“ über sämtliche Freiflächen zieht und der vom Verein „Stadtgemüse ²²“ betriebene 2.500 Quadratmeter große Gemeinschaftsgarten auch der Nachbarschaft außerhalb der Anlage zur Verfügung steht. „Urban Gardening ist ein Trend, der Gutes bewirkt und eine einfache Maßnahme, um sozialen Mehrwert zu erzeugen“, so Oberhuemer. Damit es ein ernstzunehmender Beitrag gegen die Überhitzung wird, müsse aber noch mehr passieren, da stecke unter anderem noch viel Potenzial in der vertikalen Begrünung oder in Biodiversitätsflächen.

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Ein Versuch, mehr zu tun, ist es, Maßnahmen aufeinander abzustimmen und zum Beispiel extensiv begrünte Retentionsdächer, ober- und unterirdische Pflanzbeete, offene Rinnensysteme und Sickermulden der Überhitzung und Austrocknung der Stadt entgegenzuwirken. Erstmals im Wiener geförderten Wohnbau durchgeführt wurde dies 2016 beim Wohnpark Süßenbrunner Straße der Siedlungsunion.

Grüne Fassaden

Als probates Mittel gegen städtische Hitzeinseln gelten neben Dachbegrünungen zunehmend Fassadenbegrünungen, für die einige Städte kostenlose Beratung und finanzielle Zuschüsse bereitstellen. Wien macht dafür maximal 5.200 Euro locker, Linz bis zu 15.000 Euro. Bis Gebäudeklasse 3 sei es relativ einfach, vertikal zu begrünen, sofern man bestimmte Voraussetzungen beachtet, meint Architekt Gerhard Huber, dessen Büro Rataplan sich mit einer Reihe an Vertikalbegrünungen an Bestandsbauten eine große Expertise erarbeitet hat.

Soll das Grün höher ranken, werde es kompliziert, nicht zuletzt aus Brandschutzgründen. In jedem Fall gelte es, zunächst die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen zu klären. Die statischen Aspekte werden oft unterschätzt und an Windlasten könne einiges zusammenkommen. Der Außenwandaufbau ist zu berücksichtigen und auch Platz, um den Pflanzen ausreichend Wurzelraum zu geben, damit sie wachsen können…

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