Jenseits der Zuständigkeiten – Warum bezahlbares Bauen einen ganzheitlichen Kraftakt braucht

Liebe Leserinnen, liebe Leser.

Wer heute in Deutschland bezahlbaren Wohnraum schaffen will, braucht nicht nur Kapital, sondern vor allem Geduld – und Nerven. Denn zwischen politischem Anspruch und baulicher Wirklichkeit klafft eine Lücke, die mit jeder neuen Vorschrift und jedem verschleppten Genehmigungsprozess größer zu werden droht. Die Antwort darauf kann nicht in einzelnen Stellschrauben liegen. Es braucht einen systemischen Wandel, einen echten Schulterschluss – quer durch die Ministerien und Ebenen.

Ein Blick auf die Zahlen spricht Bände: Die Baukosten sind laut ARGE zwischen 2020 und 2024 um fast 50 % gestiegen – von rund 3.000 auf über 4.400 Euro/m². Gleichzeitig brechen die Baugenehmigungen dramatisch ein. Mit rund 215.000 Wohnungen 2024 wird das Ziel von 400.000 neuen Einheiten pro Jahr zur politischen Fiktion. Und das, obwohl der Staat steuerlichen Anreizen nicht geizt. Die Realität? Projekte werden reihenweise gestoppt – nicht aus Mangel an Willen, sondern aus Mangel an Machbarkeit.

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Hinzu kommt ein politischer Zielkonflikt, der die Lage weiter verschärft: Die kürzlich bis Ende 2029 verlängerte Mietpreisbremse soll Mieter:innen vor überhöhten Mieten schützen. Doch gerade in angespannten Wohnungsmärkten, wo sie greift, wirkt sie wie ein Investitionshemmnis – insbesondere für den Neubau. So konterkariert die Mietpreisbremse die Wirkung von Förderprogrammen und steuerlichen Anreizen, die eigentlich den Wohnungsbau ankurbeln sollen.

Dr. Christina Lupprian benennt in ihrem 10-Punkte-Plan konkrete Hebel: schnellere Bebauungspläne, erweitertes Vorkaufsrecht, Aufstockungserleichterungen. Alles sinnvoll – aber auch: alles nur dann wirksam, wenn Länder und Kommunen ihre neue Freiheit auch nutzen. Der Bund hat geliefert, jetzt sind Mut und Umsetzungskraft auf lokaler Ebene gefragt. Der neue § 246e BauGB, der Genehmigungen binnen zwei Monaten ermöglichen soll, ist ein gutes Beispiel: Ein Turbo bleibt ein Papiertiger, wenn niemand aufs Gaspedal tritt. (Mehr in dieser Ausgabe)

Dass es auch anders geht, zeigt die Energiewende im Gebäudebestand – oder besser: deren bislang versäumte Chance. Mieterstrom, Energy Sharing, Smart Meter – all das könnte längst Alltag sein, wenn die Regulierung nicht im fossilen Zeitalter stecken geblieben wäre. Magdalena Strasburger bringt es auf den Punkt: Photovoltaik auf Wohnhäusern spart CO₂, senkt Stromkosten und stärkt die Akzeptanz – wird aber bilanziell ignoriert. Solange CO₂-Einsparungen nicht dort angerechnet werden, wo sie entstehen, bleibt jedes Nachhaltigkeitszertifikat bloße Symbolpolitik.

Noch frappierender ist die Untätigkeit beim Energy Sharing. Während Österreich und die Schweiz längst lokale Elektrizitätsgemeinschaften fördern, zögert Deutschland – und blockiert damit innovative Quartierskonzepte. Dabei wäre es einfach: reduzierte Netzentgelte, klare gesetzliche Grundlagen, weniger Bürokratie. Stattdessen: Hürden, Unsicherheit, Stillstand. (Mehr in dieser Ausgabe)

Und doch gibt es Lichtblicke: Das Beispiel Vonovia zeigt, wie pragmatisches Handeln aussehen kann. 30 kolumbianische Elektroniker wurden durch gezielte Weiterbildung und enge Begleitung in nur 14 Monaten zu anerkannten Fachkräften gemacht. Ein echtes Erfolgsmodell – und ein Signal, wie internationale Fachkräftegewinnung gelingen kann, wenn alle Akteure kooperieren. (Mehr in dieser Ausgabe)

Der Weg zu bezahlbarem, nachhaltigem Wohnen ist kein Wunschkonzert – er ist ein anspruchsvolles Zusammenspiel vieler Akteure. Und genau deshalb braucht es mehr als Förderprogramme oder Gesetzesnovellen. Es braucht eine abgestimmte Strategie, ressortübergreifende Verantwortung und einen echten Kulturwandel in Planung, Regulierung und Vollzug. Bezahlbarer Wohnraum entsteht nicht in Ministerien – sondern dort, wo die Realität nicht durch Bürokratie ausgebremst wird, sondern durch Kooperation beflügelt.

Juli 2025 – Wohnungswirtschaft technik. . Eine neue Ausgabe mit vielen anderen Blickwinkeln. Klicken Sie mal rein.

Auch heute lautet das Motto: Machen statt warten!

Bleiben Sie zuversichtlich und nachhaltig.

Ihr Gerd Warda

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